( ra0105 vom 20.11.2006 auf Indymedia) Mehr als 1000 Faschisten nahmen an einer Demonstration in Seelow teil. Bürger und “Antifa” mobilisierten neben Halbe auch in Seelow dagegen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot aus mehreren Bundesländern im Einsatz.
Bis zu 8000 Bürger protestestierten in Halbe gegen einen Naziaufmarsch der dort nicht stattfand. Vielleicht um die 700, 800 Menschen versuchten am Ort des Geschehens Protest zu artikulieren. Interessant dabei, ein Großteil davon waren vor allem “normale” Bürger. Verhindert werden konnte der Aufmarsch nicht.
Der Treffpunkt der Rechtsextremisten lag eingekeilt zwischen zwei Bühnen. Die Kampagne NS-Verherrlichung stoppen hatte seit 10:00 Uhr zu einer Kundgebung aufgerufen. DJ´s und Skabands sorgten für Unterhaltung, eine Vokü für das körperliche Wohl, Redebeiträge erinnerten an den Anlass.
Die Schlacht um die Seelower Höhen war eine der heftigsten Gefechte die im zweiten Weltkrieg tobten. Berlin war in greifbarer Nähe, die Überquerung der Oder / Neiße — Linie Auftakt zum letzten Akt des Weltkrieges in Europa. Obgleich der schon längst entschieden war, kämpften das deutsche Militär mit aller Verbissenheit um die Reichshauptstadt. Tatsächlich erlitten die sowjetischen und polnischen Verbände unerwartet hohe Verluste. (Kritiker Schukows geben seiner rücksichtslosen Kriegsführung eine gehörige Mitschuld)
Ebenso wie im Kessel von Halbe soll sich hier nach Meinung der Nazis das deutsche Heldentum in all seiner Pracht zeigen. Ignoriert wird dabei völlig das selbst im konservativen Bürgertum Heldentum und Kameradschaft bis heute nach einer fanatisierten, der Wirklichkeit entrückten Raserei klingen. Der Versuch der Geschichtsrevision in diese Richtung insofern in großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen muss. So erklärten etwa Einwohner Seelows sie hätten als Schüler auf den Feldern die Toten bergen müssen und verstehen insofern nicht wie man in diesem Schlachten etwas Positives finden könne.
Trotz der geringen Vorbereitungszeit (72h) gelang es der “Zivilgesellschaft” ein recht beachtliches Repartoire an Gegenmaßnahmen zu organisieren. Das Ortseingangsschild begrüßte Nazis mit einem Wunsch nach einer Nazifreien Stadt, in der Stadt verteilt Transparente und nicht zuletzt ein Kundgebung gegenüber der Antifa. Zwar konnten die Nazis so akkustisch niedergehalten werden — tatsächlich war von den Nazis nichts zu hören, ansonsten blieb es aber eher beim Gewohnten — Bratwürste, Kindertanz und Volksmusik gegen Rechts das klassische Instrument. Aussreißer jedoch die lokalen Bands die auf der Bühne spielten — hier waren ein paar Punkbands darunter. Als die ersten Akkorde erklangen, ergoss sich eine kleine graue Lawine von der Bühne weg zu den Bratwürsten hin.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot angerückt, im Tagesverlauf nahm die Polizeipräsenz sogar noch zu, als Einheiten aus Halbe nach Seelow abrückten. Dennoch gelang es offensichtlich Antifaschisten eine Reisebus der Neonazis erfolgreich mit Steinen anzugreifen. Das polizeiliche Konzept lässt sich mit “Konsequent — Inkonsequent” am besten beschreiben. So war es offensichtlich nicht genehm, dass Menschen zwischen den beiden Kundgebungsorten hin und her wechselten. Entsprechend das Verlassen des Kundgebungsort auf direkten Weg untersagt. Ein kleiner Umweg löste dieses Problem. Für demonstrationserfahrene Antifaschisten Grund für ein mildes und nachsichtiges Lächeln — für Ortsansässige eine nicht nachzuvollziehbare Willkür. Beim Durchschnittsbürger wird solch ein Verhalten wohl mit einem Ansehensverlust bei der Polizei einhergehen. Zumal sich wieder die bayerische Polizei (wie fast immer) nicht mit Ruhm bekleckerte und durch dümmlichen Pöbeleien und übermäßige Härte im Einsatz auch bei “Normalbürgern” für Unverständnis sorgte. Gleichzeitig es aber versäumten, die anreisende Nazis zu eskortieren.
Die Nazis als solches waren an Lächerlichkeit wieder kaum zu überbieten. Als Höhepunkte sei der etwa der Gesangsversuch eines alten “Frontkämpfers” erwähnt oder etwa die wenig erbaulichen Versuche der Gedichtsrezitation. In beiden Fällen waren weder Musikanlage noch Sprecher in der Lage akkustische Signale von sich zu geben, die schmerzfrei aufgenommen werden konnten.
Nicht zu kurz kam auch das Phrasenschwein, etwa alle 10 Sekunden wurde es mit Kameraden, Deutsche oder dem Heldentum gefüttert. Nach dem die Kränze abgeworfen waren, ging es zurück. Hierbei kam es humoristischen Höhepunkt als die Nazis am Rand stehende Antifaschisten mit ihren Ordnern verwechselten. Prompt wurden Anweisungen wie etwa “Ey du mit dem weißen Pullover, Hände aus den Taschen — wie sieht dann das aus???” pflichtgemäß erfüllt. Auch diverse Hinweise zum korrekten Fahnentragen in die Tat umgesetzt. Ein schönes Beispiel wohin Gehorsam und Treue so alles führen kann…
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