Potsdam (AP) Einheitliche Oberschulen werden ab dem kommenden Schuljahr die bisherigen Gesamt- und Realschulen ablösen. Damit existieren dann mit Oberschule und Gymnasium nach der Grundschule nur noch zwei weiterführende Schultypen. Der Brandenburger Landtag verabschiedete das überarbeitete Schulstrukturgesetz am Mittwoch in Potsdam mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und CDU. Die oppositionelle PDS lehnte das Gesetz ab.
Die neuen Oberschulen sollen Real- und Hauptschulabschlüsse anbieten. Dazu soll auch eine entsprechende Aufteilung der Klassen möglich sein. Hauptschulen gab es in Brandenburg nicht. Die Regierungsparteien SPD und CDU hatten sich auf die Schulstrukturreform in ihren Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl im vergangenen September geeinigt. Damit soll auf den Rückgang der Schülerzahlen im Land reagiert werden. In den Klassenstufen sieben bis zehn soll die Anzahl der Schüler von derzeit 140.000 bis zum Jahr 2008 auf weniger als die Hälfte (62.000) sinken.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kündigte Proteste gegen die Zusammenlegung der knapp 150 Gesamt- und etwa 70 Realschulen im Land an. Der Brandenburger GEW-Vorsitzende Günter Fuchs kritisierte, mit dem neuen Schultyp werde das gegliederte Schulsystem zementiert. Stattdessen müsse jedoch auch auf der Oberschule die Vorbereitung auf das Abitur möglich sein, damit die Schüler flexibel blieben. Die PISA-Studie habe gezeigt, dass gegliederte Schulsystem gescheitert sei. Der Kritik schloss sich auch die PDS an. Auch Bildungspolitiker der SPD hatten bisher für ein möglichst lange offenes Schulsystem plädiert.
Lehrergewerkschaft will Schulgesetz kippen
Potsdam — Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft zum Protest gegen die in Brandenburg geplante Oberschule auf. Mit zahlreichen Aktionen in den nächsten Monaten will die Gewerkschaft das neue Schulgesetz kippen, das die große Koalition morgen gegen den Willen der PDS im Landtag verabschieden wird.
Brandenburgs GEW-Landesvorsitzender Günter Fuchs kündigte gestern ein Gegenkonzept an, das die Gewerkschaft im Frühjahr vorstellen will. Kernpunkt des Alternativvorschlags ist acht Jahre gemeinsames Lernen, bevor sich die Bildungswege der Kinder trennen. Stattdessen müssen sich Kinder und ihre Eltern nach sechs Jahren auf der Grundschule entscheiden, ob Oberschule, Gymnasium oder eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe angesteuert wird. Das ist nach Ansicht der GEW zu früh.
Wenn ab kommendem Schuljahr die Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe und die Realschulen zur neuen Oberschule verschmolzen werden, entsteht nach Ansicht von Fuchs ein System mit geringer Durchlässigkeit. Die Oberschule bietet neben dem Hauptschulabschluß auch den erweiterten Hauptschul- und den Realschulabschluß an.
Die GEW wirft der Regierung vor, eine Chance zu verschenken, indem sie ein dreigliedriges System schafft, statt die Lehren aus der Pisa-Vergleichsstudie zu ziehen. Drei Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Pisa-Erhebung, bei der Deutschland und vor allem Brandenburg unerwartet schlecht abgeschnitten hatten, ist nach Ansicht der GEW eins unstreitig: Längeres gemeinsames Lernen ermöglicht eine individuelle Förderung und schafft auch für Kinder von schlechter gestellten Eltern gerechtere Lernbedingungen. Die GEW fordert in den ersten acht Jahren gleiche Lehrpläne, also “eine Schule für alle”.
Die künftige Oberschule krankt nach Einschätzung der GEW auch an der geringeren Ausstattung. Denn diese soll sich an der Finanzausstattung der bisherigen Realschulen und nicht am hohen Ausstattungsgrad der Gesamtschulen bemessen. Damit die Oberschule funktioniert, seien außerdem bis zu 400 zusätzliche Lehrerstellen nötig, sagte Fuchs.
Heftige Kritik übt die Gewerkschaft an der Ausgabenpolitik der Landesregierung. Indem diese im Doppelhaushalt 2005/6 auch bei der Bildung spart, breche die Koalition ein zentrales Versprechen, das sie im Wahlkampf gegeben hatte. “Bei den Ausgaben für Bildung ist das Land Schlußlicht in Deutschland”, sagte Fuchs.