Bleiberecht gefordert
BELZIG Mit Sprechchören, in denen sie ein vorläufiges Bleiberecht für ihren bosni-schen Mitschüler Mehmed Memic und dessen Familie forderten, zogen gestern 250 Gesamtschüler und viele Lehrer in ihrer Mittagspause vor das Belziger Landratsamt. Etwa 15 Gegendemonstranten, hielten sich am Rande des Geschehens auf.
Wie bereits berichtet, soll die seit fünf Jahren in Belzig lebende und als integriert geltende Familie am Freitag zwangsweise nach Bosnien-Herzegowina zurückgebracht werden. Die Memic´s hatten Sarajevo im März 2000 fluchtartig verlassen und dort ein Lebensmittelgeschäft und einen Bauernhofes samt Wohneigentum zurückgelassen, nachdem Vater Fahrudin Memic nach verweigerter Schutzgeldzahlung entführt, drei Tage lang misshandelt und nur mittels Lösegelds wieder freigekommen war. Die Familie sah sich zudem zunehmender Diskriminierung wegen der serbi-schen Herkunft von Vesna Memic ausgesetzt.
Juliane Mühlsteph und Linda Wiemann, Schülerinnen der Jahrgangsstufe 12, übergaben Landrat Lothar Koch (SPD) eine Mappe mit Unterschriftenlisten und erbaten eindringlich eine humane Lösung für ihren Altersgefährten. “Die Familie ist hier gut integriert, Mehmed soll wenigstens die Chance haben, seine Schulausbildung zu beenden”, appellierten die Schülerinnen an den Landrat, der ihre “letzte Hoffnung” sei.
Dieser beschäftigt sich seit zwei Tagen intensiv mit dem Fall und sieht sich mit einer nahezu unlösbaren Aufgabe konfrontiert. Seit Montagabend existiert ein letztinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichtes Potsdam, in dem dieses die Aussetzung der Abschiebung ablehnt. Der Wiesenburger Rechtsanwalt Sieghard Rabinowitsch hatte diese mit Blick auf den schlechten Gesundheitszustand des schwer diabeteskranken Fahrudin Memic zu erwirken versucht.
“Glaubt ihr, dass ich mich über geltendes Recht hinwegsetzen darf?”, versucht Koch den Schülerinnen seine Lage zu erklären. Doch diese nicken tapfer. “Wenn das Gesetz inhuman ist, ja.” Der Landrat, der die Schüler für ihren solidarischen Einsatz, “noch dazu für einen eigentlich Fremden” lobte und ihnen für ihre Rolle als mutmachendes Korrektiv dankte, lässt derzeit von einem Juristenteam prüfen, ob es trotz des Gerichtsentscheids eine humanitäre Lösung geben kann. Die Entscheidung wurde für gestern Abend erwartet. Die Experten müssen dazu recherchieren, ob Koch vom Innenministerium juristisch belangt werden kann, wenn er als Chef der kreislichen Ausländerbehörde die Abschiebung und damit den Vollzug des Urteils am Freitag unterbindet. Koch machte zudem klar, dass es sich im günstigsten Fall auch nur um ein vorläufiges Bleiberecht für die Söhne Mehmed und Elmir bis zum Ende ihrer Ausbildung handeln könne.
Die Vorsitzende des Sozialausschusses des Kreistages, Astrit Rabinowitsch (PDS), übergab dem Landrat ebenfalls 150 binnen zweier Stunden in Belzig gesammelte Unterschriften.