Eisenhüttenstadt. Auf weitere Streiktage müssen sich die Fahrgäste des Eisenhüttenstädter Personennahverkehrs (EPNV) einrichten. Sondierungsgespräche am Dienstag, die eigentlich der Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen vorangehen sollten, führten nicht zum gewünschten Erfolg. Auch ein am gestrigen Nachmittag vorgelegtes Angebot der Arbeitgeberseite wird von der Gewerkschaft nicht akzeptiert.
Alles wartet auf ein Signal der anderen Seite, um den seit über einer Woche andauernden Streik der Eisenhüttenstädter Busfahrer beenden zu können. Am Freitag letzter Woche hieß das Signal zumindest, beide Parteien seien zu Gesprächen bereit. Die waren auch bitter nötig, nachdem sich zeigte, dass beide Verhandlungspartner – Gewerkschaft und Geschäftsführung – ihren Argumentationen und Berechnungen unterschiedliche Zahlen zugrunde legten.
Doch am Mittwoch nach nunmehr neun Tagen ist man kaum schlauer als zuvor. Fast sechs Stunden saßen am Dienstagabend Vertreter der Gewerkschaft ver.di bei der Geschäftsführung des EPNV am Tisch, um beim komplizierten Zahlenwerk auf einen Nenner zu kommen. „Wir haben unsere Standpunkte ausgetauscht, aber unterschiedliche Auffassungen“, sagt EPNV-Geschäftsführer Walter Dudek am Morgen danach frustriert. Eigentlich sollten bei günstigen Vorzeichen gestern die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen, der Streik möglicherweise beendet werden. Nun geht er weiter. „Kommt kein Signal von den Arbeitgebern, dreht sich bis Montag hier kein Rad“, reagiert Jens Gröger von ver.di enttäuscht auf die Gespräche vom Vorabend. Das Signal kam am frühen Nachmittag: Die Arbeitgeberseite unterbreitete der Gewerkschaft ein neues Angebot: Die Gesellschafter sind nunmehr zu einem Abschluss des Tarifvertrages bereit, nach dem jetzt und auch künftig keiner der derzeit streikenden Busfahrer auf mehr als 9,5 Prozent des Einkommens von 2002 verzichten muss. „Ich hab schon am Telefon abgelehnt“, sagt Gewerkschaftsfunktionär Gröger. Das Angebot sei nicht neu und nicht zu akzeptieren. Stattdessen bringt Gröger wieder die Zahlen der Gewerkschaft ins Spiel: 160 000 Euro Einsparungen hat Gröger der EPNV-Geschäftsführung am Dienstag vorgerechnet und wähnte sich in dem Glauben, damit die Forderungen der Arbeitgeberseite und vor allem der beiden Gesellschafter von Stadt und Landkreis weitgehend erfüllt zu haben. „Unsere Zahlen werden aber einfach nicht akzeptiert“, klagt Jens Gröger.
Die Arbeitgeberseite setzt nun der Gewerkschaft die Pistole auf die Brust. Das Ultimatum lautet: Sollte die Gewerkschaft weiterhin nicht einigungsbereit sein, wird ein Grundsatzbeschluss der Gesellschafter greifen, wonach die EPNV GmbH künftig keine eigenen Leistungen im Bereich Fahrdienst/Werkstatt erbringen wird, sondern diese durch preiswertere Anbieter geleistet werden. Die Arbeitsplätze beim EPNV, heißt es in einer gestern verbreiteten Pressemitteilung, würden somit entfallen. Letzte Chance zur Einigung scheint vorerst der Dienstag nächster Woche zu sein, an dem auf Anregung der Arbeitgeberseite in Potsdam ein weiteres Sondierungsgespräch zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart worden ist.
Für Walter Dudek, der im Auftrag der Gesellschafter von Stadt und Kreis den Tarifkonflikt schlichten soll, ist eine gegenseitige Annäherung bislang nicht erfolgt. Dudek hat sich das Zahlenwerk der Gewerkschaft geben lassen, will neue Rechnungen anstellen und ist am Mittwoch zu Gesprächen in die Kreisverwaltung gefahren. Dort sitzt Finanzdezernent Dr. Eckhard Fehse, den die Gewerkschaft als eigentlichen Hardliner und Blockierer der Tarifverhandlungen ausgemacht hat.
Jens Gröger vermutet auch hinter der bisherigen Verweigerungshaltung der EPNV-Geschäftsführung den LOS-Finanzdezernenten, der den Landkreis als Gesellschafter vertritt. „Wenn sie unseren Zahlen zustimmen würden, könnte ja Herr Fehse das Gesicht verlieren“, orakelt Gröger. Für Gröger ist die Situation in Eisenhüttenstadt besonders schwierig. „Auch anderswo wird vor Tarifabschlüssen um jeden Euro gefightet, aber wir haben zehn Unternehmen im Land Brandenburg unter Spartentarifvertrag. Nur in Eisenhüttenstadt scheint uns das nicht zu gelingen“, wundert sich Gröger. Finanzdezernent Fehse verweist in Gesprächen stets auf das Beispiel der Busverkehrsgesellschaft Oder-Spree, wo zusätzliche Vereinbarungen zum Spartentarifvertrag abgeschlossen wurden, auf die Fehse auch beim EPNV pocht. Ein Beispiel, das Jens Gröger gar nicht gern hört. „Da ist damals was schief gelaufen“, gibt er zu. Die Kollegen seien sich zu jener Zeit nicht richtig einig gewesen.
Fragen zum EPNV-Verkehr werden unter (03364) 40 26 11 beantwortet