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Antifaschismus

Blamage: JN scheitert vor Gericht, NPD-Offensive landet im Klo

Wie es zum Prozess kam

Der Prozess kam nach ein­er Kette von Ereignis­sen zu Stande, die hier kurz geschildert wer­den sollen. Am 09.04.2010 kam es zu einem Eklat bei der Ver­anstal­tung der Georg-Elser-Ini­tia­tive in Oranien­burg. Mit­glieder der NPD Ober­hav­el und ihre Sym­pa­thisan­ten störten die Ver­anstal­tung von innen und von außen. Die Ini­tia­tive hat­te über das gescheit­erte Hitler-Atten­tat von 1939, das durch Georg Elser verübt wurde, aber auch über die Wichtigkeit von Zivil­courage informiert. Vor den Räum­lichkeit­en des Bürg­erzen­trums hiel­ten NPD Mit­glieder, darunter der als gewalt­bere­it bekan­nte Andreas Rokohl, Schilder mit Namen von Trägern des Blu­tor­dens hoch, die bei den Atten­tat umka­men. Später in der Ver­anstal­tung ver­suchte Detlef Appel, Kreis- und Stadtverord­neter der NPD, das Wort zu ergreifen. Vor dem Gebäude dro­hte Rokohl, Eber­hard mit den Worten: „Dich haben sie vergessen. Du stehst mit einem Bein auch schon im Grab.“ nach­dem Eber­hard diesen nach 6 Mil­lio­nen ermorde­ten Jüd*innen fragte.

Auf Grund­lage dieser Aus­sage kam es am 11.01.2011 zum Prozess, bei dem Rokohl zu ein­er Geld­strafe von 1750 Euro verurteilt wurde. Über den Prozess regte sich Lothar Eber­hard laut­stark auf. Teil des von ihm gesagten war „Ein Faschist bleibt ein Faschist. Die hauen uns doch wieder auf den Köpfen rum, die Drecks­bande!“. Von den Anwe­senden Neon­azis, darunter Lore Lierse (NPD-Stadtverord­nete Gemeinde Müh­len­beck), Burkhard Sah­n­er (Schöne­iche), Robert Wolin­s­ki (Vel­ten) und Manuel Bar­tel (Oranien­burg) fühlten sich die nur die bei­den let­zt genan­nten ange­sprochen und erstat­teten Anzeige. In ihrer polizeilichen Vernehmung sagten sie aus, dass sie “Dreckspack” gehört hätten.

Ent­poli­tisierung gescheitert

Durch den hohen Andrang der 38 antifaschis­tis­chen Unterstützer*innen ver­schieden­ster Couleur musste der Prozess zunächst in einen größeren Saal ver­legt wer­den. Zur Unter­stützung der Kläger waren lediglich Lore Lierse und Burhard Sah­n­er anwe­send. Zum Sachver­halt wur­den dann der Angeklagte Eber­hard, die Kläger Wolin­s­ki und Bar­tel, so wie den, zu dem dama­li­gen Zeit­punkt anwe­sende, Staatss­chützer KOK Bie­der­mann und ein Revier­beamter als Zeu­gen befragt.

Nach dem Ver­lesen der Anklageschrift nutzte Eber­hard die Möglichkeit vor Gericht zu sprechen. So kri­tisierte er gle­ich zu Beginn die Staat­san­waltschaft für die Auf­nahme des Ver­fahrens, stellte den poli­tis­chen Hin­ter­grund, der bei Elsers Anschlag im Bürg­er­bräukeller Ver­stor­be­nen dar, und begrün­dete die Notwendigkeit von Zwangsarbeiter*innenentschädigung. Daraufhin äußerte er zum Sachver­halt, dass die anwe­senden Beamten keine Anze­ichen zeigten die Störung der oben genan­nten Ver­anstal­tung am 09.04.2012 durch die Neon­azis zu unterbinden, obwohl diese den Nation­al­sozial­is­mus ver­her­rlicht­en. An dieser Stelle sprach er mit den Worten: “Frau Lierse, da hil­ft es auch nichts wenn sie lachen. Das waren Ver­brechen an der Men­schlichkeit” eine der bei­den anwe­senden NDP’ler*innen direkt an. Kurz darauf unter­brach der Anwe­sende Richter den Angeklagten, woraufhin dieser unter anderem mit den Worten “Faschis­ten bleiben Faschis­ten und das werde ich auch immer so sagen!” sein State­ment beendete.

Neon­azis mit Gedächnislücken

Als näch­stes wurde der Neben­kläger Robert Wolin­s­ki befragt. Als Wolin­s­ki erzählen sollte, was sich sein­er Mei­n­ung nach am 11.01.2011 zuge­tra­gen hat­te, viel ihm dazu aber im Gegen­satz zum Angeklagten kaum mehr was ein. Er könne sich nur noch daran erin­nern, dass er, Bart­tel und weit­ere ihm heute unbekan­nte Per­so­n­en “rum standen” und der Angeklagte die Gruppe “irgend­wie belei­digt” hat. Mehr könne er nicht sagen und ver­wies immer wieder auf seine polizeiliche Vernehmung. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass Wolin­s­ki sich an das Wort “Drecks­bande” zu erin­nern glaubt obwohl er in sein­er polizeilichen Vernehmung von “Dreckspack” sprach. Auf Nach­frage gab er an, den Angeklagten Eber­hard vor dem Prozess vom 11.01.2011 nicht gekan­nt zu haben und auch die Gründe für das Bei­wohnen des dama­li­gen Prozess­es nicht mehr zu wis­sen. Sich­er war er sich nur, dass Eber­hard bei des ange­blichen Belei­di­gung auf ihn und Bar­tel zugekom­men sei und er diesen dann aus “Gerechtigkeit­sempfind­en” angezeigt habe. Gerechtigkeit meint in dem Fall, dass der Prozess den Wolin­s­ki und Bar­tel besucht­en eben­falls das The­ma “Belei­di­gung” hat­te, nur das Herr Eber­hard der Kläger war. Und “der kann doch nicht erst einen wegen Belei­di­gung Anzeigen und dann sel­ber Leute Belei­di­gen” – so der O‑Ton von Wolin­s­ki. Kurz vor Ende sein­er Befra­gung musst er trotz Ein­spruch der Staat­san­waltschaft noch die Fra­gen der Vertei­di­gerin beant­worten und somit sichtlich unzufrieden ange­blich ohne sich­er zu sein zugeben zwei Tage zuvor als Ord­ner in Rudow an ein­er NPD-Demon­stra­tion, sowie am 08.05.2012 in Dem­min (Demon­stra­tion), am 15.09.2012 in Pots­dam (Demon­stra­tion) und auch am 01.09.2012 in Vel­ten (Kundge­bung) an Ver­anstal­tun­gen aus dem neon­azis­tis­chen Spek­trum teilgenom­men zu haben.

Nun fol­gte die Vernehmung von Manuel Bar­tel. Bar­tel gab an sich an die Aus­sage “Dreckspack” zu erin­nern, was mit sein­er polizeilichen Aus­sage übere­in stimmte. Allerd­ings ist der Angeklagte Bar­tels Erin­nerung nach nicht zu der Per­so­n­en­gruppe zugekom­men, son­dern habe in die Rich­tung genickt. Auf Nach­frage der Vertei­di­gerin gab er an nur zum Prozess am 11.01.2011 gekom­men zu sein, weil “der Wolinksi” in mitgenom­men habe und es ja um “Rosi” (gemeint ist der damals Verurteilte Andreas Rokohl) ging, den er nur unter diesem Namen kenne. Auch er musste eben­falls müs­sisch zugeben am 01.05.2012 bei der Neon­azidemon­stra­tion in Witt­stock und am 01.09.2012 in Vel­ten bei der Neon­azikundge­bung gewe­sen zu sein. Mit­glied­schaften in NPD, Freien Kräften oder son­sti­gen neon­azis­tis­chen Organ­i­sa­tio­nen verneinte er, allerd­ings gab er an die Beobachter Lore Lierse, Burkhard Sah­n­er und mögliche weit­ere dur­chaus von NPD-Ver­anstal­tun­gen zu kennen.

Vom Ver­fas­sungss­chutz lernen

Darauf fol­gend wurde wurde der Staatss­chützer KOK Bie­der­mann befragt. Gle­ich vor­weg nehmen wollen wir, dass Herr Bie­der­mann sein, von Steuergeldern bere­it gestelltes, Notizbuch zu den dama­li­gen Vorgän­gen “anscheinend ver­loren” hat – es ist zumin­d­est nicht zu find­en. Dafür hat er aber drei Tage vor sein­er gerichtlichen Aus­sage seine zeu­gen­schaftliche Aus­sage das let­zte Mal gele­sen und sich daraus neue Noti­zen gemacht, die er als – sagen wir mal – Gedächt­nis­stütze bei sein­er Vernehmung zum Able­sen nutzte. Wie bei dieser Vor­bere­itung nicht anders zu erwarten schildert Bie­der­mann, dass der Angeklagte Eber­hard zum einen das Wort “Drecks­bande” ver­wen­dete, dabei eine aus­holende Bewe­gung machte und während dieser auf alle Anwe­senden, also auch ihn, zumin­d­est über­gangsweise deutete. Zu den vor­ange­gan­gen Vorgän­gen könne er sich nicht äußern, da er am Tag der oben benan­nten Ver­anstal­tung der Georg-Elser-Ini­tia­tive frei hat­te und auch nicht an ein­er möglichen Auswer­tung inner­halb der Staatss­chutz­abteilung teilgenom­men habe. Auch hat­te er nach eigen­er Aus­sage zwis­chen dem Aufnehmen der Anzeigen von Wolin­s­ki und Bar­tel bis zum Lesen sein­er eige­nen zeu­gen­schaftlichen Aus­sage keinen Kon­takt zum ver­han­del­ten Fall. Ob er seit der Anzeige der bei­den Kon­takt im Rah­men seines Dien­stes hat­te, wollte/konnte/durfte er nicht sagen. Abge­se­hen von ein­er weit­eren neuen Möglichkeit der zu klären­den Vorgänge vom 11.01.2011 hat er auf Nach­frage der Vertei­di­gung allerd­ings noch mit­geteilt, dass Lore Lierse, die den Prozess für sich pro­tokol­lierte, und Burkhard Sah­n­er auch am 11.01.2011 als Zuschauer*innen beim dama­li­gen Prozess gegen Andresas Rokohl anwe­send waren und kon­nte auch auf die bei­den dies­mal im Gericht deuten.

Danach war die Verne­he­mu­ng des Revier­beamten Frank Fiedler nur noch oblig­a­torisch, zumal sich dieser nur an das Wort “Drecks­bande” erin­nern kon­nte und kein Erin­nerun­gen mehr zu möglichen Bewe­gun­gen Ebe
rhards hatte.

JN Oranien­burg – lieber spät als nie

Nach ein­er Unter­brechung von zehn Minuten wur­den die Plä­doy­ers ver­lesen. Die Staat­san­waltschaft forderte Freis­pruch. Noch bevor die Vertre­tung der Neben­klage das Wort erheben kon­nte, betrat­en pünk­tlich zum Abschluss die JN’ler Phillip Bad­c­zong und Mar­tin Ulbricht den Saal. Der Recht­san­walt Held (Vertreter von Robert Wolin­s­ki) sprach nun zum ersten Mal mehrere zusam­men­hän­gende Sätze und forderte anschließend eine Verurteilung von 40 Tagessätzen zu je 20,- Euro. Die Vertei­di­gung Eber­hards zeigt die Wider­sprüche der einzel­nen Zeu­ge­naus­sagen auf und erin­nerte daran, dass die Alli­ierten nach dem II. Weltkrieg dem Grundge­setz unter Maß­gabe zuges­timmt haben faschis­toiden Ten­den­zen nie wieder Vorschub zu leis­ten und forderte Freispruch.

Dass am Ende ein Freis­pruch her­auskam, obwohl Lothar Eber­hard zu gab, was er sagte, lag an drei wichti­gen Punk­ten. 1) Die Frage warum nur die bei­den sich ange­sprochen fühlten, nicht aber andere Anwe­sende kon­nte nicht gek­lärt wer­den. 2) Auch wider­sprachen sich Wolin­s­ki und Bar­tel ob Eber­hard auf sie zuge­gan­gen sei oder ihnen zugenickt hätte. Anders sah es der Staatss­chützer, welch­er zeigte, dass Eber­hard eine aus­holende Geste gemacht hat­te und somit alle dort Anwe­senden – also auch ihn – hätte meinen kön­nen. 3) Beson­ders wichtig war es jedoch auch, dass Eber­hard die Kläger gar nicht kan­nte um sie am 11.01.2011 hätte als Faschis­ten erken­nen können.

JN Oranien­burg zeigt sich aktiv

Nach­dem der Nutzungsver­trag für das „Nationalen Jugendzen­trums“ am Spe­ich­er gekündigt wurde und die JN rasch die Räum­lichkeit­en geräumt haben, tritt nun die (offizielle)Jugendorganisation der NPD ver­mehrt aktiv­er in Ober­hav­el auf. Dabei hat sie ihr Aktions­feld mehr auf Hen­nigs­dorf und Vel­ten ver­lagert. So set­zte Wolin­s­ki am 29. Juli dieses Jahres eine Geburt­stagsanzeige für den in Hen­nigs­dorf gebore­nen NS-Kriegsver­brech­er Erich Priebke in die lokale Zeitung. Stun­den darauf fol­gte ein unangemelde­ter Fack­e­lauf­marsch durch die Hen­nigs­dor­fer Innen­stadt. Vor Ort kon­nten nur noch sieben Neon­azis aus Berlin und Ober­hav­el fest­gestellt wer­den. Ein Bericht samt Fotos gab es anschließend auf der Seite des “nationalen Wider­stands Berlin” (NW Berlin) zu lesen.

Dass es gute Kon­tak­te zwis­chen den NW Berlin und der JN Oranien­burg gibt, ist dabei offen­sichtlich. Nach­dem Wolin­s­ki mit der Anmel­dung des sog. „anti­im­pe­ri­al­istschen Fußball­turniers“ in Vel­ten an der Stadt und dem lokalen Rug­byvere­ins gescheit­ert war, polterten die JN mit­tels ein­er Protestkundge­bung. Die Kundge­bung wurde durch Sebas­t­ian Schmidtke angemeldet, welch­er als Führungsper­son des “NW-Berlin” gilt. Durchge­führt wurde die Kundge­bung allerd­ings durch das JN-Bun­desvor­standsmit­glied und langjährig bekan­nten Aktivis­ten Sebas­t­ian Richter. Zur Unter­stützung waren knapp 30 Per­so­n­en aus dem Umfeld des NW Berlin anwe­send. Der gute Kon­takt von NW-Berlin und JN Oranien­burg rührt von der gemein­samen Zeit bei der inzwis­chen ver­bote­nen “Heimat­treuen Deutschen Jugend” (HDJ). Mehrere Mit­glieder der ver­bote­nen “Kam­er­ad­schaft Tor”, welche jet­zt im “NW-Berlin” organ­isiert sind, waren mit den Ober­havel­er Aktivist*innen im gle­ichen “Gau” der HDJ. Auch auf Demon­stra­tio­nen tritt die JN Oranien­burg ver­mehrt in Begleitung des NW Berlin auf. Nach der block­ierten NPD Demon­stra­tion am 15.09. in Pots­dam begleit­eten Wolin­s­ki und Bad­c­zong die Berliner*innen auf ihren Heimweg, nah­men an der im Anschluss gescheit­erten Spon­tandemon­stra­tion am Sav­i­gny­platz teil und ver­sucht­en sog­ar einen kleinen Durch­bruch durch die Polizeiket­ten. Mit­glieder der JN Oranien­burg sind bei den let­zten drei Demon­stra­tio­nen in der Region auch als Ord­ner einge­set­zt wor­den. Wolin­s­ki war gemein­sam mit Philipp Bad­c­zong in Pots­dam und Wolin­s­ki mit dem Oranien­burg­er Robert Weg­n­er am 24. Novem­ber bei einem NPD-Auf­marsch in Rudow Ord­ner. Auch in Frankfurt/Oder am 10.November war Robert Weg­n­er als Ord­ner zu sehen.

Antifa 2 : 0 sog. „Volk­streue Jugend“

Der Prozess stellt einen weit­eren Meilen­stein gegen die juris­tis­che Offen­sive der NPD Ober­hav­el dar. Seit 2010 ver­sucht diese poli­tis­che Gegner*innen durch Anzeigen und Strafver­fol­gung einzuschüchtern. Auch der jet­zige Fall darf in diesem Kon­text gese­hen wer­den. Mit Ruhm hat sich die NPD bis jet­zt allerd­ings nicht bek­leck­ern kön­nen. Von drei Anzeigen gegen NPD/JN-ler hat­ten zwei Erfolg, von den vier Anzeigen welche die NPD/JN sel­ber stellte, kam es nur bei einem Fall zu ein­er Rechtssprechung zu Gun­sten der NPD. Ger­ade die JN hat drei von drei Fällen vor dem Gericht als Ver­lier­er bestre­it­en dür­fen – jede Anzeige zeigt vor allem wie verzweifelt die Szene zu sein scheint.

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