(Henri Kramer) Potsdam — Wegen eines brutalen Überfalls auf einen Rechtsextremen hat das Landgericht Potsdam gestern zwei Angehörige der linken Szene Potsdams zu Bewährungsstrafen verurteilt. Zwei weitere Angeklagte wurden verwarnt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten in der Nacht zum 19. Juni 2005 ihr Opfer zunächst gejagt und dann vor dem Café Heider niederschlagen hatten. Die mitangeklagte Chefin des alternativ Potsdamer Wohnprojektes Chamäleon, Julia S., wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Die 22-Jährige saß bereits mehr als fünf Monate in Untersuchungshaft. Dies sei beim Strafmaß bereits berücksichtigt worden, sagte die Vorsitzende Richterin Angelika Eibisch bei ihrer Urteilsbegründung.
Staatsanwalt Peter Petersen hatte für Julia S. eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung gefordert. Die Verteidiger aller vier Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten in der Nacht zum 19. Juni 2005 den als rechtsextrem bekannten Fahrländer Benjamin Oe. vor dem Café Heider gejagt und zusammengeschlagen haben. Dabei schlug nach Auffassung des Gerichts der zur Tatzeit 20-jährige Patrick B. mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf des damals 17-jährigen Opfers ein. Benjamin Oe. erlitt eine blutende Platzwunde. In ihrer Begründung ging Richterin Eibisch noch einmal auf das hohe öffentliche Interesse an dem Fall ein. Sie kritisierte die „persönlichen Angriffe“ auf den zuständigen Staatsanwalt Peter Petersen. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst wegen versuchten Mordes gegen die Beschuldigten ermittelt. Julia S. hatte deswegen vom 20. Juni bis zum 24. November 2005 in Untersuchungshaft gesessen. „Am Anfang ging die Justiz davon aus, dass bei dem Überfall ein Totschläger verwendet wurde“, sagte Eibisch. Solche strafrechtlichen Fragen müssten je nach Aktenlage geklärt werden. Linke Gruppen und Politiker der Linkspartei.PDS hatten der Staatsanwaltschaft unterstellt, mit der U‑Haft von Julia S. und dem anfänglichen Mordvorwurf Antifaschismus zu kriminalisieren. Die Anwälte der Verurteilten kritisierten das Urteil, ließen aber offen, ob sie dagegen Revision einlegen werden. „Die Beweisführung der Richterin war gänzlich anders als ich die Zeugen in der Verhandlung gehört habe“, sagte Gesa Schulz, Anwältin des Angeklagten Robert D. Der Prozess war wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden. Gegen eine fünfte Angeklagte war das Verfahren schon während des Prozesses eingestellt worden. Im Frühjahr und Sommer 2005 hatte es in Potsdam mehrere, teils gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Linken gegeben. Die Tat vor dem Café Heider war die einzige, die von Linken begangen worden war.