Asylbewerber können statt Wertgutscheinen im Land Brandenburg künftig wieder
Bargeld erhalten. Einem entsprechenden Vorschlag von Sozialminister Günther
Baaske (SPD) stimmte das Kabinett am vergangenen Dienstag zu. Damit ist der
nicht unumstrittene Runderlass aus dem Jahre 1994 von der verstorbenen
Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) hinfällig. Demnach durften
Flüchtlinge im Land Brandenburg nur Sachleistungen erhalten.
Florian Engels, Pressesprecher des Sozialministeriums, erläuterte gegenüber den
PNN, dass in Kürze ein Schreiben an die Kreise versandt wird, in dem die vier
Runderlasse zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes aus den Jahren
1994 bis 2000 aufgehoben werden. So können die Verwaltungen entscheiden, ob
Flüchtlinge, die über drei Jahre im Land Brandenburg leben, statt der
Wertgutscheine Bargeld erhalten. Der Beschluss basiere auf dem
Asylbewerberleistungsgesetz. „Wir gehen davon aus, dass erste Veränderungen in
der Handhabung Mitte Januar umgesetzt werden können.“ Die Dezernentin für
Jugend, Soziales und Wohnen der Stadtverwaltung, Bärbel Eichenmüller, begrüßt
den Kabinettsbeschluss. Bereits im Juli 2001 habe die
Stadtverordnetenversammlung die Landesregierung per Beschluss
aufgefordert „eine Initiative zur bundesweiten Abschaffung des
Sachleistungsprinzips in Gang zu bringen“. Derzeit leben über 600 Asylsuchende
in Potsdam. Knapp die Hälfte von ihnen lebt in Wohnungen und erhält Bargeld.
Wertgutscheine erhalten die in Gemeinschaftsunterkünften lebenden
Menschen. „Mit dem Kabinettsbeschluss kommt es zu einer Gleichbehandlung der
Asylsuchenden.“ Auch Magdolna Grasnick, Ausländerbeauftragte der Stadt,
bezeichnet den Beschluss als einen „Schritt in die richtige Richtung“.
Gegen den von Regine Hildebrandt verantworteten Erlass haben in den vergangenen
Jahren Kirchen und Flüchtlingsorganisationen Einspruch erhoben. So äußerte
Judith Gleitze, Flüchtlingsrat Potsdam sowie Mitinitiatorin
der „Volksinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips im Land
Brandenburg“, gegenüber den PNN: „Dieser Beschluss ist ein erster Schritt.“ Da
noch keine genaueren Fakten vorliegen, müsse das Gespräch des Flüchtlingsrates
mit Günther Baaske in der kommenden Woche abgewartet werden. Doch gehe sie
davon aus, dass die Unterschriftenaktion für die Abschaffung des
Sachleistungsprinzips weitergeführt werde. „Soweit ich informiert bin, ist es
den Kommunen und kreisfreien Städten überlassen, ob sie künftig Wertgutscheine
oder Bargeld ausgeben.“ Somit bestünde weiterhin die Gefahr, dass das
Sachleistungsprinzip aufrechterhalten werde. „Wir möchten, dass die
Asylsuchenden vom ersten Tag an Bargeld erhalten, denn das Sachleistungsprinzip
bedeutet Diskriminierung.“ Den Flüchtlingen steht zur Deckung ihres
Unterhaltes, gestaffelt nach Alter, maximal die Summe von rund 158 Euro in
Wertgutscheinen sowie 40,90 Euro in bar zu. Das entspricht 84 Prozent des
Sozialhilfesatzes. Mit den Wertgutscheinen, die die Stadtverwaltung etwa 7500
Euro für die Herstellung kosten, sind Einschränkungen und Unannehmlichkeiten
verbunden. So können sie beispielsweise nur in bestimmten Geschäften eingelöst
werden. Zudem entstehen beim Bezahlen mit Gutscheinen Bearbeitungszeiten für
die Kassierer, die die Ware kontrollieren müssen. Und nicht selten gebe es
gesonderte Kassen. Die Volksinitiative bemängelt, dass durch das
Sachleistungsprinzip keine „gleichberechtigte Teilnahme von Ausländerinnen und
Asylbewerbern am öffentlichen Leben“ gefördert werde, sondern
eine „offensichtliche gesonderte Behandlung“. Problematisch sei auch, dass das
Geld nicht reiche, um anfallende Kosten zu decken, beispielsweise für einen
Anwalt.