Eine Volksinitiative “zur Überwindung des Sachleistungsprinzips in
Brandenburg” wird zurzeit gegründet. Die Gruppe arbeitet an einer Änderungsvorlage für die brandenburgische Verfassung.
Der Paragraf 18 soll, wie weiter unten nachzulesen, abgeändert werden, um das Sachleistungsprinzip für Asylsuchende im Land abzuschaffen.
Anfang Juni beginnt dann eine Unterschriftensammlung — wenn innerhalb eines Jahres 20 000 zusammenkommen, muss der Text im Landtag besprochen werden.
Es gab in letzter Zeit einige Bemühungen auf Stadt- bzw.
Landkreis-Ebene das Gutscheinsystem abzuschaffen. Bisher hatten aber
dementsprechende Beschlüsse der Kommunen und Landkreise aber keine Wirkung,
da das Land nicht daran gebunden ist.
Die Volksinitiative will versuchen, die alltägliche
Situation der Flüchtlinge in Brandenburg zu verbessern und
gleichzeitig öffentlich gegen den staatlichen Rassismus in diesem Land
zu arbeiten.
Gruppen, die die Volksinitiative unterstützen bzw. sich beteilgen wollen, werden noch gesucht:
Kontakt-Email: sachleistung@yahoogroups.de
Textvorlage für die Unterschriftensammlung
In die Brandenburgische Landesverfassung (BbgVerrf) soll folgender
Artikel 18 a eingefügt werden:
Diskriminierungsverbot
(1) Das Land Brandenburg fördert und schützt die gleichberechtigte
Teilnahme von Ausländern und Asylbewerbern am öffentlichen Leben.
(2) Alle Asylbewerber und Ausländer haben einen individuellen
Rechtsanspruch auf die Unterbringung in Wohnungen statt in
Gemeinschaftsunterkünften und auf die Gewährung von Sozialleistungen
als Bargeld statt in Form von Sachleistungen , Chipkarten oder
Wertgutscheinen. Zur Durchsetzung des Rechtsanspruches ist der
Verwaltungsrechtweg eröffnet.
Begründung:
Das Sachleistungsprinzip und die Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften sind integrationsfeindlich, diskriminierend
und verursachen hohe Kosten für die einzelnen Kommunen.
Asylsuchende bekommen nur etwa 80% des Soziahilfesatzes. Sie müssen
also unter dem Existenzminimum leben. Über diese reduzierten
Leistungen dürfen sie nicht frei verfügen. Denn davon wird ein großer
Teil in Wertgutscheinen ausgezahlt. Die Wertgutscheine sind nur in
bestimmten Geschäften einlösbar und gelten nur für bestimmte Waren.
Sie können nicht angespart werden. Bei Einkäufen mit Gutscheinen wird
nur maximal 10% Wechselgeld ausgegeben. Das Bezahlen mit Gutscheinen,
die zusätzliche Bearbeitungszeit, die dadurch für die/den Kassierer/in
entsteht, die Kontrolle der Waren durch die/den Kassiere/in — all dies
stellt eine offensichtliche gesonderte Behandlung dar. Zum Teil müssen
Flüchtlinge sogar an gesonderten Kassen bezahlen. Die Vorstellung,
Flüchtlinge könnten nicht mit Geld umgehen und müssten deshalb mit
Gutscheinen einkaufen gehen, wird so tagtäglich nach außen vermittelt.
Die Gefahr, dass Vorurteile genährt werden, ist hoch.
Die 40 Euro Bargeld pro Monat reichen nicht aus, um die anfallenden
Kosten zu decken. Telefon-/Porto- und Anwaltskosten, Fahrtkosten,
Zigaretten, Alkohol, Kleinigkeiten zwischendurch, Einkäufe bei
Spezialgeschäften (wie z.B. Bäcker) können von etwa 1,36 Euro pro Tag
kaum beglichen werden. Auf jeden Fall bleibt kein Geld, um an
gesellschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen und sich somit zu
integrieren: Deutschkurse, Kino, Theater, Vereinsmitgliedschaften,
Disco, Weiterbildungsveranstaltungen, Museen. Das Wertgutscheinsystem
führt also zur Ausgrenzung von Asylsuchenden und verhindert ihre
Integration.
Ähnlich wirkt die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Sie
liegen in der Regel weit abgelegen mit unzureichenden
Verkehrsanbindungen. Es gibt keine Infrastruktur für Integration. Das
Leben auf engem Raum ist angesichts von Traumatisierungen,
alltäglichen Problemen und der Vielfalt von Kulturen (gerade auch für
Kinder) eine unzumutbare psychische Belastung. Die gesetzlich
vorgeschriebenen 6,30 m² Wohnfläche sind für die durchschnittliche
Dauer der Asylverfahren und das damit oft/faktisch verbundene
Arbeitsverbot menschenunwürdig. Auf diese Weise wird das Klischee von
“faulen, herumlungernden” Asylsuchenden bedient. Ein Bild, wofür die
Asylsuchenden nichts zu können, welches aber negative Vorurteile
fördert und einer Integration im Weg steht.
Als Beleg, dass diese Diskriminierung einkalkuliert und gewollt ist,
dienen die finanziellen Aspekte. Der Stadt Potsdam zahlt jährlich etwa
12 156 Euro an die Hersteller der Gutscheine. Die Verwaltungskosten
für das Sozialamt sind dabei nicht enthalten. Im Landkreis
Teltow-Fläming kostet diese Variante der Sozialleistungen sogar XXX
Euro. Die Unterbringung in Wohnungen ist ebenfalls billiger als die in
Heimen.
Wenn das Land Brandenburg diese Mechanismen bewusst einsetzt, um
Menschen abzuschrecken, dann verhindert es auch bewusst Integration
und fördert Diskriminierung. Ein Leben in Würde ist unter den
Einschränkungen für Asylsuchende nicht möglich. Das Signal nach außen
ist fatal und spielt all denen in die Hände, die offensiv rassistisch
auftreten. Alle Programme für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit
laufen so unweigerlich ins Leere.
Die Stadt Potsdam, sowie die Landkreise Potsdam-Mittelmark,
Brandenburg, Dahme-Spreewald und Uckermark haben die Wirkung der
Wertgutscheine bereits erkannt und entsprechende Willenserklärungen zu
deren Abschaffung beschlossen. Wir fordern die Landesregierung auf,
diesen Beschlüssen zu folgen und mit der Umsetzung unseres Anliegens
einen großen Schritt in Richtung Integration und Menschenwürde zu tun.