Am Freitagabend diskutierten in Potsdam-Babelsberg Vertreter von
Antirepressionsgruppen aus Berlin, Frankfurt/Oder und Potsdam über den
Umgang der Linken mit staatlicher Verfolgung. In den vier Städten wurden
politische Aktivisten in der letzten Zeit mit Hausdurchsuchungen,
Bespitzelungen und mit Strafverfahren überzogen. So versuchen die
Justizbehörden aktive Linke in Frankfurt/Oder mit Sachbeschädigungen der
verschiedenen Art in Verbindung zu bringen, die in der deutsch-polnischen
Grenzstadt in der letzten Zeit verübt worden sind. Da die Beweise fehlen,
wurden Menschen aus dem linksalternativen Milieu mit Hausdurchsuchungen und
Zeugenvorladungen überzogen. Von einigen Aktivisten wurden DNA-Analyen
genommen. Diese Ermittlungsmaßnahme wurde dann später vom zuständigen
Amtsgericht für ungültig erklärt. Der Ermittlungseifer der Behörden wurde
dadurch aber nicht gebremst.
Längst ist nicht mehr nur die linke Szene im Visier. So wurden im Zuge der
Ermittlungen vor der Agentur für Arbeit in Frankfurt/Oder 7 Kameras und 3
Inforotstrahler angebracht, die alle Aktivitäten, auch Proteste gegen
Hartz IV, registrieren. Vor einigen Wochen haben einige Linke die
Soligruppe Frankfurt/Oder gegründet. „Wir wollen nicht wie das Kaninchen auf
die Schlange die Repression starten sondern uns zusammenschließen und mit
anderen Gruppen Erfahrungen austauschen“, erklärte Robert von der
Soligruppe.
Auch Leila aus Berlin betonte, wie wichtig die Solidarität der Linken ist,
wenn Menschen ins Visier der Justiz geraten. Ihr Freund Christian F. sitzt
seit Monaten in Untersuchungshaft, weil er auf einer Antifademonstration in
Berlin eine Flasche in Richtung der Neonazis geworfen haben soll. F.
bestreitet die Tat, für die es außer den widersprüchlichen Aussagen von
Zivilbeamten keine Beweise gibt. Doch die Polizeizeugen treten weder mit
ihren Klarnamen noch mit offenem Visier vor Gericht auf. Sie sind mit einer
Perücke und einen angeklebten Bart ausstaffiert und statt mit ihrem Namen
werden sie mit einer Codenummer angeredet. Das Gericht begründete diese
Maßnahme mit der Gefährdung der Zeugen, da der Angeklagte im autonomen
Milieu verankert. Allerdings erklärten die Polizeizeugen auf Nachfragen
der Anwälte von Christian F., dass sie sich keineswegs bedroht fühlen. „So
wird Rechtsgeschichte neu geschrieben“, erklärte der Potsdamer Rechtsanwalt
Steffen Sauer. Seine Mandantin Julia S. saß mehr aus 5 Monate in
Untersuchungshaft. Sie war nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem
Potsdamer Neonazi festgenommen worden (ND berichtete). Ihre Freilassung
war das Ergebnis einer Kampagne, an der Künstler, Wissenschaftler sowie
Politiker von Linkspartei und der Grünen beteiligt waren. Doch noch immer
wird gegen Julia S. und vier weitere Potsdamer Antifaschisten wegen
Mordversuch ermittelt. Bei den leichten Verletzungen, die der Rechte davon
getragen hätte, ist bisher in vergleichbaren Fällen wegen Körperverletzung
ermittelt worden, so Anwalt Sauer. Die Anwesenden in Potsdam waren sich
einig, dass es mehr als nur juristischer Unterstützung bedarf, damit nicht
ein weiteres Kapitel Rechtsgeschichte geschrieben wird.
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