Theaterstück “Neden?” in Bad Liebenwerdaer Kirche erntete viel Applaus / Rege Teilnahme am Friedensmarsch
(LR, 14.12.) Die Anspannung war den jungen Darstellern am Freitagabend förmlich ins
Gesicht geschrieben. Nur noch wenige Minuten trennten die 25 Schüler der
Jahrgangsstufen elf und acht des Echtermeyer-Gymnasiums von ihrem großen
Auftritt. Unter dem Motto “Gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Frieden”
erlebte das Schülertheaterstück “Neden?” , das aus der Feder von Judith
Rohleder, Caroline Weiz äcker und Sophie Stresse stammt, seine Premiere in
der Bad Liebenwerdaer Kirche St. Nikolai.
Vor der Aufführung des Theaterstückes beherrschte eine herzliche Atmosphäre
die Szenerie. Viele Bad Liebenwerdaer folgten dem Aufruf der Schüler und
brachten Speisen mit in die Kirche. Schnell wuchs auf den bereitgestellten
Tischen ein kaltes Büfett heran, an dem sich Darsteller und Gäste nach der
Aufführung stärken sollten. Am Rande des Geschehens bot ein Stand der
Organisation “Gepa-Fair Handelshaus” Waren von Produzenten aus
Entwicklungsländern an und stieß damit auf regen Zuspruch. Lange Schlangen
bildeten sich auch am Verkaufsstand der Friedenslichter. Die bunt
gestalteten Gläser fanden reißenden Absatz. Jeder einzelne steckte den
Betrag in die Spendenbüchse, der ihm ein solches Friedenslicht wert war. So
mancher Euro wanderte auf diese Art in den Spendentopf. Der komplette Erlös
geht an die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin. Bedauerlicherweise war zur
Aufführung selbst nur etwa über ein Drittel der Kirchenränge gefüllt. Was
aufgrund dessen, dass zeitgleich in und um Bad Liebenwerda weitere
Veranstaltungen stattfanden, dennoch eine gute Resonanz war.
Judith Rohleder übernahm am Freitagabend nicht nur eine der Hauptrollen,
sondern auch die Moderation. Mit einer herzerfrischenden, jugendlichen Art
führte die Mitautorin die Zuschauer durch den Abend. Seinen Anfang fand das
kleine Stück mit Verlesen rechtsradikaler Gewalttaten, die sich nach dem
Mauerfall in Deutschland ereigneten. Erst danach folgte das eigentliche
Schauspiel. Und schnell stellte sich heraus, dass sich die vielen Proben und
das Lampenfieber gelohnt haben. Schon nach den ersten Passagen hatten die
Schüler die Zuschauer in ihren Bann gezogen.
“Neden”” , ins Deutsche übersetzt “Warum”” , erzählt die Geschichte des
jungen Türken Mehmet Demir, der nach Deutschland kam, um hier eine neue
Heimat zu finden. Doch er erfuhr in der Gesellschaft keine Akzeptanz. In
vier Szenen stellten die Schüler Alltagssituationen dar, die das
unscheinbare Leben des Türken widerspiegelten. Wobei die Hauptfigur, Mehmet
Demir, selbst nicht in der Handlung zu erleben war. Der junge Türke wird in
seinem persönlichen Umfeld erst zu dem Zeitpunkt wirklich wahrgenommen, als
er bereits spurlos verschwunden ist. Nur die alte Oma Lotti, die er ab und
an im Pflegeheim besuchte, und seine Freunde vermissen ihn. Wo war er? Ihm
genügte es nicht mehr, als Müllsammler und Putzkraft im Mietshaus oder als
Weihnachtsmann in einem Kaufhaus zu arbeiten. Mehmet Demir brach sein Leben
in Deutschland hinter sich ab und trat den Weg zurück in die Türkei an.
Doch, so gewollt komisch die Inszenierung auch manchmal beim Publikum ankam,
die Aussage des Stückes war alles andere als lustig. Und das bemerkte
spätestens auch der letzte Zuschauer in den Rängen, als die Abschlussszene
verlesen wurde. Ein Übergriff rechtsradikaler Jugendlicher auf Mehmet Demir
beendete seine Heimreise jäh. Trotz schneller Hilfe erlag er im Krankenhaus
seinen schweren Verletzungen — ein Türke, der eine neue Heimat suchte, fand
den Tod. Und so verspürte wohl mancher Gast im Publikum einen Kloß im Hals,
als US-Austauschschülerin Elaine Fitter mit sanfter, aber kräftiger Stimme
den emotionsgeladenen Titel “Belong” von Chris Rice durch die Kirche
erklingen ließ.
Kräftiger, langanhaltender Applaus belohnte schließlich die Schüler für ihre
wochenlange Arbeit. Viel Lob gab es auch aus den Reihen des Publikums. Immer
wieder waren anerkennende Worte für die Darsteller und ihr Engagement zu
vernehmen. Dies konnten dann auch Inge Leonhardt und Antje Becker, beide aus
Bad Liebenwerda, bestätigen. Beiden Frauen hat das Stück sehr gut gefallen.
Und sie fanden es gut und wichtig, dieses Thema aufzugreifen. Die
Echtermeyer-Schüler zeigten sich nach der Aufführung überaus zufrieden mit
sich und ihrer gezeigten Leistung, war von Judith Rohleder zu erfahren.
Beim anschließenden Friedensmarsch durch die Innenstadt waren viele
Gesichter zu entdecken, die noch vor wenigen Minuten in den Rängen zu sehen
waren.
Hintergrund Die Stiftung
Der Namensgeber der Stiftung, Amadeu Antonio Kiowa, wurde 1990 in einer
brandenburgischen Kleinstadt von rechtsextremen Jugendlichen zu Tode
geprügelt. Er war eines der ersten Todesopfer rassistischer Gewalt nach dem
Fall der Mauer. Die Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und engagiert sich im Kampf gegen
Rechtsextremismus und Antisemitismus. Infos im Internet unter
www.amadeu-antonio-stiftung.de .