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Antifaschismus

Eisenhüttenstadt: Aufmarsch von III. Weg, NPD und “Freien Kräften”

Titel
Eisen­hüt­ten­stadt wirkt an diesem früheren Sam­sta­gnach­mit­tag etwas ver­schlafen. Nur wenige Men­schen bewe­gen sich in den, für heutige Ver­hält­nisse, zu groß dimen­sion­ierten Straßen­zü­gen, deren Antlitz den Architek­turstil der 1950er bis 1970er Jahre wider­spiegelt. Patinierte Fas­saden dominieren das Ensem­ble. Lediglich das Rathaus, das Friedrich Wolf The­ater und einige wenige weit­ere Gebäude strahlen in neuem Glanz, neben vergilbten und bröck­el­nden Fassaden.
In der Stadt patrouil­liert viel Polizei. An allen Knoten­punk­ten vom Eisen­hüt­tenkom­bi­nat bis zur Bahn­hal­testelle im alten Ort­steil Fürsten­berg ist sie präsent. Jedoch scheint heute weniger die viel disku­tierte „Gren­zkrim­i­nal­ität“ der Hin­ter­grund der Maß­nahme zu sein, als denn zwei kon­träre Ver­anstal­tun­gen, die für den früheren Nach­mit­tag angemeldet wur­den. Ein neon­azis­tis­ch­er Auf­marsch und eine Gegenkundgebung.
Für 14.00 Uhr hat­te ein Neon­azi eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Aus­län­der­stopp – für die Zukun­ft deutsch­er Fam­i­lien“ am Rande des Zen­tralen Platzes, vor dem Eisen­hüt­ten­städter Rathaus, angemeldet. Das Bünd­nis „Hütte stellt sich quer“ hielt auf dem­sel­ben Platz, jedoch zen­tri­ert­er, mit ein­er angemelde­ten Kundge­bung unter dem Mot­to: „Gegen Ras­sis­mus – für ein weltof­fenes Eisen­hüt­ten­stadt“ dage­gen. Let­zt genan­ntes war bere­its sog­ar seit 13.00 Uhr vor Ort. Ein Laut­sprecher­wa­gen war aufge­baut wor­den und unge­fähr 100 Men­schen bekan­nten sich mit Schildern und Trans­par­enten zu einem weltof­fe­nen und bun­ten Eisenhüttenstadt.
Hütte stellt sich quer
Selb­stver­ständlich nutzte das Bünd­nis, ein Net­zw­erk aus Schulen, Jugend­clubs, Vere­inen, Parteien und anderen poli­tis­chen Ini­tia­tiv­en, auch die Zeit sich, um seine Entste­hung, Entwick­lung und Engage­ment darzustellen. Ein Sprech­er von „Hütte stellt sich quer“, betonte, dass er früher immer das Gefühl hat­te, das Eisen­hüt­ten­stadt tol­er­ant sei. Dieser Ein­druck hielt bis vor drei Jahren. Zu diesem Zeit­punkt nahm die Het­ze gegen Asyl­suchende im Inter­net immer weit­er zu. Daraufhin haben er und andere Men­schen begonnen, sich als Bünd­nis „Hütte stellt sich quer“ zu find­en und zu ver­net­zen. Dabei sehen sie ihr Haup­tau­gen­merk übri­gens nicht nur auf Recherche und Aufk­lärung zum The­ma Migra­tion, son­dern eben auch in der konkreten Kon­tak­t­suche zu Asyl­suchen­den, so ein weit­er­er Sprech­er vom Bünd­nis „Hütte stellt sich quer“. Es wur­den Hil­f­s­güter verteilt und eine Begeg­nungsstätte etabliert.
Lobende Worte erhielt das Bünd­nis deshalb vom regionalen Bun­destagsab­ge­ord­neten Mar­tin Patzelt (CDU). Er unter­stütze die Ini­tia­tive, weil sie Mut mache. Schließlich gäbe es auch gar keine andere Alter­na­tive, als ein friedlich­es Zusam­men­leben aller Men­schen. Deshalb sei es, so Patzelt, auch wichtig teilen zu ler­nen, um dadurch die Welt gerechter zu gestalten.
Die Land­tagsab­ge­ord­nete Isabelle Van­dré (DIE.LINKE) lobte anschließend eben­falls noch ein­mal das Bünd­nis und betonte, auf den heuti­gen Anlass bezo­gen, dass wo immer Neon­azis in Bran­den­burg auf­marschieren auch immer mit Protest zurech­nen ist.
Die mil­i­tante Rechte marschiert auf
Während­dessen trafen immer mehr Neon­azis am ihrer­seits angemelde­ten Sam­melpunkt ein. Ins­ge­samt wur­den es unge­fähr 100. Die meis­ten stammten aus dem gesamten Land Bran­den­burg, vor allem aus den Kreisen Ost­prig­nitz-Rup­pin, Havel­land, Bran­den­burg an der Hav­el, Pots­dam-Mit­tel­mark, Pots­dam, Tel­tow-Fläming, Oder-Spree und Frank­furt (Oder). Vere­inzelt waren aber auch Neon­azis aus Berlin und Bay­ern angereist.
Die neon­azis­tis­che Klein­partei „Der dritte Weg“, die haupt­säch­lich im Süden der Repub­lik behei­matet ist, hat­te im Vor­feld für den Auf­marsch gewor­ben. Allerd­ings scheint sich nur ein Teil der angereis­ten Per­so­n­en offen mit dieser Organ­i­sa­tion zu iden­ti­fizieren. Ein Großteil der Veranstaltungsteilnehmer_innen ist u.a. als Funk­tionäre der NPD bekan­nt. Mit Pas­cal Stolle, André Schär, Manuela Kokott und Burkhard Sah­n­er waren so gar Kom­mu­nalpoli­tik­er der nation­aldemokratis­chen Partei anwe­send. Die NPD Pots­dam-Mit­tel­mark zeigte zudem mit eigen­em Ban­ner und Parteifahne Präsenz. Des Weit­eren waren Vertreter_innen der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ und Sym­pa­thisan­ten der Ini­tia­tive „Witt­stock sagt nein zur Asylpoli­tik“ anwesend.
Maik Eminger aus Grabow (Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark) , Anmelder der Ver­anstal­tung, trat anschließend in den Vorder­grund, ord­net die Rei­hen und dirigierte die Ban­ner- und Fah­nen­träger, so dass sie die richtige Pro­pa­gan­da­pose bilde­ten. Anschließend eröffnet Manuel Schmidt aus Kloster Lehnin (eben­falls Land­kreis Pots­dam-Mit­tel­mark) mit einem Ein­leitungsmonolog die Veranstaltung.
Unmit­tel­bar danach ist aber wieder Maik Eminger, Brud­er eines in München angeklagten mut­maßlichen NSU Mitäters, am Mikrophon und erk­lärt, dass er hier als Einzelper­son ste­he bzw. keine Partei sym­bol­isiere und für keine Organ­i­sa­tion rede. Eine sehr beschei­dene Auskun­ft. Es drängt sich näm­lich eher der Ein­druck auf, dass er eine führende Fig­ur der mil­i­tan­ten Recht­en ist und seine Jünger hier ver­sam­melt hat. Und die haben sich zurzeit auf das The­ma Asyl eingeschossen. Sinn und Zweck der von Eminger angemelde­ten Ver­samm­lung sei deshalb, so seine Worte, in erster Lin­ie ein Zeichen dage­gen zu set­zen. Denn hier in Eisen­hüt­ten­stadt befind­et sich die Zen­trale Auf­nahmestelle für Asyl­suchende in Bran­den­burg, dem ersten Anlauf­punkt für Men­schen, denen in Bran­den­burg auf­grund von Krieg, Ver­fol­gung und Folter Asyl gewährt wird.
Doch dies spielt für Eminger keine Rolle. Die Bilder, die er in seinem Rede­beitrag entwirft, sind von tiefem Ras­sis­mus und von „Blut und Boden“ Ide­olo­gie geprägt. Let­z­tendlich geht es ihm nicht darum, nur bes­timmten Men­schen Asyl zu gewähren, wie es „besorgte Bürger_innen“ oder die „PEGIDA“ in den zahlre­ichen Ver­anstal­tun­gen der let­zten Zeit lan­dauf und landab predi­gen, son­dern niemanden.
Ähn­lich argu­men­tiert auch der Bad Belziger Stadtverord­nete Pas­cal Stolle (NPD), der offen­bar seit sein­er let­zten öffentlichen Rede einen Rhetorikkurs besucht hat. In flüs­si­gen und klar ver­ständlichen Sätzen echauffiert er sich vor allem über die „rote Bande“, die im Eisen­hüt­ten­städter Rathaus sitze und sich erdreis­tet in der Stadt ein Kranken­haus für Asyl­suchende zu pla­nen. Zwar ist eigentlich das Land Bran­den­burg der Bauherr der Klinik, aber Stolle ist ja auch ohne­hin kein Men­sch, der es mit der Wahrheit so genau nimmt. Für ihn ste­ht fest, dass „Asy­lanten“ sowieso nur „Krankheit­en“ brin­gen und schon deshalb hier nicht hergehören.
Anschließend formiert sich die neon­azis­tis­che Kundge­bung zu einem Demon­stra­tionszug und marschiert, zum Teil auf dem Gehweg, ent­lang der Lin­de­nallee zum Friedrich Wolf The­ater, wo eine Zwis­chenkundge­bung geplant ist. Dort angekom­men, wird eben­falls eine pro­pa­gan­dis­tisch wirk­ende Pose ein­genom­men. Die kommt allerd­ings nicht so zur Gel­tung, denn zuvor hat­te offen­bar die SPD und die IG Met­all Plakate mit der Auf­schrift „Nazis einen Vogel zeigen“ und „Vor­sicht Falle“, auf dem ein in ein­er Mause­falle gefan­ge­nes Hak­enkreuz abge­bildet ist, angebracht.
Trotz­dem ver­ste­hen es die Neon­azis die Szener­ie zu dominieren, da auch bei dieser Zwis­chenkundge­bung geschulte Red­ner auftreten, die aber­mals gegen alles ver­meintlich Nicht­deutsche het­zen. So beispiel­sweise der aus München angereiste Karl Heinz Statzberg­er (Der III. Weg) , welch­er offen die Ansicht ver­tritt, dass wed­er der Islam, noch das Juden­tum zu Deutsch­land gehört. Davon ist er sog­ar so überzeugt, dass er mit weit­eren Neon­azis am 9. Novem­ber 2003 einen Sprengstof­fan­schlag auf die Grund­stein­le­gung des jüdis­chen Gemein­dezen­trums in München plante und deswe­gen recht­skräftig als Mit­glied ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung verurteilt wurde.
Soweit ist die Vere­ini­gung „Ini­tia­tive Zukun­ft statt Über­frem­dung“, hin­ter der sich die „Freien Kräfte Neu­rup­pin / Osthavel­land“ ver­ber­gen anscheinend aber noch nicht. Doch für deren Sprech­er Pierre Bod­din, der im näch­sten Rede­beitrag für den soge­nan­nten „Tag der Deutschen Zukun­ft“ am 6. Juni 2015 in Neu­rup­pin warb, ste­ht auch fest, dass „nicht mehr viel Zeit bleibt, um das Rud­er noch ein­mal rum zu reißen“. „Jedoch“, so Bod­din weit­er, „zu spät für den Erhalt sein­er Art und die Zukun­ft unser­er Kinder zu kämpfen“ sei es nie. Als „Mut machen­des Beispiel“ hier­für nan­nte er die Tumulte in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung von Nauen (Land­kreis Havel­land), bei denen auch er zuge­gen war. Dort hat­ten Neon­azis und „besorgte“ Bürger_innen ver­sucht die Abstim­mung über den Verkauf ein­er Brach­fläche für den Bau eines neuen Asyl­be­wer­ber­heims und damit die Ein­rich­tung ein­er solchen Unterkun­ft an sich zu verhindern.
Anschließend wurde eine „Gedenkz­er­e­monie“ für die „von Aus­län­dern ermorde­ten Deutschen“ zele­bri­ert und dann zum Rathaus zurück­marschiert, wo Maik Eminger, nach ein­er Schweigeminute und der anschließen­den Skandierung eines „dreifachen Frei, Sozial, Nation­al“, die Ver­anstal­tung beendete.
Fotos: hier
 

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