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Bekannter Neonazi für Übergriff in Potsdam (Brandenburg) verurteilt

(Mut gegen Rechte Gewalt, Simone Rafael) Sieben Jahre Haft forderte der Staat­san­walt vor dem Landgericht Pots­dam für
den 27-jähri­gen Recht­sex­tremen Heiko G., der den 17-jähri­gen XXX ver­prügelt und dann auf die Bah­n­gleise gewor­fen hat­te. Der vor­sitzende Richter machte zum Schluss “nur” 6 Jahre daraus. 

Der Richter rech­nete dem Täter, der wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und räu­berisch­er Erpres­sung vor Gericht stand, ein Teilgeständ­nis und eine Entschuldigung an, auch wenn diese mehr ans Gericht als an das Opfer gerichtet schien. Außer­dem war Heiko G. eine Mord­ab­sicht nicht nachzuweisen. 

Die Tat

Am 23. März 2003 wartet der heute 17-jähriger Auszu­bilden­der XXX am Bahn­hof Rehbrücke in Pots­dam auf den Zug. Als er die drei jun­gen Män­ner in ihren Out­fits sieht, die sie als Ange­hörige der recht­sex­tremen Szene ausweisen, ist es schon zu spät zum Fliehen. Die rechtsextremen
Schläger sind schon bei ihm und brüllen ihn an “Zecke, ver­piss Dich!” 

Unheil­voll klingt die fol­gende Ankündi­gung “So fühlt es sich an, wenn
man unter­legen ist.” Mit einem Teleskop­schlag­stock schla­gen die
Recht­sex­tremen auf Beine und Kopf des Jugendlichen ein. Ein­er drückt
eine Zigarette auf dem Gesicht von XXX aus und ver­suchte, “Geld, Handy, Zigaret­ten” vom Opfer zu erpressen. Außer­dem forderten die drei Män­ner eine Frau, die sie begleit­ete, auf, eben­falls zuzutreten. In der
jun­gen Frau erken­nt der 17-Jährige seine ehe­ma­lige Mitschü­lerin Jeanette
H.? Er spricht sie namentlich an und bit­tet sie um Hil­fe. Sie dreht
sich weg. 

Daraufhin hiel­ten die Peiniger kurz inne. Doch schließlich wirft
Haupt­täter Heiko G. das ver­let­zte Opfer auf die Gleise. Mit einem
dop­pel­ten Nasen­bein­bruch, Rip­pen­prel­lun­gen und Gehirn­er­schüt­terung liegt
das Opfer blu­tend auf den Schienen. Es ist reines Glück, dass der Zug
Ver­spä­tung hat. Statt um 2 Uhr 24 erre­icht er um 2 Uhr 58 den Bahnhof.
Son­st wäre der 17-Jährige nicht mehr rechtzeit­ig von den Gleisen
heruntergekommen. 

Das Ver­fahren

Am 19. Feb­ru­ar startet das Ver­fahren gegen Haupt­täter Heiko G. vor dem
Pots­damer Landgericht. Der 27-jährige G. trägt Glatze und Tat­toos bis
zum Schädel. Auf seine Hand sind SS-Runen tätowiert — was ihm ein
weit­eres Ver­fahren wegen Ver­wen­dung von Kennze­ichen verfassungswidriger
Organ­i­sa­tio­nen ein­brin­gen wird. G. ist ein­schlägig vorbe­straft, u.a.
wegen schw­er­er Brand­s­tiftung, Ver­stoß gegen das Waffengesetz,
gefährliche Körperverletzung. 

Die Anklage dies­mal lautet auch gefährliche Kör­per­ver­let­zung, dazu noch
schwere räu­berische Erpres­sung. Am ersten Prozesstag hat der Angeklagte
die Tat zunächst abgestrit­ten. Nach­dem jedoch das Opfer und weitere
Beteiligte der Tat ihre Zeu­ge­naus­sagen gemacht hat­ten, entschloss sich
Heiko G. zu einem Teilgeständ­nis. Er ges­tand, den alternativen
Jugendlichen geschla­gen zu haben. Sein Motiv: Hass auf Linke. Am letzten
Prozesstag ges­tand er auch die Erpres­sung ein. 

Das Urteil

Verurteilt wurde G. let­z­tendlich zu sechs Jahren Haft wegen gefährlicher
Kör­per­ver­let­zung und schw­er­er räu­berisch­er Erpres­sung. Ein Mordversuch
ließ sich nicht nach­weisen. In der Urteils­be­grün­dung sprach der Richter
von ein­er klar erkennbaren poli­tis­chen Überzeu­gung des Angeklagten und
erk­lärte, dass dieser klar zur recht­sex­tremen Szene gehöre. Doch die Tat
sei das Werk eines “dumpfen recht­sex­tremen Schlägers”, darin sei kein
faschis­toides Gedankengut zu erkennen. 

Genau diese Unter­schei­dung ärg­ert Clau­dia Luzar vom Verein
Opfer­per­spek­tive: “Das war eben keine Einzeltat eines dumpfen Schlägers.
Die organ­isierte Neon­aziszene der Region war stark unter den Zuschauern
im Gerichtssaal vertreten. Kam­er­aden schrieben Heiko G. aufmunternde
Briefe ins Gefäng­nis. Offen­sichtlich ist er kein dumpfer Schläger,
son­dern ein Teil der ide­ol­o­gis­chen, organ­isierten Szene.” Anson­sten ist
die Exper­tin von der bran­den­bur­gis­chen Opfer­ber­atungsstelle, die den
17-jähri­gen XXX betreute, mit dem Urteil zufrieden: “Zwar hat der
Täter schon ein­mal 6 Jahre Jugend­strafe abge­sessen, so dass ich wenig
Hoff­nung habe, dass seine Ein­stel­lung sich dort ändert. Aber das recht
hohe Straf­maß ist angemessen und er wird es kom­plett absitzen müssen.
Auch das Opfer ist mit dem Urteil zufrieden.” 

Die alter­na­tive Szene

Einen pos­i­tiv­en Effekt, so meint Luzar, dürfte der Prozess und sein
Aus­gang auch auf die nicht-rechte Jugend­szene in Pots­dam haben. Im
ver­gan­genen Jahr gab es 15 recht­sex­trem motivierte Angriffe auf
alter­na­tive Jugendliche in Pots­dam. “Bish­er wur­den die nicht-rechten
Jugendlichen als Opfer­gruppe nicht wahrgenom­men”, berichtet sie, “und
die Jugendlichen hat­ten den Ein­druck, selb­st mit dem Über­griff klar
kom­men zu müssen.” Während des Prozess­es hät­ten die nicht-rechten
Jugendlichen viel Sol­i­dar­ität erfahren. Außer­dem hät­ten verschiedene
Grup­pen gut zusam­men gear­beit­et, wenn es etwa darum ging, vor den
recht­sex­tremen Sym­pa­thisan­ten die Sitz­plätze im Gerichtssaal zu besetzen. 

Die recht­sex­treme Szene

Welche Wirkung der Prozess auf die recht­sex­treme Szene der
bran­den­bur­gis­chen Haupt­stadt haben wird, bleibt abzuwarten. Derzeit
betreibt die organ­isierte Szene mas­sive Anti-Antifa-Aktiv­itäten, sammelt
also Dat­en von Men­schen, die sich gegen Recht­sex­trem­is­mus aussprechen.
Auch vor und im Gericht wurde viel fotografiert. 

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