(Andrea Beyerlein) POTSDAM. Wer hat Angst vor Jörg Schönbohm? 39 Prozent der Brandenburger. Das
jedenfalls hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest für den Fall ergeben, dass der CDU-Chef Ministerpräsident würde. Auftraggeber der Umfrage war Schönbohms Koalitionspartner SPD. Allein die Fragestellung
sorgte in Potsdam am Donnerstag für heftige Irritationen. Vor allem natürlich bei der Union: “Das überschreitet die Grenze des guten Geschmacks. Das ist unverschämt!”, schimpfte CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek.
Partei-Vize Sven Petke sagte: “Das ist herabwürdigend, fast
menschenverachtend.”
Seit der CDU-Vorsitzende vor zwei Monaten bekannte, er strebe bei den
Landtagswahlen im September an, die SPD als stärkste Kraft abzulösen und
Regierungschef zu werden, stellen sich die SPD-Strategen auf einen Wahlkampf
Mann gegen Mann ein: SPD-Chef Matthias Platzeck gegen Schönbohm. “Etwas
besseres hätte uns gar nicht passieren können”, glaubt Landesgeschäftsführer
Klaus Ness.
Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2002 erreicht Platzeck, der im Dezember 50
Jahre alt wird, mit Abstand höhere Sympathiewerte als der 66-jährige
Ex-General. Dazu ließ die SPD Untersuchungen anstellen. Im Mai — noch vor
Schönbohms Ankündigung — bei infratest, im November — nach den
Kommunalwahlen — bei Forsa. Und stets sah sich Ness bestätigt.
Auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf wird Platzeck trotz der
depressiven Stimmung im Land mit 1,4 bewertet, während Schönbohm bei 0,1
liegt. 73 Prozent der Befragten glauben, Platzeck setze sich für die
Interessen Ostdeutschlands ein (Schönbohm: 29). 63 Prozent sagen, der
SPD-Chef “ist einer von uns” (Schönbohm: 19) und 51 Prozent, er setzte sich
für Familien und Kinder ein (Schönbohm: 26). “Er handelt aus Überzeugung” -
das nehmen dem zurückhaltenderen Platzeck 69 Prozent ab, elf Prozent mehr
als dem streitbaren CDU-Chef. Beim Einsatz zum Abbau von Bürokratie -
erklärtes Ziel der Koalition und von Schönbohm besonders lautstark
postuliert — sind beide Werte kaum überzeugend. Mit 33 Prozent rangiert der
Regierungschef aber selbst dort noch elf Punkte vor seinem Stellvertreter.
52 Prozent der Befragten sprachen sich für Platzeck als Ministerpräsident
aus, für Schönbohm 19. Selbst unter CDU-Anhängern gäben noch 23 Prozent
Platzeck den Vorzug, 59 ihrem Parteichef.
Angesichts dieser Persönlichkeitswerte stichelt der
SPD-Landesgeschäftsführer: “Schönbohm ist für die CDU eher ein Problem als
eine Wahlkampf-Lokomotive.” Zumal in der heißen Phase des Wahlkampfes die
Personalisierung noch zunehmen werde. Ness setzt bereits auf eine
“Brandenburg-Wahl”.
Bei der Sonntagsfrage liegen beide Koalitionsparteien laut Forsa mit 34
Prozent im November gleich auf. Ähnliche Umfrage-Ergebnisse gab es im Mai
und im Sommer. Jedoch auch kurz vor den Kommunalwahlen im Oktober, bei denen
die SPD mit 23,5 Prozent eingebrochen und die CDU mit 27,8 Wahlsieger
geworden war. Zulegen konnte allein die PDS um zwei auf 21 Prozent. Die
Grünen blieben bei vier Prozent. Die FDP müsste wieder um die Rückkehr in
den Landtag bangen, sackt von sechs auf drei Prozent ab.
CDU-General Lunacek bewertet den Trend für seine Partei positiv. Die
Versuche, die Union und Schönbohm zu diskreditieren belegten aber, in welch
schwieriger Situation sich die SPD befinde. “Bei den Wahlen geht es darum,
wem zugetraut wird, das Land nach vorne zu bringen. Da sind wir gut
aufgestellt”, sagte Lunacek. Und Parteivize Petke warnte die SPD davor,
einen “Spaltungswahlkampf” zu entfachen.