(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) NEURUPPIN. Zwei junge Männer aus dem uckermärkischen Brüssow sind am Mittwoch vom Landgericht in Neuruppin wegen illegalen Sprengstoff- und Waffenbesitzes verurteilt worden. Der 25-jährige Marcel K. erhielt ein Jahr und neun Monate, der 24-jährige Steven Z. ein Jahr Haft auf Bewährung. Der Staatsanwalt hatte Haftstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten beziehungsweise einem Jahr gefordert, die Verteidigung hatte sich für Bewährungsstrafen ausgesprochen.
Anfang September waren Marcel K. und Steven Z. festgenommen worden. Sie sollen einen Großteil des Sprengstoffs besorgt haben, mit dem eine Münchner Terrorgruppe um den Neonazi Martin Wiese angeblich einen Anschlag auf die Baustelle des Jüdischen Kulturzentrums in München verüben wollte.
Die beiden Männer sollen am 3. Mai 2003 im Grenzgebiet zu Polen eine alte Panzerfaustgranate aus dem Zweiten Weltkrieg aufgespürt und ausgegraben haben. Den darin befindlichen Sprengstoff — ein Kilogramm einer Mischung aus TNT und Hexogen — soll der Neonazi-Anführer Martin Wiese, der wegen der Geburtstagsfeier eines alten Kumpans ohnehin im uckermärkischen Brüssow war, entnommen und nach München gebracht haben.
Braune Armee Fraktion?
Das bayerische LKA hat den Sprengstoff Anfang September bei einer Großrazzia gegen die Neonazi-Gruppe sichergestellt. Manche, wie der bayerische Innenminister Günter Beckstein (CSU), hatten damals gar von einer “Braunen Armee Fraktion” geraunt, die sich — anders als die Rote Armee Fraktion der 70er- und 80er-Jahre — nun nicht aus Linksradikalen, sondern aus Rechtsextremisten rekrutiere.
Dem arbeitslosen Tischler Marcel K. wird darüber hinaus vorgeworfen, mehrere Pistolen, weiteren Sprengstoff und scharfe Munition besessen zu haben. Die Munition soll er im polnischen Stettin erworben haben. Nach ihrer Festnahme in der Uckermark waren Marcel K. und Steven Z. nach Bayern gebracht worden. Dort wurden sie von Beamten des bayerischen Landeskriminalamtes und später auch von Juristen der Bundesanwaltschaft aus Karlsruhe wochenlang vernommen.
Generalbundesanwalt Kay Nehm warf den beiden Uckermärkern zunächst Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Im November aber trennte die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen die beiden notorischen Waffensammler aus der Uckermark ab und übergab den Fall an die Staatsanwaltschaft Neuruppin. “Es gab keine Verdachtslage, dass sie zum harten Kern der Gruppe gehörten”, sagte Frauke-Katrin Scheuten, die Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Die beiden Männer waren der Polizei bereits seit Jahren bekannt. Steven Z. hatte 1998 seinen linken Unterarm verloren, als ein explosives Gemisch, mit dem er hantierte, sich entzündete. Marcel K. hatte auch Kontakt zur rechtsradikalen NPD. “Ich war in die rechte Szene hineingewachsen”, sagte er am Mittwoch vor Gericht.
Der Brüssower Ortsteil Menkin, wo Marcel mit seinen Eltern wohnte, gilt als ein Treffpunkt der rechten Szene. Im Gasthof des 200-Seelen-Ortes waren in der Vergangenheit wiederholt Neonazi-Bands aufgetreten.
Kennen gelernt haben sich die beiden Waffennarren aus der Uckermark und der mutmaßliche Rechtsterrorist Wiese Anfang Mai 2003 bei der Geburtstagsfeier von Andreas J., der in einem Bretterverschlag hinter dem einzigen Plattenbau-Wohnhaus von Menkin seinen 37. Geburtstag begoss. Andreas J. war im September ebenfalls festgenommen worden, wurde aber nach wenigen Tagen gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. In Ermittlerkreisen weist heißt es, Andreas J. habe umfassende Aussagen gemacht.
Gegen insgesamt 14 Personen ermittelt der Generalbundesanwalt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Fünf Männer sitzen deshalb noch in Haft.
Verbindung nach München
(Berliner Zeitung) Die Handlanger: Vor Gericht standen am Mittwoch Marcel K. (25) und Steven Z. (24) aus Brüssow (Uckermark). Sie waren am 10. September 2003 bei einer groß angelegten Polizeiaktion gegen die Münchner Neonazi-Gruppe um Martin Wiese festgenommen worden. Bis auf eine kurze Unterbrechung saßen beide seitdem in U‑Haft.
Noch eine Festnahme: Der 37-jährige Andreas J. war bereits am 9. September in Brüssow verhaftet worden. Er kennt Martin Wiese gut, ist mit ihm in Pasewalk aufgewachsen. Bereits wenige Tage nach seiner Verhaftung kam J. unter Auflagen wieder frei.Der Generalbundesanwalt wirft ihm aber weiter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor.
Der Kronzeuge: Ermittler bestätigen, dass Andreas J. bei seinen Vernehmungen umfangreiche Aussagen gemacht hat. Er könnte zu einer Art Kronzeuge im Verfahren gegen Wiese und seine Gruppe werden. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen insgesamt 14 Personen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Fünf sitzen noch in Haft.