(BM)Potsdam — Die Debatte um den Umgang mit dem wachsenden Rechtsextremismus und
der im Landtag vertretenen rechtsextremen Deutsche Volksunion (DVU) läuft im
Landesparlament zunehmend aus dem Ruder. Im Plenum kam es gestern zu der
absurden Situation, daß die rechtsextreme Partei einen Antrag gegen den
Rechtsextremismus nicht ablehnt, sondern sich wegen “Geringfügigkeiten” nur
der Stimme enthielt.
Damit wollte die DVU die demokratischen Parteien offenbar vorführen.
Triumphierend sagte DVU-Landeschef Sigmar-Peter Schuldt zur Berliner
Morgenpost: “Der Präsident hat ganz offensichtlich erkannt, daß wir nicht
rechtsextrem sind.”
In dem ursprünglich von SPD und CDU ausgearbeiteten Antrag gegen den
Rechtsextremismus war die DVU noch erwähnt gewesen. Wörtlich hieß es: “Das
Wahlergebnis der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg ist eine
politische Herausforderung an die demokratischen Kräfte im Land.”
Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) plagten jedoch juristische Bedenken
und so strich er “aus Neutralitätsgründen” die Erwähnung der DVU als
rechtsextreme Partei. Selbst in den eigenen Reihen brachte ihm dieses
Vorgehen Kritik ein.
Hätten SPD und CDU den Antrag wie geplant zusammen eingebracht, wäre diese
Situation überhaupt nicht entstanden. Die SPD wollte die PDS mit ins Boot
nehmen, was die Union ablehnte. Sie spricht ihr ab, eine demokratische
Partei zu sein.
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage bekennen sich zwölf Prozent der Märker
quer durch alle Altersgruppen zu einem rechtsextremen Weltbild. Die
rechtsextreme Gewalt im Land nimmt weiter zu. Dennoch war die angeblich so
wichtige Debatte wieder einmal durch parteipolitische Streitigkeiten
überlagert. Die SPD warf der CDU vor, das Thema Rechtsextremismus
parteipolitisch zu instrumentalisieren.
Eindringlich mahnte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den
Koalitionspartner: “Demokratie lebt vom Wechselspiel von Opposition und
Regierung. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist aber über alle
Parteien hinweg die Zusammenarbeit erforderlich.”
Zuvor hatte auch der SPD-Innenpolitiker Werner-Siegwart Schippel die Union
scharf zurechtgewiesen. “Ich hätte erwartet, daß Innenminister Jörg
Schönbohm alle Vorbehalte zurückgestellt habe, wie er es einst auch als
General bei der Auflösung der Nationalen Volksarmee der DDR getan hat.” Im
Plenum hatte CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek noch einmal darauf
hingewiesen, daß die Union nur bereit war, den Antrag zwischen zwei
demokratischen Parteien zu verabschieden.
Die DVU freute sich. “Ich habe selten mehr Werbung für die DVU gesehen”,
sagte die Fraktionschefin Diane Hesselbarth ins Mikrofon.
Landtag einig gegen rechten Extremismus
Zustimmung von SPD, CDU und PDS — DVU enthält sich
(Berliner Zeitung)POTSDAM. Erst nach heftigem internen Streit hat der Potsdamer Landtag am
Mittwoch mit den Stimmen von SPD, CDU und PDS eine Entschließung gegen
Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt verabschiedet. Dabei kam es
erneut zu Spannungen zwischen den Koalitionspartnern. Redner der SPD und
indirekt auch Ministerpräsident Matthias Platzeck kritisierten die Haltung
der CDU, die einen gemeinsamen Antrag mit der PDS abgelehnt hatte. Die
Bedrohung durch den Rechtsextremismus ist ein Feld, sagte Platzeck, auf dem
die Gemeinsamkeit der Demokraten auf jeden Fall erforderlich ist. Erst durch
einen Winkelzug wurde der Beschluss möglich: Landtagspräsident Gunter
Fritsch (SPD) brachte den inhaltlich zuvor zwischen den Parteien
abgestimmten Antrag ein. Allerdings verzichtete Fritsch unter Verweis auf
seine Neutralitätspflicht darauf, den eigentlichen Anlass für die Initiative
zu benennen: Die Wahlerfolge der rechtsextremen NPD in Sachsen und der DVU
in Brandenburg. Koalitionskreise hatten befürchtet, dass auch die sechs
DVU-Abgeordneten der Entschließung zustimmen könnten. Doch die enthielten
sich der Stimmen.
Einig gegen Rechtsextremismus
Landtag beschließt “Präsidenten-Antrag”, nur die CDU polemisiert
(MAZ)POTSDAM So viel Lob gab es für Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) im
Parlament noch nie. Erst dankte ihm sein Fraktionschef, dann die Vorsitzende
der oppositionellen PDS und zu guter Letzt der Ministerpräsident. Nur der
CDU-Fraktionschef mochte den Namen Fritsch nicht extra erwähnen, was Gründe
hatte.
Fritsch selbst saß während der Debatte nicht vorn am hohen Pult, sondern auf
der Abgeordnetenbank. Weil er selbst Initiator des in den letzten Tagen
politisch hoch aufgeladenen Antrags gegen Rechtsextremismus war, übernahm
Stellvertreter Lothar Bisky (PDS) die Leitung der Debatte.
Dabei hatte Fritsch nichts anderes getan, als einer Bitte aus der SPD
nachzukommen: Er erklärte ein Papier von SPD und CDU, an dem auch die PDS
mitgewirkt hatte, zum neutralen “Präsidenten-Antrag”. Damit war ein Ausweg
aus einer verfahrenen Situation gefunden. Die CDU lehnte nämlich aus
ideologischen Erwägungen jegliches gemeinsames Vorgehen gegen
Rechtsextremismus mit der PDS ab — zum großen Ärger des Koalitionspartners
SPD. Deshalb scheiterte auch die SPD-Idee nach einem Antrag “aller drei
demokratischen Fraktionen”.
Am Ende stand dennoch ein überparteilicher Kompromiss. Denn dem
Fritsch-Antrag stimmten gestern SPD, CDU und PDS geschlossen zu. Die sechs
Abgeordneten der rechtsextremen DVU enthielten sich der Stimme.
In dem beschlossenen Neun-Punkte-Antrag “gegen Rechtsextremismus und
Fremdenfeindliche Gewalt” bekennt sich der Landtag zu Weltoffenheit und
Toleranz. In einer ersten Fassung waren noch die Wahlerfolge der
rechtsextremen Parteien NPD in Sachsen und DVU in Brandenburg namentlich
erwähnt worden. In der jetzigen Fassung ist nur von Wahlerfolgen
“rechtsextremer Parteien” als eine Herausforderung für die demokratischen
Kräfte die Rede. Der Landtagspräsident hatte mit Verweis auf seine
Neutralitätspflicht auf die Änderung bestanden.
Die meisten Redner rückten die Auseinandersetzung mit der rechtsextremen DVU
in den Mittelpunkt. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, die DVU
habe in Wahlspots unverhüllt zur Gewalt aufgerufen. Die Zahl rechtsextremer
Straftaten sei angestiegen. Deshalb komme der vorliegende Antrag “leider zur
richtigen Zeit”. Platzeck appellierte an die Familien, den Umgang ihrer
Kinder zu beobachten und Debatten nicht aus dem Weg zu gehen.
SPD-Fraktionschef Günter Baaske sagte, die Anwesenheit der DVU im Landtag
sei “politisch ärgerlich, aber für die Parlamentsarbeit inhaltlich
irrelevant”. Durch klare Politik und Ehrlichkeit müssten die Menschen, die
DVU gewählt haben, wieder erreicht werden. Vor allem den Jugendlichen müsse
ein “emotionaler Anker” geboten werden. “Sie brauchen eine von Toleranz
geprägte Heimat, für die es zu kämpfen lohnt, auf die man stolz sein kann.”
Der Begriff “Heimat” dürfe nicht den “Rechten” überlassen werden.
PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann sagte, die DVU sei genauso eine
rechtsextreme Partei wie NPD oder Republikaner. DVU und NPD hätten sich zu
einer Front für die nächsten Wahlen zusammengeschlossen.
CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek nutzte seine Rede zu einer scharfen Polemik
gegen die PDS. Diese habe im Wahlkampf ähnliche Parolen wie die DVU benutzt.
Es gebe in der PDS immer noch Gruppen wie die Kommunistische Plattform, die
die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnten. Für die SPD ergriff
daraufhin der Abgeordnete Werner Siegwart-Schippel aufgebracht das Wort. Er
hätte sich gewünscht, dass die CDU das Thema Rechtsextremismus nicht zur
parteipolitischen Profilierung nutzt, sagte er.
Resolution gegen Extremismus beschlossen
(MOZ)PO
TSDAM Mit den Stimmen von SPD, CDU und PDS beschloss der
brandenburgische Landtag am Mittwoch eine Resolution, die zum Kampf gegen
Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt aufruft. Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) betonte, dass ein extremistisches Weltbild längst
nicht mehr nur unter Jugendlichen verbreitet ist, sondern sich durch alle
Generationen ziehe. Er zitierte ein Umfrage, derzufolge zwölf Prozent der
Brandenburger sich zu rechtsextremen Werten bekennen.
Die Demokratie brauche zwar eine Regierung und eine Opposition mit
unterschiedlichen Meinungen. Aber in gewissen Punkten müsse ein Grundkonsens
zwischen allen demokratischen Kräften möglich sein — etwa beim Kampf gegen
Intoleranz und fremdenfeindliche Gewalt. Dem Beschluss vorausgegangen war
eine kontroverse Debatte, in dem sich vor allem Vertreter der CDU gegen ein
Zusammengehen mit der PDS ausgesprochen hatten, da Teile der Partei die
demokratische Grundordnung ablehnten und keine klare Distanz zur zweiten
deutschen Diktatur hätten.
Zerstritten gegen Rechts
Kontroverse im Landtag über gemeinsamen Antrag
(Tagesspiegel)Potsdam — Die Gemeinsamkeit der Demokraten gegen den wachsenden
Rechtsextremismus wird in Brandenburg weiterhin von Angriffen der CDU auf
die PDS überlagert: So fasste der Landtag zwar am Mittwoch mit den Stimmen
von SPD, CDU und PDS einen Beschluss gegen Fremdenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus — in seiner Rede griff CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek
aber auch die PDS scharf an. Er erinnerte an ihre SED-Vergangenheit und an
die Gleichschaltung und Intoleranz in der DDR, der “zweiten deutschen
Diktatur”. Lunacek zog auch Parallelen zwischen der PDS und der
rechtsradikalen DVU: Die DVU habe im vergangenen Jahr in unsäglicher Art
gegen die Arbeitsmarktreformen Front gemacht, es sei polemisiert und
verunsichert worden. In dieses Boot habe sich bereitwillig auch die PDS
gesetzt.
Der SPD-Abgeordnete Werner-Siegwart Schippel bedauerte, dass Lunacek
ausgerechnet dieses Thema “zur parteipolitischen Profilierung” nutze. Er
erinnerte CDU-Landeschef Jörg Schönbohm daran, dass dieser als Auflöser der
Nationalen Volksarmee auch Vorbehalte gegen frühere SED-Offiziere
zurückgestellt habe. Ein ähnliches Herangehen wäre auch diesmal zu wünschen
gewesen.
Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) mahnte, in der Entwicklung des Landes
gebe es Felder, “in denen die Gemeinsamkeit aller Demokraten über alle
Unterschiede hinweg” erforderlich sei. “Der Kampf gegen Rechtsextremismus
gehört dazu.” 12 Prozent der Brandenburger würden sich zum Rechtsextremismus
bekennen, sagte Platzeck, “das muss ein Alarmsignal für alle sein”.
Um die Resolution hatte es schon im Vorfeld Differenzen gegeben: Die CDU
lehnte es strikt ab, dass die Erklärung gemeinsam von SPD, CDU und PDS
eingebracht wird. Als Kompromiss brachte nun Landtagspräsident Gunter
Fritsch (SPD) den Antrag ein. Darin heißt es, der Aufruf zur Bekämpfung des
Rechtsextremismus richte sich an alle öffentlichen Verwaltungen und
“natürlich jeden einzelnen Bürger”. Der Landtag erklärt den Opfern
rechtsextremer Gewalt seine ausdrückliche Anteilnahme und begrüßt “alle
repressiven und präventiven Aktivitäten von Polizei, Justiz und
Verfassungsschutz”.
Die DVU, deren Wiedereinzug ins Parlament ein Auslöser der Resolution war,
wurde darin allerdings nicht mehr erwähnt. Als Parlamentspräsident sei er
“zur Neutralität” verpflichtet, begründete Fritsch dies. Die DVU enthielt
sich bei der Abstimmung. Und freute sich über das Hickhack: “Eine bessere
Werbung für die DVU hat es selten gegeben”, sagte ihre Fraktionschefin Liane
Hesselbarth.