(MAZ, 01.07., Frank Schauka) BRANDENBURG/H.Der Polizei ist in der Nacht zu gestern in Brandenburg/Havel
nicht nur ein großer Schlag gegen den illegalen Rauschgiftschmuggel und ‑handel gelungen. Bei einem der drei inzwischen inhaftierten Verdächtigen wurden nach Informationen der MAZ zudem Unterlagen entdeckt,
die nach Ansicht von Experten den Verdacht erwecken, die
Oberbürgermeisterwahl in Brandenburg/Havel am 16. November 2003 könnte manipuliert worden sein. Zumindest der Versuch einer Manipulation, hieß es, sei nicht auszuschließen.
In einem Karton, der sich im Besitz eines der mutmaßlichen Drogendealer befand, entdeckten die Fahnder 1500 noch nicht ausgefüllte Wahlzettel für die Stichwahl zwischen den damaligen Spitzenkandidaten Dietlind Tiemann
(CDU) und Norbert Langerwisch (SPD). Bei diesem “Wunder von Brandenburg”, wie CDU-Landeschef Jörg Schönbohm den fulminanten Wahlsieg der Union in der ehemaligen SPD-Hochburg nannte, erhielt die Bauunternehmerin Dietlind
Tiemann 15 642 Stimmen und wurde mit 56,18 Prozent Oberbürgermeisterin der früheren Stahlarbeiterstadt. Konkurrent Langerwisch, zuvor jahrelang Leiter
des Polizeischutzbereichs Brandenburg, erhielt 12 203 Wählerstimmen. Im ersten Wahlgang drei Wochen vor der Stichwahl hatte Tiemann die absolute Mehrheit knapp verfehlt. Gegen ihre damals noch fünf Mitbewerber errang sie
48 Prozent der Stimmen.
Unklar ist nach Recherchen der MAZ bisher, zu wessen Gunsten die Blanko-Wahlzettel die Stichwahl beeinflussen sollten. Wie die mögliche Manipulation technisch ablaufen sollte, ist ebenso fraglich.
In Verbindung mit den Blanko-Wahlzetteln wird ein 41-jähriger Geschäftsmann aus der Nähe von Brandenburg/Havel gebracht, dem seit Jahren Kontakte in das
Rotlichtmilieu nachgesagt werden und der zudem in der Baubranche tätig sein soll.
Vor Jahren wurde der Unternehmer, der dem Vernehmen nach mit protzigen Wagen für Aufsehen in der Brandenburger Innenstadt sorgt, Mitglied des CDU-Kreisverbandes Brandenburg an der Havel. Nach Informationen aus der Union hatte der heutige CDU-Stadtverordnetenvorsitzende Friedrich von Kekulé
den Unternehmer damals in die CDU eingeführt. Allerdings, so heißt es aus Unionskreisen weiter, habe Kekulé sehr rasch seinen Fehler erkannt und danach versucht, den Mann — der im übrigen damals als Vertrauter von CDU-Kreischef Hartmut Unruh galt — zum Austritt aus der Union zu bewegen.
1999 war der Unternehmer jedenfalls noch in der CDU. Damals unterstützte er aktiv den Landtagswahlkampf der Union, erinnert man sich in der CDU.
Später allerdings verließ der mutmaßliche Dealer — wohl im Zorn — den CDU Kreisverband Brandenburg/Havel und wechselte in den Nachbarkreisverband Potsdam-Mittelmark. Weil er seine Mitgliedsbeiträge nicht entrichtete, soll
er dort vor drei Jahren ausgeschlossen worden sein.
Nach Einschätzung der CDU hat der Unternehmer dann eine politische Kehrtwendung vollzogen. Vor der OB-Wahl in Brandenburg soll er regelmäßig bei SPD-Veranstaltungen gesehen worden sein und einmal auch SPD-Unterstützer
beim Verteilen von Rosen angeleitet haben. “Es eröffnet sich der Verdacht, dass hier mit unlauteren Mitteln gearbeitet wurde, es ist Aufklärung notwendig”, so CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek.
Brandenburgs SPD-Kreisvorsitzender Langerwisch betonte indes, der Mann sei “definitiv nicht Mitglied der SPD”.
Bei der Drogenrazzia wurden mehrere Kilogramm Rauschgift, mehrere Tausend Euro, Patronen und eine Kokainpresse beschlagnahmt.