Aufgrund der in den letzten Wochen recht tendenziös Berichterstattung der Presse und von Seiten der Polizei frei erfundenen Aussagen bezüglich der Demonstration am 28.12.2011 haben wir verschiedene Teilnehmer_innen und Beobachter_innen nach ihren Erlebnissen befragt. Dabei stellte sich ein völlig anderes Bild der Situation vor Ort da.
Zitate von Betroffenen und Polizist_innen
Zitat Polizist (ca 1,80 m, blonde kurze Haare, breites Gesicht) am Kessel Richtung Breite Straße während der ED-Maßnahme: „Wir müssten die mal alle richtig zusammenhauen, dann ist hier Schluss mit dem Samthandschuh.“
Demonstrant Mario S.*:
„Ich wurde in der Dortustraße von einem Beamten (ca. 1,70 m groß, kurze schwarze Haare, braungebrannt, dunkelgrüne/schwarze Uniform) in den Kessel geschubst. Ich beobachtete vorher die Demo und lief dabei vor einem Polizeiauto. Plötzlich hupte das Auto und der Beamte schrie mich an und schubste mich in die Demo, diese wurde gleich danach gekesselt.“
Mehrere Menschen am Rande des Kessels berichteten, dass sie trotz großer Entfernung von Polizeieinheiten weggeschickt wurden. Sie wollten lediglich die Maßnahmen beobachten. Trotz mehrfacher Nachfragen wurden weder Dienstnummer, noch Namen, noch der Name des Einsatzleiters genannt.
Menschen, die die Versammlung bevor diese gekesselt wurde verlassen wollten, wurden durch Polizeibeamte wieder in die Demo zurückgestoßen.
Mehrere Teilnehmer_innen beobachteten, wie eine Person, die auf der Brandenburger Straße ohne Gegenwehr festgenommen wurde von mehreren Beamten zusammengeschlagen wurde. Anwesende, die den Betroffenen nach seinem Namen fragten wurden weggeschubst und bedrängt.
Zitat Polizist: „Rück mir nicht auf die Pelle, ich bin doch nicht schwul!“
Aufgrund seiner vermuteten Minderjährigkeit wurde ein Beobachter des Kessels kurzzeitig von Beamten der 24 Einsatzhundertschaft festgenommen. Er hatte vor den Beamten stehend geraucht. Dem Festgenommenen wurde der Tabak entleert.
Dana D.* berichtet: Mir wurde bei der Feststellung der Personalien und der ED-Maßnahme von einem männlichen Polizeibeamten an die Brust gegrabscht. Als ich ihn fragte, was das solle, antwortete er: „Ich kann ja nicht wissen das sie eine Frau sind.“ Als ich daraufhin seine Dienstnummer oder seinem Namen erfahren wollte, sagte er: „die habe ich heute nicht“. Außerdem vermummte er sich mit einer Sturmhaube, so das auch ein fotografieren des Beamten nicht möglich war“
Annette C.* sagte aus: „Als die Beamten meine Personalien aufnahmen, wurde ich von mehreren Beamten mit dem Worten. „Komm doch rein, hier ist noch ein Platz frei“ aus einem Polizeiauto aufgefordert in dieses einzusteigen. Ich empfand dies als verbalen sexistischen Übergriff.“
Bei einer anderen Festnahme wurde beobachtet, wie dem Festgenommenen, der sich nicht wehrte über längere Zeit ein Finger ins Auge gedrückt wurde und durch körperliche Gewalt unterbunden wurde seinen Namen umstehenden Menschen mitzuteilen.
Rolf P.* berichtete: „Die Beamten, die mich aus dem Kessel trugen, versuchten mehrfach mich fallen zu lassen, um mich zu verletzten. Glücklichweise könnte ich dies verhindern.“
Anja R.* sagte aus: „ Als wir von der Berliner Einsatzhundertschaft abgedrängt wurden, verlangte ich von den Beamten die Dienstnummer oder Namen zu erfahren. Dies wurde verweigert, mit der Aussage, dass dies während des laufenden Einsatzes nicht möglich sei. Als wir dann zum Stehen kamen, verlas ein Mitdemonstrant das Brandenburger Polizeigesetz, wonach die Beamten die Pflicht hätten sich auszuweisen. Dem kamen sie
trotz alledem nicht nach. Ein Polizist sagte: „Ich repräsentiere den Staat. Ich muss gar nichts“. Ein beteiligter Beamter aus Berlin hieß wahrscheinlich mit Vornamen Marco, zumindest wurde er von seinen Kollegen so gerufen.
Holger R.*, der vor Ort in Sichtweite des Kessels eine Kundgebung gegen Polizeigewalt anmelden wollte: „Mir wurden wieder die wiedersinnigsten Auflagen erteilt, Ordern_innen
mit Namen anzugeben, obwohl ich nicht einmal wusste wie viele Menschen sich an dieser Kundgebung beteiligen wollten. Dann wurde von der Polizei ausgefragt, ob ich schon Erfahrung mit der Anmeldung von Versammlungen hätte, ich denke nicht, dass dies eine Vorraussetzung für eine Anmeldung ist. Ich zog schließlich einen Anwalt hinzu. Dann musste ich mit dem mir vorgestellten Einsatzleiter Neuendorf telefonisch sprechen.
Dieser teilte mit, dass ich ein anderes Motto wählen müsste, das globaler sei. Schließlich sei das Vorgehen vor Ort keine Polizeigewalt. Als ich meinte, dass ich das anders sehe, wurde mir aufgrund des Mottos eine Anmeldung zuerst untersagt und dann, als ich dies dem Anwalt so mitteilte auch ein Verbot ausgesprochen.“
Einige Demonstrant_innen und Beobachter_innen wunderten sich im Nachhinein auch über den Vorwurf der Sachbeschädigung: „Wir haben keine Gegenstände kaputt gehen sehen, lediglich, dass ein Polizeifahrzeug eine Mülltonne umgefahren hat, ist uns aufgefallen.“
Zitat Polizist: „Geh weg oder ich box dich um.“
Rudi D*.: „Als ich die Situation außerhalb des Kessels beobachtete, wurde ich von einem Polizisten am Kragen gepackt und weggestoßen.“
Martin T.*: Ich beobachtete wie der Stadtverordnete Lutz Boede immer wieder versuchte vermittelnd in die Situation einzugreifen. In den Situationen, die ich beobachtete, gaben alle Beamt_innen keine Auskünfte bezüglich Namen oder Dienstnummer gegenüber Herr Boede.“
Nachdem einige Demonstrant_innen skandierten: „Eure Kinder werden so wie wir!“ antwortete ein eingesetzter Beamter: „Meine Kinder haben gutes Genmaterial und müssen nicht so rumlaufen.“
Einige Demonstrant_innen aus dem Kessel hörten, wie Polizeibeamte äußerten, dass die Maßnahme keine rechtliche Grundlage habe und dass man die Gruppe lieber nach den ersten Schritten zersetzen hätte müssen.
*Alle Namen der Zeug_innen wurden zum Schutz vor Repression geändert. Alle Zeug_innen werden keine Anzeigen gegen die betreffenden Polizeibeamt_innen stellen, da sie zum einen aufgrund fehlender Kennzeichnung nicht identifizierbar sind, sich zum anderen nicht auswiesen und vor allem zu befürchten ist, dass sich die Polizeibeamt_innen durch den in ihrer Organisation innewohnenden Korpsgeist gegenseitig schützen. Außerdem ist schon in der Presseöffentlichkeit kurz nach der Demo klar geworden, dass das Wort eines Polizisten mehr zählt, als das eines/einer von Repression Betroffenen.
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