Einige von ihnen nahm die Polizei wegen Nazi-Schmierereien fest
Neuruppin — Die Freunde der „Heimattreuen Jugend“ hatten üble Nazisprüche gewählt, als sie mit Farbe das Jerusalemdenkmal in Neuruppin und den jüdischen Gedenkstein in Fehrbellin beschmierten: „Arbeit macht frei“ und „Jedem das Seine“. Diese Sätze prangten über den Eingängen der Konzentrationslager. Außerdem hinterließen die Täter noch SS-Runen an den Gedenkstätten.
Das geschah in einer Nacht im März dieses Jahres. Drei Monate später hatte die Polizei in mühseliger Kleinarbeit zwei Jugendliche und einen Heranwachsenden ermittelt und festgenommen. In den Wohnungen fanden sich nicht nur stapelweise rechtsextremistische Propagandapamphlete, sondern auch Mitgliedsausweise eines Freundeskreises „Heimattreue Jugend“. Die jungen Männer – ein Schüler, ein Lehrling und ein Arbeitsloser – gestanden nicht nur die Straftaten, sondern auch, woher sie die „Mitgliedsausweise“ hatten: „Von Opa L.“, einem in Neuruppin und Umgebung für seine rechten Ansichten bekannten 89-Jährigen, wo sie oft zu Besuch seien.
Daraufhin observierte die Polizei das Haus des 89-Jährigen in Neuruppin und war dann doch überrascht. Bis zu 70 Kinder und Jugendliche gingen dort täglich ein und aus. Die Polizei beantragte bei Gericht einen Durchsuchungsbeschluss. Als die Beamten am Freitagabend das Haus von Wilhelm L. durchsuchten, stießen sie dort auf vier 13-jährige Kinder und zwei 14 und 15 Jahre alte Jugendliche. Die Jungen sind bislang nicht mit rechten Straftaten bekannt geworden, sagt die Polizei – und der Aufenthalt bei einem Weltkriegsveteranen ist nicht verboten.
Für die Polizei blieb nur der Appell an „alle Neuruppiner Eltern, sich kritisch mit der Freizeitgestaltung ihrer Kinder auseinander zu setzen“. Die bei dem Rentner angetroffenen Minderjährigen wurden von der Polizei zu ihren Eltern gebracht, in deren Beisein befragt und die Kinderzimmer durchsucht. Hinweise auf Straftaten wurden nicht gefunden. Bei Wilhelm L. „sind Kinder und Jugendliche in ihrer Geisteshaltung durch rechtes Gedankengut gefährdet“, sagte ein Beamter.
In Neuruppin ist das Problem seit langem bekannt. Die Geisteshaltung und das krude rechte Gedankengut des Rentners lassen sich auf seiner Homepage nachlesen, die im Internet bei einem ausländischen Provider allerdings recht gut versteckt ist. „Unsere Jugend will geführt und gefordert werden und braucht Vorbilder und Ideale. Die Jugend ist das wertvollste Gut eines Volkes“, heißt es dort. Garniert wird das mit einem Farbfoto, auf dem Opa L. inmitten von sechs kahlgeschorenen Jugendlichen posiert. Auf dieser Internetseite ist auch ein offener Brief „für den Freundeskreis ‚Heimattreue Jugend’“ nachzulesen, die an anderer Stelle auch „Volkstreue Jugend“ genannt wird (Kasten ). Ob L. die Mitgliedsausweise der „Heimattreuen Jugend“ ausgestellt hat, konnte die Polizei gestern noch nicht sagen. Die Akten seien noch nicht ausgewertet. L. selbst war gestern nicht zu erreichen. Klar ist, dass die Schmierereien am Gedenkstein des Jüdischen Friedhofs in Fehrbellin und am Jerusalemhain in Neuruppin im März diesen Jahres keine Einzelfälle waren. Nach der Festnahme Anfang Juni hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass einer der mutmaßlichen Täter gestanden habe, bereits im Oktober 2003 den Gedenkstein in Fehrbellin beschmiert zu haben. Die Polizei wirft dem Trio und zwei weiteren Männern zudem vor, einen Schüler aus der linken Szene geschlagen, getreten und mit antisemitischen Parolen beschimpft zu haben.
RECHTE SZENE IN NEURUPPIN
Der 89-jährige Wilhelm L. ist nach Angaben der Neuruppiner Antifa nach der Wende aus Nordrhein-Westfalen in das brandenburgische Städtchen gekommen, zuvor hatte L. Kontakte zur NPD. Von sich selbst soll L. behaupten, dass er im Zweiten Weltkrieg HJ-Führer gewesen sei und noch heute an einer Kriegsverletzung zu leiden habe.
Der „Volkstreuen Jugend“ ist die Seite im Internet gewidmet. Dort gibt L. seinen Jugendlichen unter anderem die „10 Gebote“ mit auf den Weg, die zur Nazizeit im Soldbuch eines jeden Soldaten standen.
„Bereits vor 1933 war ich in der Jugendbewegung tätig und auch jetzt im Alter fühle ich mich der Jugend verbunden“, wirbt Wilhelm L. dort für sich.
Rechte und linke Szene in Neuruppin geraten immer wieder aneinander, auch mit Gewalt. Nachdem im Jahr 2000 ein „rechter“ Jugendclub von der Stadtverwaltung geschlossen worden war, trifft sich die Szene in der Wohnung des Rentners. Gegen die Bunker-Schließung wurde später demonstriert – unter Leitung eines NPD-Funktionärs.