Brandenburgs Regierung und evangelische Kirche verhandeln über das Schicksal eines Vietnamesen, der mit seinem fünfjährigen Sohn abgeschoben werden soll
(Lukas Wallraff) Das Schicksal des Vietnamesen Xuan Khang Ha, der mit seinem fünfjährigen Sohn abgeschoben werden soll, ist in Brandenburg zur Chefsache geworden. Am kommenden Dienstag werden sich Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) mit dem evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber treffen, um den Fall zu beraten.
Das Brandenburger Innenministerium machte den beiden Vietnamesen jedoch wenig Hoffnung. An der rechtlichen Situation habe sich nichts geändert. Alle Asylanträge seien abgelehnt worden. Bei der Vereinbarung des Gesprächs habe in der Regierung “Einigkeit” bestanden, “dass Herr Ha und sein Sohn rechtswirksam ausreisepflichtig sind”, sagte Schönbohms Sprecher gestern der taz. Bei dem Gespräch sollten lediglich “grundsätzliche Fragen des Kirchenasyls” angesprochen werden. Kirchenvertreter hatten zuvor gegen eine Verletzung des Kirchenasyls protestiert, wie es sie bisher in Brandenburg noch nicht gegeben habe.
Die zuständige Ausländerbehörde wollte Ha und seinen Sohn Anfang dieser Woche nach Frankfurt am Main bringen und nach Hanoi ausfliegen lassen. Polizisten hatten deshalb am Dreikönigstag das Pfarrhaus der evangelischen Gemeinde im brandenburgischen Schwante durchsucht, wo sich Ha und sein Sohn seit November im Kirchenasyl befanden. Nach eigenen Angaben ließ der Pfarrer die Beamten ins Haus, obwohl sie keinen Durchsuchungsbefehl vorlegten. Die Vietnamesen konnten jedoch nicht gefunden werden.
Die Ausländerbehörde erklärte daraufhin, an der geplanten Abschiebung der Has festzuhalten, auch wenn ihr derzeitiger Aufenthaltsort nicht bekannt sei. Nach Angaben des Bundesgrenzschutzes wäre der nächste mögliche Termin der 21. Januar.
Trotz der unnachgiebigen Haltung der Behörden setzt die evangelische Kirche in Brandenburg weiter auf eine einvernehmliche Lösung. Dass sich Platzeck und Schönbohm zum Gespräch bereit erklärten, sei ein “positives Zeichen”, sagte der kirchliche Ausländerbeauftragte Hanns Thomä-Venske der taz. “Ich hoffe, dass man noch einmal über den Fall reden kann.”
Die Gemeinde in Schwante hatte ihr Engagement damit begründet, dass Ha bei einer Abschiebung möglicherweise von Verfolgung bedroht sei. Hauptgrund ist das Mitwirken des Vietnamesen in zwei oppositionellen Exil-Organisationen.
Um zu klären, ob Has Furcht berechtigt ist, hat die Kirche amnesty international und die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) um Gutachten gebeten. Thomä-Venske hofft, dass sie bis zum Dienstag vorliegen. Falls sie eine Bedrohung feststellen, appelliert der Kirchenbeauftragte an die Behörden, den Fall erneut zu prüfen. Denkbar sei ein neuer Asylfolgeantrag, der wenigstens aufschiebende Wirkung hätte.
Bei der bisherigen Behandlung des Falls sei die “Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt” worden, kritisierte Thomä-Venske. Ha war 1988 als DDR-Vertragsarbeiter nach Deutschland gekommen. Im vergangenen Herbst hatten die Behörden versucht, Ha ohne seinen Sohn abzuschieben. Nachdem sich der Bundesgrenzschutz weigerte, landete Ha sechs Wochen lang in Abschiebehaft. Ein Gerichtsurteil untersagte die Trennung von Vater und Sohn, änderte aber nichts an der Ausreisepflicht. In Schwante fanden die Vietnamesen Schutz. Dort engagiert sich nicht nur die Kirche. Auch das buddhistische Kloster im Ort bot seine Hilfe an.”
Erst mal reden
Kirchenasyl beschäftigt Brandenburgs Landesregierung. Innenminister bleibt hart: Nur unterm Altar keine Polizei
(HKL) Die nächste Machtprobe zwischen Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) steht bevor. Der Anlass: Das Schicksal des abgelehnten vietnamesischen Asylbewerbers Xuan Khan Ha und seines fünfjährigen Sohnes, der seit zwei Monaten bei der evangelischen Gemeinde in Schwante Kirchenasyl gefunden hat. Am Montag waren die beiden dort von der Polizei vergeblich gesucht worden.
Platzeck legte daraufhin am Mittwoch eine Denkpause im Streit um die Abschiebung ein. Am Dienstag kommender Woche sollen der Regierungschef, Innenminister Jörg Schönbohm, der evangelischen Bischof Wolfgang Huber und der zuständigen SPD-Landrat des Kreises Oberhavel gemeinsam eine Lösung suchen. Indirekt sicherte der stellvertretende Potsdamer Regierungssprecher, Claus Füger, dem Vietnamesen zu, bis dahin von staatlichen Zwangsmaßnahmen abzusehen. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass vor diesem Gespräch durch die Behörden des Landes Brandenburg irgendwelche Fakten geschaffen werden”, erklärte Füger. Die Kirchengemeinde Schwante unterstrich derweil, dass sie der vietnamesischen Kleinfamilie weiterhin Schutz gewähren wird und hat dafür ein interkonfessionelles Bündnis mit jüdischen, islamischen und buddhistischen Gemeinden geschlossen.
Tatsächlich ist Platzeck die letzte Hoffnung des Vietnamesen und seiner Unterstützer. Denn Teile der SPD sind in Flüchtlings- und Migrationsfragen längst auf Schönbohms Kurs eingeschwenkt, der dafür sorgt, dass in Brandenburg der nicht deutsche Bevölkerungsanteil die Zweiprozenthürde nicht übersteigt. Schönbohms Sprecher Heiko Homburg machte unterdessen deutlich, dass das Ministerium an der Abschiebung festhalten will: “Als das Gespräch vereinbart wurde”, so Homburg, sei man sich in der Landesregierung einig gewesen, “dass Herr Ha mit seinem Sohn rechtswirksam ausreisen muss und abgeschoben wird”.
Trotz der breiten Kritik am Polizeieinsatz gegen die Kirchengemeinde bleibt das Innenministerium auch beim Kirchenasyl auf Crashkurs. Spitzfindig sagt Homburg dazu: “Solange Jörg Schönbohm Innenminister bleibt, geht die Polizei nicht in Gotteshäuser.” Im Klartext heißt das, Polizeieinsätze in Gemeinde- und Pfarrhäusern bleiben möglich. Lediglich unterm Altar sind Flüchtlinge noch sicher.
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