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Law & Order

Bericht über Widerstand und Organisierung im Knast

Der fol­gende Bericht von Chris­tine Schwenke zeigt auf, welche Mit­tel u.a. von Knästen genutzt wer­den, um wider­ständi­ge Gefan­gene zu unter­drück­en und eine Organ­isierung von Gefan­genen zu verhindern.

Chris­tine, Gefan­gene der JVA Luck­au-Duben, ver­sucht sich auf mehrere Art und Weisen gegen die Ver­hält­nisse im Knast zu wehren. So stellte sie zum Beispiel seit Mai 2015 3700 Anträge an den Knast (das sind kleine Zettel, welche von Gefan­genen aus­ge­füllt wer­den und dann durch ver­schiedene bürokratis­che Abteilun­gen im Knast wan­dern), welche kri­tis­che Fra­gen und Antworten zum Knast(alltag) bein­hal­ten. Ein immer wieder aufk­om­mendes The­ma ist dabei die Inter­essen­vertre­tung von Gefan­genen, d.h. eine Gemein­schaft von Gefan­genen, welche sich ange­blich für die Inter­essen aller ein­set­zt. Wichtig anzumerken: Inter­essen­vertre­tun­gen wer­den, wenn sie sich in Knästen über­haupt etablieren, von den Knästen abso­lut überwacht und kon­trol­liert. Sie gehören zum Knast­sys­tem und sind nicht unab­hängig davon zu betra­cht­en (§ 113 BbgJVol­lzG).

Dazu merk­te Chris­tine in ihren Anträ­gen z.B. an:

Warum find­et seit 4 Jahren keine Inter­essen­vertreter­wahl statt? Warum wird eine Inter­essen­vertreterin durch die JVA Luck­au-Duben einge­set­zt, die kein­er ken­nt? Wed­er Aushänge noch Sprechzeit­en wer­den ange­boten. Inter­essen der Gefan­genen wer­den somit bewusst und ganz gezielt unterbunden!“

Der Knast ließt solche Fra­gen und Antworten natür­lich nicht gerne. Knastver­hält­nisse zu hin­ter­fra­gen bedeutet auch das Sys­tem zu hin­ter­fra­gen, welch­es ihn her­vor­bringt: den Staat. Deswe­gen ist es Staatsknecht­en ein drin­gen­des Anliegen, jegliche kri­tis­che Stimme zum schweigen zu brin­gen, selb­st, wenn es nur um Anträge geht, die lediglich intern im Knast herum­fliegen und die Anstalt­store nicht ver­lassen. Dafür hal­ten sich Staatsknechte ver­schiedene Repres­salien bereit.

So wurde Chris­tine am 21.März 2019 beispiel­sweise mit ein­er Zellen-Razz­ia kon­fron­tiert, es fol­gte ein seit August 2018 gel­tendes „Notiz-Zettel-Ver­bot“ bei Besuch­ster­mi­nen. Weit­er ging es mir der Nicht­genehmi­gung ein­er Schreib­mas­chine, zusät­zlich muss Chris­tine 7,5 Monate auf einen Besuch bei ihrem Sohn im Knast Tegel warten. Ein möglich­er Drei­monat­srhyth­mus wird eben­so abgelehnt, wie ein direk­ter Tele­fonkon­takt zu ihrem Sohn. Außer­dem wird Chris­tine bei der Vor­bere­itung ihres Wieder­auf­nah­mev­er­fahrens behin­dert, indem ihr das Lesen der Ver­fahren­sak­ten und Geset­zes­texte ver­boten wird: „Seit 4 Jahren wird das Lesen der Ver­fahren­sak­ten nicht genehmigt. Während der U‑Haft in der JVA Luck­au-Duben war es am PC möglich, da alle 80 Akten dig­i­tal­isiert sind. Seit dem 28. Feb­ru­ar 2019 ist mir das Lesen der für Gefan­gene angeschafften Geset­zbüch­er eben­so unter­sagt, wie z.B. die Nutzung von Wikipedia im Bil­dungs­bere­ich. In Briefen mit­geschick­te Infos (Geset­ze­sauszüge u.ä.) wer­den mir nicht aus­ge­händigt! Mir wird jegliche Möglichkeit der Infor­ma­tion untersagt!“

Chris­tine ist sich bewusst, dass der Knast sie mit alltäglichen Schika­nen mund­tot machen will. Beu­gen will sie sich dem aber nicht, im Gegen­teil: stetig ver­sucht sie, andere Gefan­gene zu motivieren, sich dem Knast­sys­tem nicht zu fügen, son­dern wider­ständig zu sein. Allein der Ver­such der Organ­isierung wird allerd­ings vom Knast durch mehrere Meth­o­d­en im Keim erstickt:

Ich habe verzweifelt ver­sucht wenig­stens auf der Sta­tion 31 eine Ein­heit zu schaf­fen. Völ­lig zweck­los. In vier Jahren auf Sta­tion 31 (Durch­gangssta­tion) waren hier über 1300 Gefan­gene, bei 15 Haft­plätzen unterge­bracht. Der Durch­lauf ist zu schnell. Es kommt noch hinzu, dass wir untere­inan­der, damit meine ich zwis­chen den vier Sta­tio­nen mit je 16 Plätzen, kaum Kon­takt haben, nur die eine Stunde Freigang.“ Was das für Gefan­gene im All­t­ag bedeutet, erk­lärt sie eben­falls: „Eine Gefan­gene von Sta­tion 21 hat­te Geburt­stag – ein Geschenk muss zur Freis­tunde geschmuggelt wer­den. Ein Stück Geburt­stagskuchen rüberzugeben wird verboten.“

Durch starken Durch­lauf und der Isolierung der Gefan­genen wird eine Organ­isierung dementsprechend kaum ermöglicht. Hinzu kommt, dass die Vol­lzugsabteilungslei­t­erin anderen Gefan­genen dro­ht: wer Kon­takt mit Chris­tine hat, würde Nachteile riskieren.

Mehrfach wurde mir zuge­tra­gen, dass die Vol­lzugsabteilungslei­t­erin S. andere Mit­ge­fan­gene vor mein­er Per­son warnt – der Kon­takt mit mir kön­nte son­st Nachteile bringen.“

Spal­tungsver­suche wie diese zeigen die Angst der Staatsknechte auf: zwar geht es nur im mick­rige Anträge ein­er Gefan­genen, wenn sich deren Inhalte aber erst ein­mal im Knast herum­sprechen wür­den und andere Gefan­gene auch auf die Idee kämen, ähn­liche Fra­gen zu stellen und Antworten zu geben, wäre der Knast mit mehreren kri­tis­chen Gefan­genen kon­fron­tiert. Wenn diese Gefan­genen jet­zt auch noch auf die Idee kom­men wür­den, sich zu ver­bün­deln, gemein­sam Kri­tik zu äußern und sich Gegen­strate­gien ein­fall­en ließen, käme das ein­er Organ­isierung gle­ich, welche für jeden Knast eine Gefahr darstellt. Jed­er Anfang ein­er Organ­isierung, fol­glich einzelne kri­tis­che Gefan­gene, sollen daher, z.B. mit­tels alltäglich­er Schikane, mund­tot gemacht wer­den. Weit­er­hin wer­den die Gefan­genen voneinan­der isoliert. Durch Dro­hun­gen wie in Christines Fall soll Angst geschürt und damit Spal­tung vor­angetrieben werden.

Diese Repres­salien sind nicht nur All­t­ag in der JVA Luck­au-Duben, son­dern gehören zur Logik eines jeden Knastes, eines jeden Staates. So wie herrschafts­freie Per­spek­tiv­en und Organ­isierun­gen dem Staat ein Dorn im Auge sind, so ver­suchen auch Knäste jegliche Kri­tik und Organ­isierung von Gefan­genen zu unter­drück­en. So wie wir uns draußen an vorherrschende Regeln hal­ten sollen und bestraft wer­den, wenn wir bei Mis­sach­tung erwis­cht wur­den, so sollen auch Gefan­gene zu einem angepassten Ver­hal­ten gezwun­gen wer­den. „Angepasst“ bedeutet dabei immer, vorherrschende Regeln und Machtver­hält­nisse nicht zu hin­ter­fra­gen, son­dern sich ihnen stillschweigend zu beu­gen. Wehren sich Gefan­gene gegen die Logik „Herrschende und Beherrschte“, indem sie Machtver­hält­nisse z.B. mit­tels ein­er Organ­isierung ver­schieben wollen, schwingt die Repres­sionskeule noch stärk­er, als eh schon. So auch bei Christine.

Ent­ge­gen dieser Logik ist es deswe­gen umso wichtiger, Chris­tine zu zeigen, dass sie nicht alleine ist. Schreibt ihr, fol­gt den Infos aus dem Knast auf Twit­ter (ger­ade lei­der ges­per­rt) und informiert euch auf ihrer Home­page (geht nicht über Tor zu öff­nen). Lasst euch vieles ein­fall­en, um ihr zu zeigen, dass wir sie nicht vergessen und unsere wider­ständi­gen Herzen bei ihrem sind.

Chris­tine Schwenke
Lehmki­eten­weg 1
15926 Luck­au                         

schwenke52(at)gmx.de

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