Bundesregierung veröffentlicht bislang geheime Standortliste / Aktionen
militanter Gegner befürchtet
Potsdam — In Brandenburg sind 22 neue großflächige Genmais-Felder mit einer
Anbaufläche von rund 475 Hektar geplant. Fast jeder vierte der 92
Anbaustandorte von gentechnisch manipulierten Pflanzen in der Bundesrepublik
liegt damit im Berliner Umland. Das geht aus dem neuen Standortregister der
Bundesregierung für den Anbau von Genprodukten hervor. Darin werden – eine
Folge des vorigen Donnerstag in Kraft getretenen Gentechnik-Gesetzes –
erstmals die in der Vergangenheit geheim gehaltenen Felder veröffentlicht.
Gen-Maisfelder sind danach unter anderem in Guben (Lausitz), Seelow, Gusow,
Neutrebbin (alles Märkisch–Oderland) und Liebenwalde (Oberhavel) vorgesehen.
Zwar gehöre diese Transparenz zu einer offenen Gesellschaft, sagte
Bauernpräsident Udo Folgart, zugleich SPD-Landtagsabgeordneter, den PNN.
Dennoch hoffe er, dass die neue Offenheit nicht von militanten
Gentechnik-Gegnern ausgenutzt werden. „Nach den Erfahrungen der Vergangenheit
kann man Anschläge leider nicht ausschließen“, so Folgart.
Ähnliche Sorgen gibt es auch im Ministerium für Verbraucherschutz und
ländliche Entwicklung. Sprecher Jens-Uwe Schade erinnert daran, dass
„Versuchsfelder regelmäßig zerstört“ worden sind. „Hier reisen auch
Aktivisten aus Berlin umher.“ Ziel solcher Aktionen waren die bereits
bekannten Versuchsfelder mit gentechnisch veränderten Kartoffeln in
Potsdam-Golm neben dem Max-Planck-Campus sowie in Berge (Prignitz) und in
Dahmsdorf.
„Man verhindert Gentechnik aber nicht, wenn man Felder plattmacht“, sagt Peter
Rudolph, der Gentechnik-Verantwortliche im Ministerium. Er ist zugleich der
so genannte „Koexistenz-Beauftragte“, der zwischen herkömmlicher
Landwirtschaft und den Gentechnik-Landwirten vermittelt. Denn traditionelle
Landwirte und Biobauern sorgen sich, dass ihre Felder durch den Pollenflug
von benachbarten Genpflanzen verseucht werden können. Zwar werden um
Gen-Felder Schutzzonen ausgewiesen, doch praktische Erfahrungen über deren
Wirkung gibt es bislang kaum. Die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm
forderte gestern den sofortigen Anbaustopp für genmanipulierte Pflanzen.
Gentechnik-Gegner rufen seit der Veröffentlichung der Standortliste bereits zu
Protesten auf. Das landesweit operierende „Barnimer Aktionsbündnis gegen
Gentechnik“ hat die neue Karte der Gen-Äcker sofort auf seiner Internetseite
veröffentlicht. „Um Widerstand zu planen stellen wir Euch Informationen zur
Verfügung.“ Noch sei es möglich, dass die Landwirte ihren Plan rückgängig
machen. Auf der Homepage wird ohne Distanzierung auch über zerstörte
Freilandversuchsfelder berichtet.
Die Ortsbeschreibungen der nun bekannt gewordenen neuen Standorte sind bislang
noch allgemein, was sich jedoch demnächst ändern wird. Auf der Homepage des
Bundesverbraucherschutzministeriums kann man den Antrag herunterladen, um die
personenbezogenen Daten des Betreibers oder Ackerbesitzers zu erhalten. Wozu
das führen kann, hat die Potsdamer Biotechfirma Solavista erlebt, die im
Prignitzer Dorf Berge seit einigen Jahren einen Freilandversuch mit
Gen-Kartoffeln betreibt. Auf der Karte des Barnimer Aktionsbündnisses kann
man schon seit längerem die Flurkarte mit der exakten Acker-Lage einsehen.
„Sie stammt aus unserem Genehmigungsantrag“, sagt Solavista-Geschäftsführerin
Martina Döring. Das Feld sei bereits zerstört worden, mehrfach Schauplatz von
Protestaktionen gewesen.