Hennigsdorf/Potsdam. Nach dem Brandanschlag auf ein türkisches Restaurant in
Hennigsdorf gerät die Polizei in die Kritik. Der Betreiber des Lokals “Yala”
wirft Beamten der Hennigsdorfer Wache vor, sie hätten seine Hinweise auf
Drohungen des Neonazis Karsten G. nicht beachtet. Der Rechtsextremist hatte,
wie berichtet, am Mittwochabend zwei bereits lodernde Brandflaschen gegen
die Gaststätte geworfen. Die Doppelscheiben hielten jedoch stand, das
Personal und die Gäste kamen mit dem Schrecken davon. Bereits am Nachmittag
war Karsten G. mit dem Betreiber, dem Deutschtürken Burhan Aydin, aneinander
geraten. Der Neonazi habe sich mit ihm geschlagen und gedroht, “ich töte
alle Türken”, sagte Aydin gestern dem Tagesspiegel. Er habe den zu Hilfe
gerufenen Beamten der Hennigsdorfer Wache von der Todesdrohung berichtet,
“doch die Polizei hat mich nicht ernst genommen”. Der leicht verletzte
Karsten G. wurde von einem Krankenwagen abgeholt — und kam gegen 20 Uhr mit
den Brandflaschen zurück.
Der Potsdamer Polizeipräsident Bruno Küpper fuhr gestern nach Hennigsdorf,
um den Vorfall zu untersuchen. Zuvor sagte Küpper dem Tagesspiegel, die
Beamten seien bereits befragt worden. Küpper teilte auch die Antworten mit:
“Sie haben von Drohungen nichts mitbekommen.” Die Polizisten müssten sich
aber auch in der Form von dienstlichen Erklärungen schriftlich äußern.
Einen weiteren Vorwurf hält Küpper für widerlegt. Laut Aydin kamen die
Polizisten am Nachmittag sehr spät, obwohl die Wache nur wenige hundert
Meter entfernt sei. “Ich habe sogar jemanden zur Wache geschickt, damit sich
die Beamten beeilen”, sagte Aydin. Küpper verwies jedoch auf
Einsatzprotokolle, nach denen die Polizisten am Nachmittag und abends nach
dem Brandanschlag “binnen Minuten” am Tatort gewesen seien.
Unterdessen hat die Polizei eine Sonderkommission gebildet, um die Tat
aufzuklären. Karsten G. ist flüchtig. Das Amtsgericht Oranienburg erließ
Haftbefehl wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung.
Laut Küpper wird das Landeskriminalamt vermutlich Zielfahnder einsetzen, um
den Neonazi zu ergreifen.
Der 26-Jährige, in Berlin gemeldet, hat bereits eine “Karriere” in der
rechten Szene hinter sich. Karsten G. war Anführer der “Kameradschaft
Oberhavel”, die 1997 vom damaligen Innenminister Alwin Ziel (SPD) verboten
wurde. Dann trat G. als “Schatzmeister” des Neonazi-Vereins “Die Nationalen”
auf, der sich 1998 auflöste. Bei den Attacken auf das Lokal “Yala” erschien
G. szenetypisch mit einer olivfarbenen Bomberjacke. Burhan Aydin hat große
Angst vor G. und der Szene: “Ich fürchte, dass ich nicht mehr lange lebe.”