BELZIG — Belaid Baylal war ein lebendiger, kraftvoller Mensch, couragiert, voller Ideale und kaum zu brechen. Dennoch wurde er zerbrochen. Ausgerechnet dort, wo er sich sicher wähnte, geschützt vor Folter und Verfolgung, Verurteilung oder gar Tötung. Sein Berliner Anwalt Martin Robert las anlässlich eines von der Belziger Jugend-Antifa-Gruppe organisierten Forums im Jugendfreizeitzentrum Pogo aus autobiografischen Aufzeichnungen, die ihm sein Mandant für sein Asylrechtsverfahren zur Verfügung gestellt hatte.
Der marokkanische Gewerkschafter, Mitglied der Partei für Fortschritt und Sozialismus, hatte in den 80er-Jahren in seiner nordafrikanischen Heimat für die Einheit von Arbeitern und Bauern, gegen feudale Arbeitsverhältnisse und die korrupte Verwaltung gekämpft, hatte Streiks organisiert und war dafür mehrfach in Haft genommen und gefoltert worden. Schließlich gelang ihm eine mehrjährige Flucht über Algerien und Libyen.
Als blinder Passagier kommt er 1991 nach Deutschland und wird ins Belziger Asylbewerberheim eingewiesen. In einer Belziger Gaststätte, in der er abends mit einem Freund ein Bier trinken will, ereilt ihn sein Schicksal. Rechte Jugendliche schlagen und treten auf ihn ein, Baylal trägt schwere Darmverletzungen davon, deren Verwachsungen mehrfach Darmverschlüsse auslösen und Notoperationen erfordern. Im November 2000 kommt nach einem erneuten Darmverschluss jede ärztliche Hilfe zu spät (MAZ berichtete).
Die beiden Täter waren nach dem Übergriff zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe bzw. zu Arbeitsstunden und einer Geldbuße verurteilt worden. “Das war Anfang der 90er, als rechte Jugendliche als verwirrte und perspektivlose Einzeltäter galten”, sagt die Berliner Journalistin Heike Kleffner, die den Tod Belaid Baylals im Rahmen einer Dokumentation über Opfer rassistisch motivierter Übergriffe recherchierte und das Pogo-Forum am Donnerstagabend moderierte.
Darin ging es vor allem um den Stein, dessen Errichtung heute Abend auch Gegenstand einer Debatte im Belziger Hauptaussschuss sein wird. Enttäuscht darüber, dass die im “Fläming-Echo” abgedruckte Geschichte Belaid Baylals ohne Nachhall geblieben war, hatte die Jugend-Antifa-Gruppe im April die Aufstellung eines Gedenksteins angeregt. Er soll neben dem vorhandenen Stein an der Post stehen und nicht nur mahnende Erinnerung sein.
Als “Stein des Anstoßes” soll er auch neue Auseinandersetzungen über die alltägliche, bürgerliche Form des Rassismus ermöglichen, die beispielsweise der ebenfalls im Podium vertretene Kameruner Jean-Marce Banoho in bösen Blicken und Bemerkungen auf der Straße erfährt oder deretwegen er sich wie viele Andersfarbige nachts nicht allein auf die Straße traut. “Aber wie soll man in der Belziger Bevölkerung Interesse für einen Toten wecken, wenn es nicht einmal eine Brücke zu den lebenden 200 Asylbewerbern in der Stadt gibt”, fragte ein Zuhörer. Niemand der Anwesenden hatte Belaid Baylal persönlich gekannt, obwohl er fast ein Jahrzehnt in Belzig lebte. Mit dem Stein und der damit verbundenen Lebensgeschichte, so sagt sein Anwalt, könnte Baylal eine späte Menschwerdung erfahren.
Und auch die Stadt selbst habe den Stein nötig, so die einhellige Meinung im Auditorium. Als Eingeständnis und Signal der Nichtduldung jedweden Rassismus. Denn, so ging aus etlichen Schilderungen der Diskussionsteilnehmer hervor, es bahnen sich neue Spannungen in Belzig an. So wurde von Ausfällen gegen Spätaussiedler im Klinkengrund und über neue Treffpunkte rechter Jugendlicher in der Altstadt berichtet. Martin Kunze aus der Stadtverwaltung notierte sich die laut gewordenen Vorwürfe wegen städtischer Untätigkeit und Sprachlosigkeit. Er war es, der 1997 das Belziger Forum gegen Rechtsextremismus und Gewalt initiiert hatte. Es sehe ganz so aus, so der Beigeordnete, als ob es einer neuen Runde bedarf.
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