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Beeindruckende Gewissensprüfung”

Bad Freien­walde (MOZ) In der Kurstadt ist gestern ein eben­so bemerkenswertes wie erfol­gre­ich­es Pro­jekt been­det wor­den. Seit Fre­itag, 14. Jan­u­ar, hat­ten sich Kinobe­such­er aus der gesamten Region mit dem Schlön­dorff-Film, “Der Neunte Tag” beschäftigt. Nach der Vor­führung hat­ten sich Film­schaf­fende wie Eber­hard Görn­er und Andreas Pflüger als Drehbuchau­toren, Pro­duzent Jür­gen Haase sowie Her­stel­lungsleit­er Wolf­gang Plehn den Fra­gen der Besuch­er gestellt. 

Junge und Alte, Berlin­er und Oder­brüch­er, Arbeit­er und Akademik­er, Pfar­rer und kirch­liche Laien: Das Spek­trum der Kinobe­such­er, die sich nach der Vorstel­lung noch im Kinocafé mit dem Film­schaf­fend­en um Eber­hard Görn­er trafen, war groß. Eben­so groß war auch die The­men­vielfalt, die vom Film angeregt und disku­tiert wurde. Sie reicht­en von the­ol­o­gis­chen Fra­gen über moralis­che bis hin zu aktuellen poli­tis­chen wie der Stel­lung zum Irakkrieg der USA

Die Hand­lung: Ein 1942 im KZ Dachau einges­per­rter lux­em­bur­gis­ch­er Priester erhält urplöt­zlich Urlaub. Für neun Tage darf er nach Hause. Neun Tage lang hat er die Chance, sein Leben, das sein­er Fam­i­lie und der eingek­erk­erten Brüder im KZ Dachau zu ret­ten: wenn er der Ver­suchung unter­liegt, mit den Nazis zu kooperieren. Die Drehbuchau­toren über­rascht­en die Gäste mit ihrer Fest­stel­lung, dass sie die eigentliche Hand­lung, das Rin­gen zwis­chen dem aus dem KZ Dachau beurlaubten katholis­chen Priester Jean Bernard und seinem Gegen­spiel­er von der Gestapo größ­ten­teils frei erfun­den haben. Lediglich Andeu­tun­gen habe es in den Aufze­ich­nun­gen des lux­em­bur­gis­chen Abbés dafür gegeben, dass die Nazis ver­sucht haben, ihn dafür zu gewin­nen, als Vertreter ein­er ein­flussre­ichen Fam­i­lie des Lan­des für die Sache der deutschen Besatzer einzutreten. Ger­ade dieser “weiße Fleck”, wie Pflüger es beze­ich­nete, bot den Autoren Raum, den Gewis­senskon­flikt des Priesters wie auch den Kanon der nicht ein­deutig als gut und böse abzustem­pel­nden Stim­mungen und Mei­n­un­gen zu entwer­fen. Sie wer­den u. a. durch Roger, den Brud­er des Abbés, den Bischof­ssekretär und andere Fig­uren inszeniert. 

Ilselore Ammer aus Bad Freien­walde machte deut­lich, worin für sie ein Reiz des Filmes bestand: “Als der Priester seine Gewis­se­nentschei­dung gefällt hat, ver­wan­delt er sich. Er kehrt verän­dert in das KZ zurück. Aufrecht, mit fes­tem Blick, irgend­wie über­legen. Völ­lig anders, irgend­wie befre­it.” Eine Empfind­ung, die die Filmemach­er mit großer Genug­tu­ung zur Ken­nt­nis nah­men. “Das darzustellen ist mir auch per­sön­lich ganz wichtig gewe­sen. Und eben­so auch Ulrich Matthes, dem Haupt­darsteller. Es ist wie eine Heimkehr”, erk­lärte Andreas Pflüger. Denn ein zweites, eng damit ver­bun­denes The­ma sei die große Ein­samkeit gewe­sen, in der der Abbé in sein­er Gewis­sensnot war. Nicht ein­mal der väter­liche Fre­und und Bischof, bril­lant von Hilmar Thate gespielt, kann helfen. Und nie­mand ver­ste­ht auch wirk­lich, was der Abbé im KZ erlebt hat. “In ein­er Drehbuch­fas­sung stand die Frage des Bischof­ssekretärs, ob er denn im KZ auch eine Nacht­tis­chlampe gehabt habe, um in der Bibel lesen zu kön­nen.” Als in bes­timmter Hin­sicht mutig beze­ich­nete Heinz-Dieter David aus Altran­ft den Satz des Abbés: “Da wo ich herkomme, gibt es keinen Gott.” Pro­duzent Jür­gen Haase bestätigte denn auch, dass ger­ade dies unter katholis­chen Zuschauern, so im Kloster Wald­sassen, für Diskus­sio­nen gesorgt habe. Der Film wirkt ohne­hin unter­schiedlich auf Zuschauer mit ver­schiede­nen Biografien: “So einen Film zu diesem The­ma habe ich noch niemals gese­hen”, bekan­nte eupho­risch eine junge Frau, die in Berlin eine Schaus­piel­er-Agen­tur betreibt. In der DDR Aufgewach­sene wie Bad Freien­waldes Bürg­er­meis­ter Ralf Lehmann fühlten sich hinge­gen an Filme wie “Nackt unter Wölfen” oder “Die Aben­teuer des Wern­er Holt” erin­nert. Ein Ein­druck, den Jür­gen Haase, in dessen Progress-Filmver­leih auch die Defa-Filme laufen, bestärk­te: “Es war nicht vorder­gründig Absicht. Aber die Tra­di­tion ist offen­sichtlich. Der neue Film passt zu uns.” Es gehe um mehr als Geschicht­sa­u­far­beitung, es gehe um moralis­che Werte. Was auch eine Kom­men­tierung der derzeit Kon­junk­tur feiern­den His­to­rien­filme zur Naz­izeit her­aus­forderte. Eber­hard Görn­er dazu: “Es stellt sich für uns so dar, dass es zwei Strö­mungen gibt. Die einen pro­duzieren so etwas wie den ‚Unter­gang” oder ‚Nap­o­la”. Und andere drehen Filme im Sinne der Human­ität wie ‚Der Neunte Tag”.” 

Kino­be­treiberin Ursu­la Segatz lobte das von Eber­hard Görn­er ini­ti­ierte Film­pro­jekt. Vor allem deshalb, weil er den Man­gel beseit­ige, den sie häu­fig bei Schul­filmvor­führun­gen empfinde: “Die Lehrer werten zu sel­ten das Gese­hene aus.” Mit großem Bedauern stellt sie fest, dass es seit­ens der Schulen nahezu keine Reak­tion auf die Empfehlung gegeben habe, den Film mit Schülern anzuschauen und an der Debat­te teilzunehmen. Eber­hard Görn­er zum Film­pro­jekt: “Wir hat­ten span­nende Diskus­sio­nen. Und das Kinocafé hat sich als geeigneter Ver­anstal­tungsraum erwiesen.” Als Autor freue er sich, dass der Film ab Fre­itag auch in den USA läuft. Wie bere­its in einem Dutzend ander­er Län­der weltweit.

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