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Brandenburger Aktivist beim No Border Camp in Strasbourg verhaftet

Am derzeit stat­tfind­e­nen No Bor­der Camp in Stras­bourg (Frankre­ich) nimmt auch eine groessere Anzahl Bran­den­burg­er AktivistIn­nen teil. Ein­er von diesen ist Mick­ey aus Neu­rup­pin, der am Mittwoch bei ein­er Demo gegen
Abschiebege­faeng­nisse ver­haftet wurde. Mit­tler­weile ist er nach 24stündiger Haft aber wieder freige­lassen wor­den. Hier ein Inter­view zu seinen Erleb­nis­sen im franzö­sis­chen Polizeigewahrsam. 

Der Ver­lauf der Demo wird unter den Campteil­nehmerIn­nen übri­gens sehr unter­schiedlich bew­ertet und viel disku­tiert, ins­beson­dere in Hin­blick auf die mil­i­tan­ten Aktio­nen eines Teils der Beteiligten. Auf Indy­media sowie den No Bor­der Seit­en lässt sich diese Auseinan­der­set­zung recht gut nachvol­lziehen und es kön­nen Berichte von der Demo einge­se­hen werden. 

Mick­ey, gestern abend bist du von der Polizei freige­lassen wor­den. Erzähl doch mal, wie die die Demo bis zu dein­er Fes­t­nahme erlebt hast.

Ich hat­te gehört, das die Demo ver­boten sei, das war aber mehr ein wirres Gerücht. Deswe­gen und auch weil ich Magen­prob­leme hat­te, war ich mir nicht sich­er, ob ich über­haupt hinge­hen sollte. Weil mir das The­ma aber wichtig
ist — ich bin eben für die Abschaf­fung von solchen Ein­rich­tun­gen — bin ich trotz­dem hinge­gan­gen. Mit einem mul­mi­gen Gefuehl. Ich war mit drei anderen Leuten unter­wegs und alles lief einiger­massen OK, bis dann die Polizei in der Stras­bourg­er Innen­stadt anf­ing, Trä­nen­gas auf uns zu
schiessen. Da hab ich gedacht, jet­zt gehts ab, es wird heftig. Das war mir und den anderen nichts, wir sind in die Spitze der Demo ger­an­nt. Von hin­ten kamen ja die Bullen. Es ging über den Mark­t­platz in eine Fußgänger­zone. Ich hörte Scheiben klirren. 

Wie bist du dann ver­haftet worden?

Plöt­zlich ging alles ganz schnell, es lief wie ein Film ab. Ein Zivibulle hat­te es auf mich abge­se­hen, er wollte auf mich ein­pruegeln. Ein­fach so, ich hat­te nichts getan. Ich bin in ein Geschaeft ger­an­nt und habe mich hin­ter den Tre­sen gefluechtet. Der Bulle kam hin­ter­her. Der war
ganz fix­iert auf mich und hat gle­ich ange­fan­gen, mit seinem Knüp­pel auf mich einzuprügeln. Etwa zwei Minuten lang. Er hat mich dabei auf ange­brüllt, auf Franzö­sisch und auch auf Deutsch: “Steh auf!” Wenn ich dann hoch wollte, prügelte er mich gle­ich wieder nieder. Das Spielchen wieder­holte sich mehrmals. 

Waren noch mehr Leute in dem Laden?

Ja, Kun­den, Angestellte, auch andere geflüchtete Demon­stran­tInnen. Drei Zivibullen waren auch noch dabei. Eine Frau war eben­falls hin­ter dem Tre­sen und hat ver­sucht, den Bullen dazu zu brin­gen, von mir abzu­lassen. Das hat aber nicht viel gebracht. Ich habe das alles wenig
mit­bekom­men. Wie gesagt: Es war wie im Film. Die Schläge haben nicht ein­mal wirk­lich geschmerzt in dem Moment. Das kam erst spaeter. 

Wie ging es weiter?

Der Bulle zer­rte mich hoch, hielt mich an den Haaren fest. So stand er im Laden herum und prügelte noch eine andere Frau zusam­men. Er schrie, sie solle raus­ge­hen. Aber die war so geschockt und ver­heult, die kon­nte sich kaum bewe­gen, erst Recht nicht bei all den Schlä­gen. Dann schlug er noch
ein­mal extrem hart auf die Brust der Frau, sie sack­te zusam­men. Schließlich zer­rte er mich nach draußen. Ich lag auf dem Bauch, die Hände über dem Rück­en ver­schränkt. Er meinte, ich solle ruhig bleiben, das war ich auch, aber
ab und zu trat er trotz­dem noch mal auf mich ein.

Nach fünf Minuten wurde ich mit ein paar anderen in eine Bul­len­wanne ges­per­rt. Wir wartetetn etwa 20 Minuten und dann ging es mit einem nor­malen Polizeiau­to auf das Polizeire­vi­er, das Hotel de Police. Das Teil heisst wirk­lich so. 

Da waren noch mehr Verhaftete?

Ja, unge­fähr fün­fzehn. Einem blutete die Nase wie ver­rückt. Er wollte einen Arzt doch der kam erst nach ins­ge­samt einein­halb Stun­den und machte nur eine ganz kurze ambu­lante Behand­lung. Mir wur­den die Hand­schellen abgenom­men und Kabel­binder angelegt. Die Fes­seln waren extrem fest, meine Hände schwollen an und wur­den blau, ich kon­nte sie nicht mehr spüren. Bei einem anderen fin­gen die Hände sog­ar an zu bluten. Zum Glück wur­den die Kabel­binder aber irgend­wann ein bißchen gelockert. 

Dann kamst du in eine Zelle?

Ich kam in ein Büro, meine Per­son­alien wur­den aufgenom­men, ich musste meinen per­sön­lichen Kram abgeben. Die Fes­seln kamen auch ab. Dann wurde ich drei Eta­gen nach unten gebracht und in eine Zelle gesperrt. 

Beschreibe mal, wie es in der Zelle war und was bis zu dein­er Freilas­sung geschah.

Ich sprach erst ein­mal ganz kurz mit ein­er Anwältin. Die kon­nte mir aber nicht viel sagen. Das mir zuste­hende Tele­fonat wurde mir ver­weigert — irgendw­er rief
aber beim Legal Team vom Camp an und sagte durch, das ich festgenom­men sei. Die Knas­tan­lage war ein Ron­dell, in der Mitte die Wächter, außen die Zellen. Ich war die ganze Zeit allein einges­per­rt. Der Raum war erstaunlich groß, größer als ich mir so etwas vorgestellt hätte. Ein blauer Boden, ein Holz­ab­satz als Bett, son­st gar nichts. Sehr karg also. Die Tür hat­te ein Glas­fen­ster durch das immer wieder die
Bullen durch­schaut­en. Ich kon­nte dadurch aber auch die anderen Gefan­genen sehen. Essen oder zu Trinken gab es nicht, aufs Klo durfte man alle zwei Stun­den. Da gab es einen Wasser­hahn, dort trank ich dann immer ein biss­chen. Das Schlimm­ste an de Knas­taufen­thalt war ein­er­seits die Ungewis­sheit: Ich wusste ja nicht, was mir über­haupt vorge­wor­fen wird und auch nicht, wie lange ich bleiben müsste. Ander­er­seits liefen die Bullen auch immer mal
wieder an den Zellen vor­bei und schwan­gen ihre Knüp­pel, schimpften, schlu­gen gegen die Türen. Psychoterror. 

Was sagten sie zu euch?

Vieles ver­stand ich nicht. Ein­mal sagte ein­er, dass sie jet­zt mit uns auch mal Anar­chie machen wür­den oder so etwas. 

Hast du dich eigentlich noch krank gefühlt, wie auf der Demo?

Nein, das war weg. Dafür schmerzten die Schläge. 

Du wur­dest auch verhört?

Ja. Eine dreivier­tel Stunde lang. Da kamen so Fra­gen, warum ich denn ver­mummt gewe­sen wäre. Naja, ich war ja nicht ver­mummt. Die Über­set­zerin sagte mir igend­wann, das der Bulle mich am lieb­sten total zusam­men­scheißen würde, weil ich dumm sei und er mir nicht glaube. 

Du hast also Aus­sagen gemacht.

Ich weiß, dass man in solchen Sit­u­a­tio­nen nichts sagen sollte. Aber alle vor mir hat­ten Ausage gemacht, ich dann auch. Viel gesagt hab ich nicht. Da spielte auch die Angst mit hinein, dass sie mich noch schlechter behan­deln wür­den, wenn ich die Aus­sage ver­weigern würde. 

Wann wur­dest du freigelassen?

Ich bekam erst ein­mal doch noch etwas zu essen. Ein Käse­brötchen. Ich bin veg­an, das kon­nte ich also nicht essen. Ich habe es schließlich geschafft, noch ein paar Stun­den in der Zelle zu schlafen. Dann ging die Zellentür
auf: Ich bekam meine Sachen zurück und wurde freige­lassen. Der Vor­wurf gegen mich ist übri­gens, dass ich an ein­er bewaffneten Ver­samm­lung teilgenom­men haben soll. 

Wie war der Emp­fang nach dein­er Freilassung?

Ich wurde abge­holt, bekam ein Bier und rauchte erst ein­mal wie ein Ver­rück­ter. Das durfte ich ja im Knast nicht, ich hat­te da einiges nachzu­holen. Auf dem Camp haben die Leute mich dann noch ganz süß mit einem Präsen­tko­rb begrüsst. 

Hast du dich mit den anderen Ver­hafteten schon getroffen?

Ja, wir haben Gedächt­nis­pro­tokolle geschrieben und alles mit dem Legal Team durchge­sprochen. Ins­ge­samt wur­den bei der Demo 21 Leute ver­haftet. Bis auf einen sind inzwis­chen alle wieder frei. Dieser eine sollte heute im Schnel­lver­fahren verurteilt wer­den, hat den P
rozess aber ver­weigert und bleibt jet­zt erst ein­mal bis min­destens Mitte August inhaftiert. 

Wie beurteilst du die Demo ins­ge­samt? Es gibt hier auf dem Camp ja viel Kri­tik am Ablauf der ganzen Sache. Zum Beispiel am Auftreten des Black Bloc.

Da hab ich mir bish­er noch kein Bild machen kön­nen. Ich habe ja nicht die ganze Demo und auch nicht die Diskus­sio­nen danach erlebt. An dem Knasterlebnis -
so etwas ist mir noch nie passiert — habe ich ger­ade genug zu knab­bern. Was mir auf­stösst und was mir auch in Erin­nerung bleiben wird ist vor allem die Bru­tal­ität der Polizei. 

Vie­len Dank, Mick­ey, das du dir Zeit genom­men hast.

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