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Brandenburger Verfassungsschutz verleumdet World Socialist Web Site

(Infori­ot) Im fol­gen­den doku­men­tieren wir einen Beitrag der trotzk­istisch ori­en­tierten “World Social­ist Website”.

(World Social­ist Web Site, 18.10.03) Der Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg hat auf sein­er Online-Seite einen Artikel veröf­fentlicht, der der World Social­ist Web Site (WSWS) die Förderung von Gewalt­bere­itschaft vor­wirft und sie in das Umfeld des gewalt­täti­gen “link­sex­trem­istis­chen Spek­trums” rückt. Die Redak­tion der WSWS weist diese ver­leumderische Unter­stel­lung in aller Schärfe zurück und behält sich rechtlich Schritte vor, um den Ver­fas­sungss­chutz zur Rück­nahme des Berichts und zur Veröf­fentlichung ein­er Gegen­darstel­lung zu zwingen. 

Es han­delt sich bei dem Bericht des Ver­fas­sungss­chutzes um eine bösar­tige Ver­leum­dung ein­er Pub­lika­tion, die sozial­is­tis­che und demokratis­che Ziele ver­fol­gt, und um einen Angriff auf die Mei­n­ungs­frei­heit durch eine Behörde, die vorge­blich dem Schutz der Ver­fas­sung verpflichtet ist. 

Der Ver­fas­sungss­chutz begrün­det seine Unter­stel­lun­gen damit, dass nach einem Anschlag auf die Aus­län­der­be­hörde von Frank­furt (Oder) der Abdruck eines Artikels gefun­den wurde, der zweiein­halb Jahre zuvor auf der WSWS erschienen war. Unbekan­nte Täter hat­ten in der Nacht zum 16. Sep­tem­ber die Fen­ster der Behörde eingeschla­gen, eine übel­riechende Flüs­sigkeit in die Räume gewor­fen, die Schlöss­er der Außen­türen mit Klebestoff gefüllt und Parolen auf den Giebel gesprüht. 

Obwohl dem WSWS-Artikel, der sich kri­tisch mit der Flüchtlingspoli­tik der Bun­desregierung auseinan­der­set­zt, “strafrechtlich nichts vorzuw­er­fen” ist, wie der Ver­fas­sungss­chutz selb­st fest­stellt, wertet er ihn als Beweis für “den link­sex­trem­istis­chen Hin­ter­grund der Tat”. Er behauptet, der Artikel rei­he “sich ein in eine Serie ähn­lich­er Veröf­fentlichun­gen, die in ihrer Summe Gewalt­bere­itschaft fördern oder direkt her­vor­rufen”, und schließt mit den Worten: “Mit solchen Tex­ten ist die Straße zur Straftat gepflastert.” 

Dazu ist fol­gen­des festzustellen: 

1. Die World Social­ist Web Site ist keine “link­sex­treme” son­dern eine sozial­is­tis­che Pub­lika­tion. Her­aus­gegeben vom Inter­na­tionalen Komi­tee der Vierten Inter­na­tionale und sein­er deutschen Sek­tion, der Partei für Soziale Gle­ich­heit (PSG), tritt sie für eine sozial­is­tis­che Ori­en­tierung und die Vertei­di­gung demokratis­ch­er und sozialer Rechte ein. Die PSG hat wieder­holt an Wahlen teilgenom­men und ist vom Bun­deswahlleit­er als Partei anerkan­nt. Sie lehnt die Meth­o­d­en indi­vidu­eller Gewal­tan­wen­dung aus grund­sät­zlichen Erwä­gun­gen ab. 

2. Der am Tatort vorge­fun­dene Artikel, der am 24. Feb­ru­ar 2001 unter der Über­schrift “Abschiebe­poli­tik und Gren­zregime, die tödlichen Fol­gen deutsch­er Flüchtlingspoli­tik” auf der WSWS veröf­fentlicht wurde, kri­tisiert die staatliche Aus­län­der­poli­tik. Er ist sowohl in sein­er Darstel­lung der Tat­sachen wie in sein­er Wer­tung kor­rekt. Er prangert die empören­den Zustände an den deutschen und €päis­chen Gren­zen an und nen­nt konkrete Zahlen über die Zahl der Opfer. Er stützt sich dabei auf nach­prüf­bare und all­ge­mein zugängliche Quellen, unter anderem das ARD-Mag­a­zin Mon­i­tor, die Anti­ras­sis­tis­chen Intia­tive Berlin (ARI) sowie die tageszeitung. Der Artikel geißelt die Dop­pelzüngigkeit der Bun­desregierung, die “Gewalt gegen Aus­län­der, die von Neon­azis und Ras­sis­ten auf der Straße verübt wird”, rou­tinemäßig anprangert, während sie “mit ihrer Abschiebe- und Abschot­tungspoli­tik… den Nazis vor­ma­cht, dass das Leben eines “uner­wün­scht­en” Aus­län­ders in Deutsch­land nichts wert ist”. 

3. Der Vor­wurf des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes, die Veröf­fentlichung eines der­ar­ti­gen Artikels fördere Gewalt­bere­itschaft oder rufe diese direkt her­vor, hat weit­ge­hende Imp­lika­tio­nen. Er rückt jede Kri­tik an der offiziellen Poli­tik in den Dun­stkreis straf­bar­er Hand­lun­gen. Es reicht aus, dass irgend ein Wirrkopf oder Pro­voka­teur einige Scheiben ein­wirft, um poli­tis­chen Geg­n­ern der Regierung das Maul zu stopfen. Mit der­sel­ben Begrün­dung kön­nte man sämtliche Kri­tik­er der “Agen­da 2010” dafür ver­ant­wortlich machen, wenn ein verzweifel­ter Arbeit­slos­er oder Sozial­hil­feempfänger Amok läuft. Oder man kön­nte den Geg­n­ern des Euro in Schwe­den vor­w­er­fen, sie hät­ten “die Straße” zum Mord an Anna Lindt “gepflastert”, die als promi­nente Euro-Befür­wor­terin auf dem Höhep­unkt der Ref­er­en­dum­skam­pagne umge­bracht wurde. 

4. Diese Art der Argu­men­ta­tion erin­nert an die dunkel­sten Abschnitte der deutschen Geschichte. Es gibt hierzu­lande langjährige Erfahrun­gen mit Polizeis­taat­en, dem faschis­tis­chen wie dem stal­in­is­tis­chen. Die Polizeiap­pa­rate der­ar­tiger Regime behaupten stets, poli­tis­che Kri­tik an der Regierung sei gle­ichbe­deu­tend mit der Unter­stützung von Gewalt — und recht­fer­ti­gen damit die Unter­drück­ung ihrer poli­tis­chen Geg­n­er. Das von der Ver­fas­sung geschützte Recht auf Mei­n­ungs­frei­heit schließt dage­gen aus­drück­lich das Recht ein, die Regierung zu kri­tisieren, ohne deshalb der Förderung von Straftat­en verdächtigt zu werden. 

5. Der Ver­fas­sungss­chutz recht­fer­tigt den gegen die WSWS erhobe­nen Vor­wurf des “Link­sex­trem­is­mus” mit einem Amal­gam aus Halb­wahrheit­en und Unter­stel­lun­gen. Ein­er­seits behauptet er, der auf der WSWS pub­lizierte Text verdeut­liche “den link­sex­trem­istis­chen Hin­ter­grund der Tat”. Ander­er­seits begrün­det er den ange­blich link­sex­trem­istis­chen Charak­ter des Texts damit, dass dieser am Tatort gefun­den wurde. Ein offen­sichtlich­er Zirkelschluss. 

Weil sich in dem Artikel nichts find­et, was auch nur ent­fer­nt als Befür­wor­tung von Gewalt aus­gelegt wer­den kön­nte, unter­schiebt ihm der Ver­fas­sungss­chutz ein­fach selb­ster­fun­dene Aus­sagen. Er schreibt, “in vie­len link­sex­trem­istis­chen Veröf­fentlichun­gen” werde “argu­men­tiert, dass der Staat durch sein Han­deln Recht­sex­trem­is­ten ger­adezu ermutige, gegen Aus­län­der und Flüchtlinge gewalt­sam aktiv zu wer­den. Der Staat zeige damit sein wahres — faschis­tis­ches — Gesicht. Deshalb müssten Antifaschis­ten auch im Staat ihren Feind sehen.” 

Auch hier bedi­ent sich der Ver­fas­sungss­chutz eines Zirkelschlusses. Er behauptet, der Artikel der WSWS sei “link­sex­trem­istisch”, und “beweist” dies, indem er Aus­sagen fik­tiv­er “link­sex­trem­istis­ch­er Veröf­fentlichun­gen” anführt, die in dieser Form wed­er in dem vorge­fun­de­nen noch in einem anderen auf der WSWS pub­lizierten Artikel jemals gemacht wur­den. Die Aus­sage, der Staat “zeige sein wahres — faschis­tis­ches — Gesicht”, die stark an die dumme und banale Sprache der RAF erin­nert, wird der WSWS schlicht unter­stellt und ist vom Ver­fas­sungss­chutz frei erfunden. 

6. Es ist bekan­nt und in zahlre­ichen Fällen nachgewiesen, dass der Ver­fas­sungss­chutz mit Meth­o­d­en der Infil­tra­tion und Pro­voka­tion arbeit­et. Er hat die recht­sex­treme Szene umfassend infil­tri­ert und V‑Leute des Ver­fas­sungss­chutzes waren teil­weise selb­st an Gewalt­tat­en beteiligt. 

Schon Ende der siebziger Jahre sprengten Ver­fas­sungss­chutza­gen­ten ein Loch in die Mauer der Haf­tanstalt von Celle, um einen gewalt­samen Befreiungsver­such eines ange­blichen RAF-Häftlings vorzutäuschen. Und erst in diesem Früh­jahr ist das Ver­botsver­fahren gegen die NPD gescheit­ert, weil jed­er siebte Führungskad­er der Partei auf der Gehalt­sliste des Ver­fas­sungss­chutzes stand, so dass man bei vie­len Aktiv­itäten der NPD “von ein­er Ver­anstal­tung des Staates” sprechen musste, wie ein Ver­fas­sungsrichter anmerk­te. In Bran­den­burg sind mehrere Fälle bekan­nt, in denen der Ver­fas­sungss­chutz gewalt­tätige Recht­sex­treme anheuerte. Auch die link­sex­treme Szene wird mit ähn­lichen Mit­teln unter­wan­dert, ins­beson­dere in einem Bun­des­land, dessen Innen­min­is­ter immer wieder davor warnt,
dass angesichts der recht­en Gewalt die “Gefahr des Link­sex­trem­is­mus” unter­schätzt werde. 

Angesichts dieser Sit­u­a­tion muss die Frage gestellt wer­den: Waren Agen­ten des Ver­fas­sungss­chutzes am Anschlag auf die Frank­furter Aus­län­der­be­hörde am 16. Sep­tem­ber beteiligt? Weiß der Ver­fas­sungss­chutz mehr, als er zugibt? Hat­te er bei der Hin­ter­legung des WSWS-Artikels selb­st die Hände im Spiel? 

Es gibt ein merk­würdi­ges Missver­hält­nis zwis­chen den Vor­wür­fen gegen die WSWS und den Ermit­tlun­gen über den Tather­gang. Laut Aus­sage der zuständi­gen Staat­san­waltschaft haben die Ermit­tlun­gen nach zwei Wochen noch kein Ergeb­nis erbracht. Sie wer­den offen­bar nur mit geringem Aufwand ver­fol­gt. Der Ver­fas­sungss­chutz hat dage­gen schon kurz nach der Tat einen Artikel veröf­fentlicht, der nur wenige Zeilen über den Anschlag selb­st enthält und zu vier Fün­fteln aus Angrif­f­en gegen die WSWS besteht. 

Siehe auch:

Abschiebe­poli­tik und Grenzregime

(24. Feb­ru­ar 2001)

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