(MAZ)POTSDAM Das Grundstück für den Wiederaufbau der Garnisonkirche steht zur
Verfügung. Pünktlich zur heutigen symbolischen Grundsteinlegung (16 Uhr)
vermelden die Stadt und die Immobiliengesellschaft der Arag den Abschluss
einer Vereinbarung zur unentgeltlichen Übertragung von 900 Quadratmetern an
den von der Stadt beauftragten Sanierungsträger Potsdam. Ab 1. Januar 2006
werde man bereits über den ehemaligen Sozialtrakt des Rechenzentrums
verfügen, in dem zurzeit ein Fahrradladen ist, teilte Sanierungsträgerchef
Erich Jesse gestern mit. Der Abriss des Gebäudeteils ist Voraussetzung für
die Errichtung des 88 Meter hohen Kirchturms.
Oberbürgermeister Jann Jakobs und Arag-Vertreter äußerten sich “erleichtert,
das zwischenzeitlich kontroverse Problem für alle Seiten zufriedenstellend
gelöst” zu haben.
Als die Arag das Grundstück von der Treuhand erwarb, verpflichtete sich der
Versicherungskonzern im Kaufvertrag, es für den Fall eines Wiederaufbaus
kostenlos abzugeben. Wirtschaftlich tragbar ist dieser Schritt erst dank
Mitwirkung des Innenministeriums. Es hat den Ende 2007 auslaufenden
Mietvertrag seines Landesamtes für Datenverarbeitung mit dem
Grundstückseigentümer Arag so weit verlängert, dass der Bau des
Kirchenschiffs gewährleistet bleibt.
Die Sanierungsziele der Stadt gehen über die Kirchenfundamente hinaus bis
zur Rückgewinnung der Plantage. Mit der Arag ist vereinbart, dass ein
Kaufvertrag über weitere etwa 13 000 Quadratmeter geschlossen wird. Mit der
Grundsteinlegung will die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau heute die
Spendensammlung forcieren. Zu den ersten Unterstützern zählt die Familie
Joop. Modedesigner Wolfgang Joop und seine Eltern Charlotte und Gerhard
wollen zum Festakt kommen. Die Eltern haben ihre an die
Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) gezahlte Spende von gut
2000 Euro jetzt zurückgefordert, um sie der Fördergemeinschaft zur Verfügung
zu stellen. Das bestätigte Charlotte Joop gestern. “Als alte Potsdamer
wollen wir wenigstens den Beginn des Aufbaus noch erleben”, sagte die
90-Jährige. “Wir waren oft in der Kirche, und um unsere wunderschöne Stadt
wurden wir damals auf Schulausflügen und auf Reisen überall beneidet.”
Nur die Träume wachsen in den Himmel
Heute wird in Potsdam der Grundstein für den umstrittenen Wiederaufbau der
Garnisonkirche gelegt. Bislang fehlt dafür aber noch das Geld
(TAZ)Auf einem Bürgersteig am Rande der Potsdamer Innenstadt wird heute der
Grundstein für die Garnisonkirche gelegt, jenes Hauptwerk des Preußischen
Barock, über dessen Wiederaufbau seit Jahren gestritten wird.
“Endlich haben wir eine Lösung gefunden, die alle Beteiligten an einen Tisch
bringt”, freut sich Hans-Peter Reinheimer, Vorsitzender der
Fördergesellschaft für den Aufbau der Garnisonkirche. Er hat vor über einem
Jahr den “Ruf aus Potsdam” initiiert, um nach Vorbild der Dresdner
Frauenkirche die Spendenmillionen für das Projekt zu scheffeln. 65 Millionen
Euro werden benötigt — “konservativ geschätzt”, sagt Reinheimer. Eingenommen
hat er bislang kaum etwas: Zu zerstritten waren die Beteiligten, zu unsicher
war die Grundstücksfrage, zu unbestimmt die Funktion des geplanten Gebäudes,
um an potente Geldgeber herantreten zu können. Dennoch soll die Kirche 2017
stehen.
Auf ein Nutzungskonzept hat sich die Kreissynode der evangelischen Kirche am
vergangenen Wochenende immerhin geeinigt: Entstehen sollen eine “offene
Stadtkirche ohne eigene Gemeinde und ein internationales
Versöhnungszentrum”, erklärt Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte das Konzept,
das durch die Aufnahme in die Internationale Nagelkreuzgemeinschaft von
Coventry betont wird. Ihr Symbol, das Nagelkreuz, soll in den Kirchenneubau
einziehen.
Auch die Grundstücksfrage scheint sich zu klären: Der Eigentümer wird der
Stadt die benötigten 900 Quadratmeter unentgeltlich übertragen. Schon im
nächsten Jahr soll ein Teil des Plattenbaus, in dem sich heute ein
Fahrradladen befindet, dem Kirchenneubau weichen.
Doch von Einigkeit ist das Projekt Garnisonkirche noch immer weit entfernt.
Anfang der Woche verkündete die rechtslastige Traditionsgemeinschaft
Potsdamer Glockenspiel (TPG) ihren endgültigen Ausstieg. 6,7 Millionen Euro
hat ihr Vorsitzender, der Bonner Max Klaar, nach eigenen Angaben seit 1990
für den Wiederaufbau gesammelt. Doch die TPG, die von der evangelischen
Kirche verlangte, weder Segnungen von Homosexuellen noch Beratung von
Wehrdienstverweigern anzubieten, war gegen das Nutzungskonzept. “Für einen
Politiktempel für Geschichtsunterricht aus Sicht der evangelischen Kirche
des 21. Jahrhunderts” habe er kein Geld akquiriert, so Klaar. Am Montag
verschickte er Briefe an seine Spender, die nun selbst über ihre Gelder
entscheiden sollen.
Auch die Kritiker von links, etwa die Potsdamer Kampagne gegen Wehrpflicht,
bekämpfen den Neubau weiter. “Sentimentalismus” und
“Geschichtsrelativierung” nennt ihn Kampagnenmitglied Falk Richter. Die neue
Elite Potsdams wiederhole das Verhalten der SED, das Erbe der Vorgänger zu
vernichten.
Die Mehrheit der Potsdamer betrachtet den Willen zum Kirchbau bislang
allerdings eher mit Desinteresse. “Brandenburger sind keine Sachsen”, sagt
Reinheimer, “die brauchen etwas, um aus sich herauszukommen.” Es sei daher
wichtig, die Kirche sichtbar zu machen.
So werden heute Prominenz aus Politik und Kirche, Ministerpräsident Mathias
Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und der Berliner Bischof
Wolfgang Huber, trotz aller Widrigkeiten mit dem Bau beginnen, wenn auch nur
symbolisch. Das künftige Versöhnungszentrum hat also schon jetzt viel zu
tun, vor allem mit sich selbst.