POTSDAM. Der wegen des Überfalls auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam inhaftierte Björn L. aus Wilhelmshorst (Potsdam-Mittelmark) bleibt weiter in Untersuchungshaft. Das entschied am Freitagnachmittag ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, nachdem ihm der 29-jährige Türsteher bereits einen Tag zuvor zur Haftprüfung vorgeführt worden war. Allerdings bestehe gegen den Mann nicht mehr der dringende Tatverdacht des versuchten Mordes, sondern der der gefährlichen Körperverletzung. Es sei kein Tötungsvorsatz erkennbar, hieß es. Es bestehe aber Fluchtgefahr.
Der Richter entschied zudem, dass Generalbundesanwalt Kay Nehm den Fall fortzuführen habe. Gegen den zweiten Tatverdächtigen Thomas M. wird weiter wegen versuchten Mordes ermittelt. Er hat am nächsten Mittwoch Haftprüfungstermin. Wenn sich auch gegen ihn der Vorwurf des versuchten Mordes nicht erhärten lässt, dann könnte Nehm die Ermittlungen wieder nach Brandenburg abgeben. Nehm wirft beiden Männern vor, am Ostersonntag den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. zusammengeschlagen zu haben. Der oberste deutsche Ankläger wertete dies nach der Tat sofort als rechtsextremistisch motivierten Mordversuch. Er sah die innere Sicherheit gefährdet.
“Meine Stimme ist einzigartig”
Klar scheint, dass nicht die mutmaßlichen Täter den Streit begannen, sondern das 37-jährige Opfer. Ermyas M. war betrunken, als er das Wort “Schweinesau” zuerst in Richtung Björn L. und Thomas M. sagte und auch mit den Tätlichkeiten begann. Drei Zeugen bestätigen dies.
Björn L. und Thomas M. sollen Ermyas M. bei der Auseinandersetzung als “Nigger” beschimpft und ihm mit einem einzigen Schlag ins Gesicht ein lebensgefährliches Schädel-Hirn-Trauma zugefügt haben. Der Wortwechsel zwischen den drei Männern war zufällig auf einer Mailbox mitgeschnitten worden. Zu hören ist darauf die Fistelstimme eines der Täter. Die Ermittler sind sich sicher: es ist die Stimme von Björn L., der wegen seiner hohen Stimme auch “Piepsi” genannt wird. Dies hätte die Auswertung einer mehr als siebenminütigen Stimmprobe von Björn L. ergeben. Diese war von Spezialisten des Brandenburger Landeskriminalamtes ausgewertet worden. “Artikulatorische Merkmale, Sprechrhythmus und Akzentuierung” sprächen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass Björn L. zur Tatzeit am Tatort gewesen sei, hieß es aus Ermittlerkreisen. Es gebe auffällige Übereinstimmungen mit der Täterstimme von der Mailbox. Björn L. selbst hatte in der ersten Vernehmung gesagt: “Meine Stimme ist einzigartig.”
Anwalt erwägt Haftbeschwerde
Ungewöhnlich ist, dass ein Bundesrichter mehr als einen Tag für die Haftprüfung benötigte. Schon machten Gerüchte die Runde, dass Generalbundesanwalt Nehm den Fall gleich nach Brandenburg abgeben würde. Doch offenbar irritierte den Richter nicht nur die Frage, ob es sich wirklich um einen Mordversuch gehandelt hat. Neue Zeugen waren aufgetaucht, die die Stimme von der Mailbox zwei anderen Männer aus Potsdam zugeordnet hatten. Zunächst fiel ein Verdacht auf den Sänger einer Neonazi-Band, der sich aber zerschlug. Der Verdacht gegen einen anderen Mann wurde ernster genommen: Marko S. musste am Mittwoch eine Stimmprobe abgeben. Erst am Freitagmorgen stand fest, dass er als Täter nicht in Frage kommt.
Björn L. bestreitet die Tat. Er will zur Tatzeit mit einer Kehlkopfentzündung im Bett gelegen haben. “Sein Arzt hat bestätigt, dass er nur noch krächzend und mit rauer Stimme reden konnte”, sagte sein Anwalt Veikko Bartel am Freitag. Die Aussage des Mediziners sei aber in der 20-seitigen Begründung für die weitere Inhaftierung nicht erwähnt worden. “Nur die Zeugen, die meinen Mandanten belasten, sind angeblich glaubwürdig”, sagte Bartel. Er erwägt Haftbeschwerde.
Bis zur Haftprüfung von Thomas M. soll auch Ermyas M., der erst kürzlich aus dem Koma erwachte, befragt werden. Das Unfallkrankenhaus Berlin äußert sich auf Wunsch der Bundesanwaltschaft nicht mehr zu seinem Gesundheitszustand.