Brandenburg an der Havel: Nach Brandanschlag Zeichen gegen zunehmende Fremdenfeindlichkeit gesetzt
An einer Kundgebung „gegen Fremdenhass und geistige Brandstiftung“ in Brandenburg an der Havel haben sich am frühen Abend, trotz strömenden Regen, ungefähr 50 Menschen beteiligt. Sie waren dem Aufruf einer Initiative zweier Einzelpersonen gefolgt, die mit dieser Versammlung ein Zeichen setzen wollten. Hintergrund war der mutmaßliche Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in der vergangenen Woche. Die Kundgebung fand deshalb auch in unmittelbarer Nähe des Tatortes am Nicolaiplatz statt. Als Redner traten die beiden Initiatoren Chriss Kühnl und Sebastian Möckel auf. Beide verurteilten die Tat, Kühnl zu dem auch explizit die, seiner Meinung nach, dafür verantwortliche Hetze bestimmter politischer Organisationen. Sebastian Möckel warnte zudem vor neonazistischen Aktivitäten im Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel und widersprach dabei deutlich einem Bericht einer Lokalzeitung, demnach keine Szenestrukturen erkennbar wären. Erst wenige Stunden vor dem Brandanschlag, so hätten es ihm Anwohner_innen berichtet, soll eine Gruppe mutmaßlicher Neonazis durch die Altstadt gezogen sein. Diese solle auch verfassungswidrige Parolen skandiert haben, so Möckel in seiner Rede.
Polizeiliche Ermittlungen zur Brandursache laufen
Das momentan vom Brand betroffene, derzeit noch leerstehende Gebäude am Nicolaiplatz war von der Stadt Brandenburg als Notunterkunft für Flüchtlinge geplant. Gemäß Polizeiangaben vom 27. November 2015 war das Feuer von einem Zeugen entdeckt und anschließend von der Feuerwehr gelöscht worden. Von den Flammen betroffen soll jedoch nur der Rahmen eines Außenfensters sein, möglicherweise auch deshalb weil der Brand rechtzeitig entdeckt wurde. Der polizeiliche Staatsschutz (Dezernat 2) der Polizeidirektion West habe inzwischen die Ermittlungen zum Verdacht der Brandstiftung übernommen.Ein fremdenfeindlicher Hintergrund der mutmaßlichen Brandlegung sei momentan nicht auszuschließen.
Zunahme fremdenfeindlich motivierter Straftaten
Leider war der mutmaßliche Brandanschlag auch nicht der erste Versuch in Brandenburg an der Havel mit gemeingefährlichen Mitteln Flüchtlinge zu vertreiben bzw. ihre Unterbringung in der Stadt zu verhindern. Bereits am 25. Juli 2015 hatte es vor der Wohnung einer geflüchteten Familie aus Inguschetien gebrannt. Auch hier wurde der Brand schnell gelöscht und schlimmeres verhindert.
Wie aus einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Jolige (DIE.LINKE) vorgeht, nahmen die Attacken auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte auch landesweit zu. Allein von Juli bis September 2015 habe die Polizei demnach 51 dieser Straftaten gezählt, von Januar bis Juni 2015 waren es 26.Im gesamten Jahr 2014 wurden allerdings „bloß“ 36 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte gezählt, 2013 sogar „nur“ 15.
Fremdenfeindlichkeit spürbar wie lange nicht mehr
Neben den Straftaten mit mutmaßlich fremdenfeindlichen Hintergrund haben übrigens auch die Versammlungen mit derartigem Charakter zugenommen. Dies geht ebenfalls aus der Anfrage der Landtagsabgeordneten Jolige hervor. Demnach haben Veranstaltungen, die sich gegen Flüchtlinge und die Asylpolitik richten, von 61 im Jahr 2013, auf 130 im Jahr 2014 und bisher175 im laufenden Jahr erhöht. Dabei wurden auch die Versammlungen vermeintlicher „Bürgerinitiativen“, der „BraMM/PEGIDA“ und der „Alternative für Deutschland“ (AfD) berücksichtigt. Für eine Vielzahl dieser Versammlungen sind aber nach wie vor einschlägige Neonazis verantwortlich, die sich in der NPD, im „dritten Weg“ oder so genannten „Freien Kräften“ organisieren.
Aktuelle Tendenzen im Brandenburger Neonazimileu
Für die Stadt Brandenburg an der Havel ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar. Allein fünfmal zog im ersten Halbjahr 2015 die ursprünglich von einem Republikaner initiierte „BraMM/PEGIDA“ durch die Havelstadt, einmal kam die NPD und einmal der „dritte Weg“. Alle Drei eint ihre ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen. Die scheinbare Aktivität der genannten Organisationen konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren lokale Verankerung nur bedingt vorhanden ist. Der Stadtverband der NPD ist schon seit Jahren inaktiv, „dritter Weg“ und „BraMM“ haben überhaupt keine öffentlich erkennbaren Lokalgliederungen vor Ort. Dennoch sind sehr wohl aktive Einzelpersonen und kleinere Gruppen aus Brandenburg an der Havel bekannt, die regelmäßig an Versammlungen der genannten Organisationen teilnehmen. Besonders auffällig war diesbezüglich eine lose Gemeinschaft von fünf bis zehn Personen, die in der Konstellation erst seit 2014 auftritt. Bei Aufmärschen und Kundgebungen fällt diese Gruppe sowohl durch einheitlich gestaltete Kleidungsstücke mit der Aufschrift „Division Brandenburg“ als auch zu ihrer Nähe zum „dritten Weg“ auf. Sie gilt ferner nicht nur als aktionsaffin, sondern tritt durchaus auch als gewaltsuchend auf. Am 20. Februar 2015 provozierten beispielsweise mehrere Mitglieder dieser Gruppe, zu der u.a. auch der mehrfach vorbestrafte Totschläger Sascha L. gehören soll, während eines Gedenkspazierganges für den 1996 von L. getöteten Punker Sven Beuter.
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