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Bernau: Feature zum Hussitenfest 2005

Vom 10. bis 12. Juni 2005 ist es wieder soweit: Dann lassen die Bernauer 700 Jahre Geschichte lebendig wer­den. Hus­siten­fest­spiele heißt das Zauber­wort, das Tausende in die Stadt vor den Toren von Berlin zieht. Drei Tage lang lädt die Hus­siten-Stadt zu ein­er Zeitreise ins Mit­te­lal­ter ein. Zu sehen gibt es viel: Hex­en tanzen, Zick­en­schulze marschiert durch die Stadt, Rit­ter kämpfen, und auch der Henker tritt mit seinem gar schauer­lichen Handw­erk­szeug auf den Plan… Mehr als 400 Akteure lassen im prächti­gen Fes­tumzug die Stadt­geschichte mit vie­len guten, aber auch vie­len bösen Jahren Revue passieren.“ (www.hussitenfest-bernau.de) Soweit die Selb­st­darstel­lung der Organ­isatoren des Bernauer Hus­siten­festes, alljährlich die Attrak­tion der Kle­in­stadt nordöstlich Berlins. Unser Beitrag zum Spek­takel soll sich auf die fol­gen­den, inhaltlichen Ergänzun­gen beschränken. Aus ein­er antifaschis­tis­chen Per­spek­tive her­aus, muss (!) auf­fall­en, dass einige wichtige Infor­ma­tio­nen „vergessen“ wurden.

Dass in Bernau die Hex­en erst im Juni und nicht kon­ven­tionell in der Walpur­gis­nacht tanzen, lässt sich schw­er­lich als Aus­druck von Rück­ständigkeit deuten. Auf­fäl­lig ist da schon eher die Begeis­terung für das Hus­siten­fest in der Stadt und die Vielzahl an Mit­te­lal­ter-Freaks, für die im Grunde nach dem Hus­siten­fest vor dem Hus­siten­fest ist. Da hät­ten wir zum Beispiel die Brig­an­ten, denen wei­land auch der Kopf der lokalen Nazistruk­turen, Roy Grass­mann, ange­hörte und deren großer Auftritt, „Die Schlacht vor Bernau“ am Son­ntagabend stat­tfind­et. Der Psy­cho­an­a­lytik­er würde diesen Man­nen wahrschein­lich eine Fix­ierung in ein­er bes­timmten, frühkindlichen Entwick­lungsphase bescheini­gen, Kostümierung und Schaus­piel als Regres­sion her­ausstellen. Wie auch immer, den Akteuren muss unter­stellt wer­den, sich mit der west­lichen Zivil­i­sa­tion nur unzure­ichend ver­söh­nt zu haben. In diesem Punkt unter­schei­den sie sich nicht von den anwe­senden Neon­azis. Der Henker bekommt näm­lich in jedem Fall Ver­stärkung von recht­en Schläger­ban­den, die eben­falls standes­gemäß das Hus­siten­fest mit „gar schauer­lichen Handw­erk­szeug“ heim­suchen. Im ver­gan­genen Jahr zum Beispiel zogen sie mit Base­ballschlägern durch die Stadt und grif­f­en zwei Mäd­chen vor dem Bistro Cen­tro an, vor zwei Jahren ist ein „etwa 12 Jahre alter Rus­s­land­deutsch­er […] auf dem Bahn­hof von Bernau von zwei Recht­sradikalen attack­iert und zusam­mengeschla­gen wor­den.“ (Berlin­er Mor­gen­post, 17.6.2003). Die Vor­liebe der Neon­azis für das mit­te­lal­ter­liche Spek­takel lässt sich durch dessen volk­stüm­lichen Charak­ter erk­lären. Bierzelt, chau­vin­is­tis­che Pöbeleien und Prügeleien sind Pro­gramm. Außer­dem ist bekan­nt, dass Nazis eine gewisse Affinität zum Mit­te­lal­ter haben, nicht zulet­zt auf­grund ihrem Hass auf die Mod­erne und ihrer Liebe für den bewaffneten Kampf. Die „Zeitreise ins Mit­te­lal­ter“ ist für diese Kam­er­aden Ide­olo­gie und Pro­jek­tions­fläche ihres anti-demokratis­chen Ressentiments.

Kri­tik seit­ens der Besuch­er geht sel­ten über die Bemerkung hin­aus, dass der Kirmes immer mehr Raum auf dem Hus­siten­fest ein­nehme und deshalb der mit­te­lal­ter­lich­er Charak­ter lei­de. Dass dies den wirtschaftlichen Inter­essen der Stadt zugrunde liegt, also dem ökonomis­chen Sachzwang, liegt auf der Hand. Am Woch­enende des Hus­siten­festes machen schließlich einige Bernauer Unternehmen, allen voran die Gas­tronomie, gute Geschäfte. Wed­er Met, noch Kirsch­bier kön­nen jedoch dafür ver­ant­wortlich gemacht wer­den, dass in den let­zten Jahren dem heimis­chen und angereis­ten Feier­volk die bar­barische Kom­po­nente des Festes nicht unan­genehm aufgestoßen ist. Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass die Igno­ranz gegenüber den Men­schen, die weniger Spaß haben, dem Wis­sen nicht zu den Opfern zu gehören ver­schuldet ist. Auf diese Weise entste­ht der Raum für die physis­chen und psy­chis­chen Angriffe, die nicht weniger zum Hus­siten­fest gehören, wie der „prächtige Fes­tumzug“. Die Rathaus-Antifa, das Net­zw­erk für Tol­er­anz und Weltof­fen­heit, scheint auf dem recht­en Auge blind zu sein, wann immer das weltof­fene Image gepusht wer­den kann. Die Vor­fälle zum Hus­siten­fest, aber auch das Grossaufge­bot saufend­er und schla­gen­der Män­ner­hor­den auf der regelmäßig stat­tfind­en­den MOZ-Lokal­tour, erfahren kein­er­lei Beach­tung – auch nicht von den Bernauer Linken, die zum Hus­siten­fest lieber Bier verkaufen. Wenn es um das geliebte Hus­siten­fest geht und damit um das Anse­hen der Stadt, scheint sich die Tol­er­anz von Net­zw­erklern und ihren links­deutschen Büt­teln auf die ver­has­sten Neon­azis auszuweit­en. Da dies der eige­nen Stan­dort­logik wider­spricht, muss damit gerech­net wer­den, dass nach der Lek­türe dieses Textes spätestens näch­stes Jahr eine antifaschis­tis­che Kundge­bung organ­isiert wird und die Bernauer mal wieder ein Zeichen gegen Rechts set­zen. Damit ist aber den Men­schen nicht geholfen, die am Woch­enende mit kör­per­lichen und ver­balen Attack­en rech­nen müssen, son­dern einzig und allein dem Lokalpa­tri­o­tismus ihrer tol­er­an­ten und weltof­fe­nen Freunde.

Autonome Jugen­dan­tifa Bernau [AJAB]

sup­port­ed by: Info­por­tal Bernau* — www.bernau.tk

Pressemit­teilung der Autonomen Jugen­dan­tifa Bernau [AJAB]

Gefahren­zone Hussitenfest

Am kom­menden Woch­enende, vom 10. bis 12. Juni, find­et wie jedes Jahr in Bernau das Hus­siten­fest statt. Wir möcht­en mit unser­er Plakatak­tion darauf hin­weisen, dass „Mack­er, Chau­vin­is­ten, Nazis, Ras­sis­ten und viele andere Arschlöch­er […] in geball­ter Form die Stadt bevölk­ern“ wer­den und vor allem „Frauen, Men­schen migrantis­chen Hin­ter­grunds und Alter­na­tive“ mit psy­chis­chen und physis­chen Angrif­f­en rech­nen müssen. Dazu der Sprech­er der Autonomen Jugen­dan­tifa Bernau [AJAB] Jakob Baruch: „In den ver­gan­genen Jahren kam es zum Beispiel immer wieder zu Über­grif­f­en durch Neon­azis: Vor zwei Jahren schlu­gen Recht­sradikale einen 12 Jahre alten Spä­taussiedler zusam­men, let­ztes Jahr wur­den zwei Mäd­chen tätlich ange­grif­f­en.“ Diese Zustände wer­den vom Gros der Besuch­er des Hus­siten­festes, aber auch von den Organ­isatoren und der Stadt ignori­ert. Zu den Motiv­en der Stadt nochmal Jakob Baruch: „Das Hus­siten­fest ist das wichtig­ste Event um den Stan­dort Bernau aufzuw­erten. Zu diesem Zweck wer­den zu Las­ten der Opfer die alljährlichen Pöbeleien und Prügeleien nicht ein­mal zur Ken­nt­nis genom­men, geschweige denn dage­gen vorgegangen.“

Wir fordern, dass sowohl medi­al, als auch lokalpoli­tisch auf diese Missstände einge­gan­gen und der Teil der Öffentlichkeit über die Gefahren für bes­timmte Grup­pen aufgek­lärt wird.
Wir wollen jedoch auch darauf hin­weisen, dass wir mit den Stan­dort­in­ter­essen der Stadt nichts gemein haben und uns nicht auf gemein­same Hand­lungsstrate­gien mit den Lokalpa­tri­oten um das Net­zw­erk für Tol­er­anz und Weltof­fen­heit einlassen.

Wir möcht­en dem geläuterten Deutsch­land eine Absage erteilen, in dem Antifaschis­mus zum Staatsmonopol erhoben wurde um sich endgültig der Last der Geschichte zu entledi­gen. In diesem Kon­text muss sich unser Beitrag an diesem Woch­enende auf Schadens­be­gren­zung beschränken. 

Bilder zur Aktion unter: Indy­media

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