Am 28.02.03 war nach sieben Verhandlungstagen eigentlich nur noch die
Urteilsverkündung gegen Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht geplant. Er
hatte in einem Zeitungsartikel den Einsatz der Polizei, die sich nach dem
DFB-Pokalspiel Babelsberg 03 gegen Hertha BSC nicht um die rechten Herthafans
kümmerte, die das alternative Wohnprojekt in der Breitscheidstr.6 angegriffen
hatten, sondern stattdessen das Haus räumten und verwüsteten. In dem Artikel warf er
der Polizei vor, Vokabular und Sichtweise auf BewohnerInnen alternativer
Wohnprojekte offenbart zu haben, wie sie auch bei rechten Schlägern zu registrieren
sei. Insbesondere hätten Beamte Möbel umgekippt, Festplatten aus Computern
herausgerissen und in Nebenzimmer geworfen, Musikanlagen und Boxen zerschlagen, sich
an Bargeld und Getränken bedient und schließlich hinter den Tresen des Partyraumes
und ein Sofa uriniert. Die Bewohnerinnen mußten mit auf dem Rücken gefesselten
Händen eine halbe Stunde mit dem Gesicht auf dem Gehweg liegen und sich von
Polizisten als „Zecken“ und „Schlampen“ betiteln lassen.
Die Staatsanwaltschaft hatte nur einzelne Verwüstungen eingeräumt, ansonsten aber
den Vorwurf der Üblen Nachrede (Verbreiten von Tatsachen, die nicht erweislich wahr
sind) für erwiesen gehalten. Daher hatte StA Jaschke in seinem Plädoyer am 7.
Verhandlungstag 70 Tagessätze a 35 Euro gefordert und angekündigt, das letzte Mal eine
Geldstrafe beantragt zu haben. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt.
Zur Überraschung aller tauchte bei der vermeintlichen Urteilsverkündung noch ein
weiterer Zeuge auf. Die Richterin hatte außerhalb der Verhandlung erfahren, daß eine
weitere Durchsuchung des Hauses am Sonntag durch den Staatsschutz durchgeführt
worden war und wollte den Leiter des 4.K Jürgen Wetzel, noch befragen. Allerdings
konnte er sich an nichts mehr erinnern. Auf Nachfrage der Verteidigung mußte er aber
einräumen, daß die Videos entgegen den bisherigen Annahmen des Gerichtes durch die
Polizei geschnitten worden sein könnten. Informationen über den Verbleib der
üblicherweise in einer versiegelten Tüte zu den Akten gereichten Originalvideos
konnte er angeblich auch nicht mehr geben.
Dann gab es noch einmal die Plädoyers in Kurzform. Der Staatsanwalt Peter Petersen
von der politischen Abteilung machte den Eindruck, als wollte er unter die
Kampfhundeverordnung fallen, was aber nur allgemeine Heiterkeit auslöste.
Die Richterin verkündete nun endlich das Urteil. Zwar hielt sie fast alle
Behauptungen für erwiesen, war sich aber nicht völlig sicher, ob die Polizei
wirklich Geld und Getränke gestohlen und in die Sofas gepinkelt hatte. Die
verbleibenden Zweifel an diesen Tatsachen genügten ihr, um eine Verurteilung wegen
Übler Nachrede zu 40 Tagessätzen a 35 Euro auszusprechen. Dazu kommen dann noch
Gerichts- und Anwaltskosten von wahrscheinlich 4 bis 5000 Euro. Inzwischen hat die
Verteidigung bereits Rechtsmittel eingelegt.