(MAZ, Fred Hasselmann) BELZIG So langsam wie der vorbereitete Glühwein in dem Kübel am Versorgungsstand
allmählich heiß wurde, füllte sich peu a peu auch der Marktplatz am späten
Sonnabendnachmittag. Waren die Belziger von engagierten Bürgern der Stadt
eigentlich zu einer rockigen Benefiz-Veranstaltung für die Opfer der
Flutkatastrophe aufgefordert worden, hatte das Ereignis angesichts der für
den gestrigen Sonntag angemeldeten Demonstration der “Preußischen
Aktionsfront” eine neue Dimension erhalten.
Plötzlich galt es, nicht nur so viel wie möglich Spenden für die Opfer einer
der verheerendsten Naturkatastrophen in der Menschheitsgeschichte zu
sammeln. Es wurden nun auch Unterschriften des Protestes gegen all jene
Unverbesserlichen gesammelt, die die von Hitler angezettelte und von
Menschenhand und ‑köpfen gesteuerte und zu verantwortende Katastrophe noch
heute verharmlosen. “Nie wieder Faschismus”, war unter anderem auf einem
Transparent zu lesen, das an diesem Tag zur nachdenklichen und bekennenden
Dekoration auf der Bühne und am Bürgerbüro wurde. Spontan hatten
Bürgermeister Peter Kiep (SPD) und Professor Götz Dieckmann, städtischer
Koordinator gegen Gewalt und Rechtsextremismus, reagiert und die Chance
ergriffen, die Belziger zum Protest zu aktivieren. Während im warmen
Bürgerbüro und an kalten Stehtischen auf dem Marktplatz die noch aus dem
Vorjahr stammenden, aber immer noch aktuellen Unterschriftenlisten
auslagen — es kamen weitere zu den bereits rund 500 dazu -, äußerte
Bürgermeister Peter Kiep in seiner Rede Unverständnis darüber, dass die
Justiz Belzigs Straßen immer wieder für den “Auftrieb Rechtsgesinnter” frei
gibt, obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung dies klar ablehne. Kiep
kündigte an, sich an die Spitze des Protestes zu stellen. Für seine Rede
bekam er Beifall und anerkennende Worte. Da das Thema Rechtsextremismus auch
60 Jahre nach der Befreiung von Konzentrationslagern wie Auschwitz und dem
Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch oder wieder aktuell ist, holte
Diskjockey Jürgen Dittberner einen alten Titel der Kölner Gruppe “BAP” aus
der Plattenkiste. Beim Lied “Kristallnacht” lief es so manchem eiskalt den
Rücken herunter. Und das nicht nur wegen der ungemütlichen Temperaturen an
diesem Januartag.
So, als hätten sie die eindeutige Botschaft der Belziger vom Vortag
vernommen und verstanden — das allerdings wäre reines Wunschdenken -, rief
der Anmelder der Demo gestern früh um 7.07 Uhr bei der Polizei an und sagte
die Aktion ab. Angeblich aus Krankheitsgründen, wie es hieß.
“Sowohl Polizei als auch Bundesgrenzschutz haben keine Personen in Belzig
oder auf der Anreise dorthin festgestellt, die an der Demo hätten teilnehmen
wollen”, sagte Polizeisprecher Torsten Ringel. Auch Hans Schulze,
amtierender Leiter der Belziger Wache, bestätigte auf Anfrage der MAZ, dass
nach der Absage auch der Polizeieinsatz gegen Mittag als beendet galt.