Barnim — Im “Nationalen Netztagebuch” träumt ein NPD-Funktionär aus Brandenburg von “Sonderbehandlung” für politische Gegner. Erst vor kurzem musste dieses Neonazi-Blog wegen einer wüsten antisemitischen Tirade vorübergehend schließen.
Als Anlass für die neuerlichen Hassparolen dient die gestrige Demonstration in Berlin-Neukölln, mit der 500 — 600 Rechtsextreme aus NPD und parteiunabhängigen “Freien Kräften” die Einrichtung eines “nationalen Jugendzentrums” fordern wollten. An einer Gegendemonstration nahmen etwa 700 — 800 Personen teil. Während es bei diesen Demonstrationen weitgehend friedlich zuging, war es nach verschiedenen Berichten bereits im Vorfeld des Neonazi-Aufmarsches bei S- und U‑Bahnhöfen zu Zusammenstößen von Nazigegnern und Rechtsextremen gekommen. Laut Polizeiangaben gingen die Angriffe von Nazigegnern aus, fünf der angegriffenen Rechten wurden verletzt.
Im “Nationalen Netztagebuch” wähnt heute ein “Julius Färber” Zustände “wie in Zeiten der Weimarer Republik”, als ein schwacher Staat Verbote gegen die “nationale Opposition” erlassen habe. Daher habe die Linke “Oberhand” gewonnen und “kommunistische Schlägerbanden” seien “marodierend, plündernd, vergewaltigend und mordend durch deutsche Städte” gezogen. Den weiteren Verlauf der Zeitgeschichte stellt sich “Julius Färber” mit einem leicht abgewandelten Zitat aus der Sportpalast-Rede von Josef Goebbels vor: “Und das Volk stand auf und der Sturm brach los”.
Das weitere Vorgehen der Nazis gegen “Mitglieder der roten Verbrecherparteien und ihre Helfershelfer” wird offensichtlich mit Freude und Zustimmung beschrieben: laut dem NPD-“Netztagebuch” wurden sie “gesonderten Behandlungen zugeführt”. Offenbar hält der “Netztagebuch”-Autor es nicht für notwendig, die Methode zu präzisieren, so wie sie etwa von Heinrich Himmler in einer Dienstanweisung formuliert wurde: “Die Sonderbehandlung erfolgt durch den Strang.” In Frageform wird im “Netztagebuch” schließlich der Wunsch geäußert: “Wiederholt sich Geschichte?”
Bereits vor zwei Wochen hatte das “Nationale Netztagebuch” vorübergehend schließen müssen, nachdem ein von Fremdenhass und Antisemitismus geprägter Text Politiker wie Bundeskanzlerin Merkel als “Sklave der Juden” bezeichnet hatte. Nachdem der Hetzartikel drei Tage lang auf der Internetseite gestanden hatte, distanzierte sich der NPD-Kreisverband Barnim-Uckermark als Betreiber des “Nationalen Netztagebuchs” von dem Text “ausdrücklich und in schärfster Form”. Übelwollende Hacker hätten den Text eingeschmuggelt, so die lahme Ausrede der Rechtsextremen. Kenner der regionalen Szene vermuten, dass der Text aus Angst vor einer Anzeige wegen Volksverhetzung entfernt wurde.
Eine knappe Woche später war das “Netztagebuch” wieder aktiv. Jetzt wurde der Traum von der “Sonderbehandlung” politischer Gegner von “Julius Färber” veröffentlicht, der auch früher schon in rechtsextremen Internet-Foren von Nazi-Methoden im Umgang mit politischen Gegnern geträumt hatte. Vor einem Jahr meinte er in Bezug auf Teilnehmer am “Tag der Demokratie” im brandenburgischen Halbe, “dass wir solche Leute nur als Wachpersonal begleiten würden…wenn es denn wieder soweit ist.”
Hinter dem Pseudonym “Julius Färber” verbirgt sich nach begründeten Erkenntnissen der Betreiber des “Netztagebuchs”, der NPD-Kreisvorsitzende Barnim-Uckermark Mike Sandow.