(Verfassungsschutz Brandenburg, 12.10.) Jeder Vergleich hinkt. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten z.B. sehen anders aus als solche mit einem linksextremistischen Hintergrund. Selbst wenn in beiden Fällen ähnliche Mittel eingesetzt werden, unterscheiden sie sich doch in Absicht und Zielrichtung. Vergleichen lassen sie sich also nicht. Aber eines haben sie mindestens gemeinsam: Sie zeigen, welche Gegner die Demokratie von verschiedenen Seiten her gleichermaßen angreifen.
Nehmen wir zwei recht unterschiedliche Attacken, die am 10. bzw. 12. Oktober stattfanden. Beide Male waren Schmierer am Werk.
Die einen schrieben im 10. Oktober auf die Fassade der CDU-Geschäftsstelle in Frankfurt (Oder): „Schönbohm feiert: zehn Jahre Abschaffung des Asylrechts” und schlugen zwei Fensterscheiben ein. Die anderen hängten zwei Tage später an der Gedenkstätte Ravensbrück ein Schild mit der Aufschrift “Tod der ZOG” und der Abbildung eines durchgestrichenen Davidsterns an einer Skulptur auf und beschrifteten eine weitere mit “C 18”.
Bekennerschreiben zur Erläuterung
Die Täter von Frankfurt (Oder) hinterließen ein Bekennerschreiben, mit dem sie ihren Anschlag erklären wollen. Darin behaupten sie, die CDU habe seit ihrem Bestehen offen oder verdeckt gemeinsame Sache mit Nazis gemacht; in der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland habe sie vielen ehemaligen Nationalsozialisten politische Karrieren ermöglicht. Ausländerfeindlich sei die Änderung des Asylrechts, die eine von der CDU getragene Bundesregierung 1993 durchgesetzt habe, ausländerfeindlich auch die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im hessischen Landeswahlkampf 2000.
Das Bekennerschreiben zitiert aus einem Brief, mit dem die NPD sich bei der CDU in Frankfurt (Oder) erkundigt haben soll, wann eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auch in Brandenburg stattfinde. Aus diesem Schreiben schlussfolgert der Autor des Bekennerbriefes eine enge Verzahnung von CDU und Rechtsextremisten.
Dasselbe Zitat aus dem NPD-Brief wird übrigens auf einer Website der “JungdemokratInnen/Junge Linke” (JD/JL) angeführt. Dies belegt noch keinen direkten Bezug dieser Organisation zum Anschlag in Frankfurt (Oder). Doch zeigt sich hier mindestens, aus welchen politischen Zusammenhängen die Auffassungen stammen, die dem Bekennerschreiben zugrunde liegen.
ZOG und C 18
Während die einen schriftlich erklären, was ihre Tat ausgelöst habe, gehen die anderen offenbar davon aus, dass sie auch ohne weitere Erläuterungen verstanden werden. Die Täter von Ravensbrück jedenfalls haben kein Bekennerschreiben hinterlassen. Doch muss man schon mit den in der rechtsextremistischen Szene gängigen Abkürzungen vertraut sein, um die Botschaft der Ravensbrücker Schmierereien zu verstehen.
Das Kürzel ZOG ist aufzulösen in “Zionist Occupied Government” (“zionistisch okkupierte Regierung”). Dahinter verbirgt sich eine kompakte und unter Neonazis weit verbreitete Verschwörungstheorie: Die aktuelle Regierung in Deutschland sei jüdischem Einfluss unterworfen. Das Zentrum dieser angeblichen Verschwörung liege an der US-amerikanischen Ostküste, von wo aus das jüdische Finanzkapital nach der Weltherrschaft strebe. Die Zionisten und ihre Lakaien wollten den Deutschen ein schlechtes Gewissen bereiten, indem sie fortwährend an die Ermordung der Juden während des “Dritten Reiches” erinnerten und daraus moralische und finanzielle Ansprüche ableiteten. Durch Gedenkstätten wie die in Ravensbrück sehen sich solche Leute, die den Holocaust leugnen und dreist die Geschichte verdrehen, in ihren wahnwitzigen Thesen bestätigt.
“C 18” ist eine mehrfach verschlüsselte Andeutung. “18” steht hierbei für den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet, also A und H, was sich als die Anfangsbuchstaben des Namens Adolf Hitlers dechiffrieren lässt. “C” ist die Abkürzung für “Combat”. “Combat 18” nennt sich eine britische neonazistische Gruppierung, die Bezüge zur Skinheadszene aufwies. Sie machte mit terroristischen Aktivitäten auf sich aufmerksam, ist aber in letzter Zeit, vor allem wegen interner Reibereien, kaum noch in Erscheinung getreten.
“C 18”-Schmierereien wie in Ravensbrück oder Bekenntnisse zu “Combat 18” im Internet sollen den Eindruck vermitteln, es gebe in Deutschland einen Ableger der britischen Organisation. Das aber ist eher ein Wunschdenken von Rechtsextremisten. Tatsächlich sind entsprechende Organisationsstrukturen in Deutschland vom Verfassungsschutz bisher nicht festgestellt worden.
Gegen die Demokratie
Durch beide Schmierereien drücken die ansonsten sehr unterschiedlich argumentierenden Tätergruppen ihre Ablehnung der Demokratie aus.
Für die einen ist die demokratisch legitimierte Regierung nur eine Marionette der “jüdischen Weltverschwörung”, für die anderen der Büttel einer “kapitalistischen und rassistischen Herrschaftsordnung”. Die einen lehnen es ab, sich legal politisch zu engagieren, weil das in einem vermeintlich ferngesteuerten politischen System, das den Nationalsozialismus verdammt, ohnehin sinnlos wäre. Die anderen behaupten, das politische System der Bundesrepublik Deutschland sei personell, politisch und rechtlich aus dem Nationalsozialismus hervorgegangen und entbehre deswegen jeglicher Legitimation. Ein legales politisches Engagement scheint auch ihnen unsinnig, denn aus der “Unmündigkeit und Ohnmacht”, die einem das System aufzwinge, komme man nur mit Gewalt heraus.
So sehr ein Vergleich der beiden Taten vom 10. bzw. 12. Oktober auch hinken mag — deren Urheber, Extremisten von der einen wie von der anderen Seite, verachten gemeinsam unsere Demokratie. Sie halten sie für ein Blendwerk und wollen sie gewaltsam beseitigen.