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Antifaschismus

Brandenburg an der Havel: Neonazis provozieren bei Gedenkspaziergang

Titel
Daniel Her­zog ist sauer. Als Anmelder des heuti­gen Gedenkspazier­gangs für den im Jahr 1996 von Neon­azis getöteten Bran­den­burg­er Punk Sven Beuter habe er extra in einem Vor­abge­spräch bei der Polizei darauf bestanden, das die einge­set­zten Beamt_innen auf Per­so­n­en des neon­azis­tis­chen Milieus acht­en und diese dann von der Strecke ver­weisen. Doch es kam anders. In der Graben­straße, kurz vor dem Ende des Gedenkspazier­gangs, postierten sich fünf Neon­azis in dessen unmit­tel­bar­er Nähe und ver­sucht­en durch Posen und ver­bale Beschimp­fun­gen die Teilnehmer_innen des vor­beiziehen­den Aufzuges zu provozieren. Übri­gens nicht irgendwelche Neon­azis, es war der Mann, der den Tod von Sven Beuter vor 19 Jahren haupt­säch­lich zu ver­ant­worten hat­te und seine jün­geren Gesinnungsgenoss_innen, die dort standen und über den Gedenkspazier­gang feix­ten. Ein klares Sym­bol des Verunglimpfens Ver­stor­ben­er. Trotz­dem ver­hielt sich die anwe­sende Polizei recht pas­siv. Den Beamt_innen vor Ort seien die Neon­azis nicht bekan­nt gewe­sen und vor­ab informiert wor­den waren sie ange­blich auch nicht. Es dauerte so erst eine Weile bis die fünf Pro­voka­teure in Rich­tung Bran­den­burg-Neustadt weggeschickt worden.
Erst dann kon­nte der Spazier­gang ord­nungs­gemäß bis zur Abschlusskundge­bung durchge­führt werden.
Gedenkspazier­gang: Erin­nerung an markan­ten Orten
Zum Gedenkspazier­gang aufgerufen hat­ten u.a. ein „Bund Bran­den­burg­er Queru­lanten — BBQ“ und die AG Antifa [BRB]. DIE.LINKE meldete die Demon­stra­tion an und stellte den Laut­sprecher­wa­gen. Etwa 50 Men­schen nah­men an der Ver­anstal­tung teil.
Das Konzept des Gedenkspazier­gangs war von den Veranstalter_innen so angelegt, dass an ver­schiede­nen Punk­ten in der Stadt an Sven Beuter erin­nert wurde. Den Start­punkt bildete das Miet­shaus in der Müh­len­torstraße 13, in dem er zulet­zt wohnte. Hier wurde auch der erste Rede­beitrag gehal­ten, in dem kurz auf die bekan­nten Fak­ten aus dem Leben von Sven Beuter einge­gan­gen wurde. In der Müh­len­torstraße 13 soll sich Sven Beuter auch am Abend des 15. Feb­ru­ar 1996 mit Fre­un­den getrof­fen, Fernseh geguckt und Bier getrunk­en haben. Irgend­wann war dann das Bier alle und Beuter, der Punk Rock­er, machte sich auf neue Getränke zu holen. Angst schien er keine gehabt zu haben, obwohl er bere­its 1993 und 1994 von Neon­azis über­fall­en wurde und bleibende Ver­let­zun­gen davon trug. Beuter ging alleine, ver­mut­lich auf ein­er ähn­lichen Route, wie der heutige Gedenkspazier­gang, zunächst durch die Alt­stadt, dann über die zu dieser Zeit in Umbau befind­liche Jahrtausend­brücke und schließlich in die Graben­straße. Dort traf er dann, genau wie der Gedenkspazier­gang heute, auf die Per­son oder Per­so­n­en, die ihn dort zunächst bru­tal zusam­mengeschlu­gen und trat­en. Anschließend pack­te der Haupt­täter den bere­its nicht mehr wehrfähi­gen Sven Beuter und schleifte ihn 50m hin­ter sich her, bis in die Havel­straße, wo er weit­er mal­trätiert wurde. Erst hier kon­nten Augen­zeu­gen erst ein­greifen und den Täter über­wältigten. Für Sven Beuter kam die Hil­fe jedoch zu spät. Zwar kon­nte er noch in das städtis­che Klinikum über­führt wer­den, erlag jedoch nach fünf Tagen, am 20. Feb­ru­ar 1996, seinen schw­eren Ver­let­zun­gen. Zu diesem Zeit­punkt war Beuter, der am 12. Dezem­ber 1972 geboren wurde, noch nicht ein­mal 24 Jahre alt.
Täter bleibt unverbesser­lich­er Nazi
Obwohl es Indizien für weit­ere Mit­täter gab, wurde allein der aus Kloster Lehnin OT Dams­dorf stam­mende Neon­azi Sascha Lücke der Tat über­führt. Er wurde zu ein­er Frei­heitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monat­en wegen Totschlags verurteilt, die er seit zehn Jahren abge­sessen hat. Vom neon­azis­tis­chen Milieu löste er sich jedoch nie. Im Gegen­teil, erst im Jan­u­ar und Feb­ru­ar 2015 lief er bei vier Aufzü­gen der bis vor kurzem von den recht­skon­ser­v­a­tiv­en REPUB­LIKAN­ERn ges­teuerten Ini­tia­tive „Bran­den­burg­er für Mei­n­ungs­frei­heit & Mitbes­tim­mung“ (BraMM) in Bran­den­burg an der Hav­el mit. Lücke erschien stets im sel­ben Dress: kahlrasiert und mit wein­rotem Kapuzen­pullover, der mit den weißen Auf­schriften: „Aryan Hope“, „Hass – Made in Ger­many“ und „Fresst keine Dön­er“ sowie dem Sym­bol eines Eis­er­nen Kreuzes und der Zahl 88, einem Szenecode für „Heil Hitler“, bedruckt war. Bei der ersten Ver­anstal­tung der BraMM am 26. Jan­u­ar 2015 wurde er zu dem kurzzeit­ig in Gewahrsam genom­men, weil er einen ver­boten Gruß gezeigt haben soll. Heute störte er nun den Gedenkspaziergang.
Stilles Erin­nern an Gedenkplakette
Trotz dieser Pro­voka­tion, ließen sich die Teilnehmer_innen des Spazier­gangs ihr Gedenken nicht kaputt machen, wie ein Sprech­er der AG Antifa [BRB] via Laut­sprecher­wa­gen betonte. Nach einem abschließen­den Rede­beitrag fol­gte dann eine Kranznieder­legung an der Gedenkplakette für Sven Beuter sowie eine Schweigeminute. Anschließend hat­te jed­er Men­sch die Möglichkeit per­sön­lich dem Toten zu gedenken. Einige verneigten sich, andere stifteten Kerzen und manche stell­ten sym­bol­isch eine leere Flasche als Erin­nerung ab. Punk Rock­er haben manch­mal son­der­bare Aus­drucks­for­men, doch „Sven hätte es auch so gemacht“, meinen sie nur.
Fotos: hier

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