POTSDAM Brandenburgs größter Händler von rechtsextremer Musik, Sven S. aus
Borkwalde (Potsdam-Mittelmark), hat sein Versand-Imperium offenbar
zeitweilig unter dem Schutz des Landeskriminalamts (LKA) aufgebaut. Nach
Informationen der MAZ hat der 24-Jährige als V‑Mann für die Behörde
gearbeitet und mit dem Verkauf von Hass-Musik und Nazi-Devotionalien ein
mittleres Vermögen angehäuft. Bei einer Razzia fiel den Ermittlern ein
Sparbuch mit einer Einlage von rund 150 000 Euro in die Hände.
“Sven S. war V‑Mann des LKA”, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Anwerbung
soll Ende 2000 erfolgt sein, wenige Monate nach dem von Bundesinnenminister
Otto Schily (SPD) veranlassten Verbot der militanten Skinhead-Gruppe “Blood
& Honour” im September 2000. Der in Belzig geborene Sven S. war
Brandenburg-Chef dieser kriminellen Vereinigung und galt damit als einer der
einflussreichsten und bestinformierten Neonazis.
Die Zusammenarbeit von Sven S. mit dem LKA muss bisweilen bizarre Züge
angenommen haben. Häufig soll der Neonazi mit neuen Hass-CDs beim LKA
erschienen sein. Die Behörde habe dann auf seine Bitte hin die Tonträger
nach dem Motto geprüft: “Das darfst du verkaufen, das nicht.” So erfuhr Sven
S., welche CDs er bedenkenlos verkaufen durfte, ohne den Staatsanwalt
fürchten zu müssen.
Was mit CDs geschah, die auf dem staatlichen Index standen, ist ungewiss.
Insider gehen davon aus, dass Sven S. auch verbotene Musik vertrieb — als
Bückware. Einmal wurde er deshalb wegen Volksverhetzung verurteilt. Im
Dezember 2002 verhängte das Amtsgericht Brandenburg/Havel gegen ihn eine
Freiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung. Die Polizei hatte in
Schneiders Wohnung 2000 Cover der verbotenen CD “Nordmacht — Ihre Ehre heißt
Treue” entdeckt. Später stießen die Ermittler zudem auf 500 Exemplare der
“Landser”-CD “Ran an den Feind”. Auf dieser CD ruft die Band, die derzeit
als kriminelle Vereinigung angeklagt wird, zum Mord auch an
Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg auf.
Pikanterweise wurden die 500 “Landser”-CDs am 25. Januar 2001 nicht bei Sven
S. gefunden, sondern in einer Borkwalder Wohnung, die er zuvor mit einem
befreundeten Neonazi bewohnt hatte. Sein Name: Christian K. Sein Beruf:
V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Bis zu 150 Euro, manchmal
mehr, soll er für seine Spitzeltätigkeit erhalten haben.
Zwei Wochen nach der Durchsuchung am 25. Januar 2001 führten die zwei
ehemaligen Mitglieder der Borkwalder V‑Mann-Kommune ein folgenreiches
Telefonat. Gegen Mittag des 6. Februar hatte Geheimdienst-Spitzel Christian
K. offenbar von seinem V‑Mann-Führer das Datum einer großen Polizeirazzia
gegen die Potsdamer Neonazi-Szene erfahren. Der Spitzel griff zum Hörer und
rief seinen Freund Sven S. an. Die beiden verabredeten ein schnelles
Treffen.
Sie ahnten jedoch nicht, dass ein Mitarbeiter des LKA das Gespräch im
Auftrag der Potsdamer Staatsanwaltschaft abhörte. Dass Geheimdienst-Spitzel
Christian K. die Razzia verriet, wurde der Potsdamer Polizei am nächsten Tag
mitgeteilt. Die Razzia wurde daraufhin eilig vorgezogen, allerdings mit
dürftigem Erfolg.
Rätselhaft ist jedoch, warum das LKA die Staatsanwaltschaft Potsdam nie
deutlich über diesen Verrat informierte. Immerhin betraf er auch Sven S.,
den die Anklagebehörde im Visier hatte.
Überhaupt bleibt die Rolle des mutmaßlichen LKA-Spitzels Sven S. dubios.
Angeblich, so wird kolportiert, habe er seinem Freund Christian K. zu
erkennen gegeben, dass er das geplante Datum der Polizeirazzia schon vor dem
Warnanruf kannte. Insider schließen nicht aus, dass Sven S. von einem
Mitarbeiter des LKA informiert worden war — weil das LKA verhindern wollte,
dass sein V‑Mann bei der Razzia enttarnt würde. Möglicherweise wollte man
ihm Gelegenheit geben, verbotenes Material verschwinden zu lassen. Wie
leicht ein V‑Mann enttarnt werden kann, hatte sich bei der Durchsuchung am
25. Januar gezeigt. Bei Sven S. entdeckte die Polizei eine CD mit dem
Fingerabdruck eines Neonazis aus Cottbus. Name: Toni S. Beruf: CD-Händler
und V‑Mann des märkischen Verfassungsschutzes. Im Juli 2002 wurde er
enttarnt — von Berliner Behörden. Im Dezember 2002 wurde er zu zwei Jahren
auf Bewährung verurteilt.