Potsdam — Vor dem Landgericht Potsdam beginnt heute der Prozeß gegen den
Berliner Rechtsextremisten Sebastian D. (22) und seine Bekannte Jeannine P.
(22) aus Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald). Die Staatsanwaltschaft wirft
ihnen unter anderem versuchten Mord vor.
Das war passiert: Der alternative Verein Splirtz und die Antifa
organisierten am 14. Juli 2001 ein antirassistisches Festival unter dem
Motto “Le monde est à nous” (“Die Welt gehört uns”) auf der Festwiese in
Königs Wusterhausen. “Viele Leute haben damals auf und neben der Bühne
geschlafen, weil sie die teure Technik bewachten. Außerdem haben wir mit
Attacken von Rechtsradikalen rechnen müssen”, sagt Max Pohl von der
örtlichen Antifa. Tatsächlich flogen gegen 3.45 Uhr plötzlich vier
Molotowcocktails gegen die Bühne. Panik, Schreie, Chaos. Die vier Täter,
darunter mutmaßlich Sebastian D. und Jeannine P., flüchteten. Wie durch
Zufall gab es keine Verletzten. Die Polizei erklärte, der Brandanschlag
deute auf eine neue Qualität rechtsextremer Gewalt hin.
Die Beamten kamen D. auf die Spur, was für den jungen Berliner aber
keineswegs ein Anlaß zum Rückzug aus der Szene war. Er war bis März 2005
Mitglied der Kameradschaft “Berliner Alternative Süd-Ost” (BA-SO). Diese
wurde von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verboten, weil sie eine
“Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus” zeige.
“D. gehört zum harten Kern, er ist ein recht aktiver Typ”, berichtet ein
Ermittler. Wenn der Rechtsextremist zum Treffen lade, komme meist die
gesamte Berliner Szene zusammen. Im Dezember 2004 beispielsweise lösten
Polizisten eine Neonazi-Party in der Köpenicker “Spreehexe” auf. Gastgeber
war Sebastian D., so der Ermittler. 64 Gäste wurden durchsucht, 13
Strafverfahren eingeleitet. “Wir haben D. stets im Fokus. Er hat mal mit
Rohrbomben experimentiert und unterhält über Bekannte Kontakt zu Combat 18″,
sagt der Ermittler; Combat 18 gilt in Großbritannien als braune RAF.
Die Angeklagte Jeannine P. ist zwar bisher nur als “Mitläuferin”
aufgefallen, die Staatsanwaltschaft hat ihr jedoch noch etwas in die
Anklageschrift geschrieben. “Wir werfen ihr einen weiteren Brandanschlag in
der Nacht zum 30. Juli 2001 auf ein Wohnwagenlager von Sinti und Roma in
Wildau im Landkreis Dahme-Spreewald vor”, informiert der Vorsitzende Richter
am Landgericht Frank Tiemann.
50 Sinti und Roma, die sich auf dem Rückweg von einer Urlaubsfahrt befanden,
hatten sich auf einen Platz nahe der Autobahn niedergelassen. Schon in der
ersten Nacht flogen Brandsätze. Die meisten erloschen im Flug. Ein Brandsatz
jedoch schlug knapp neben einem Wohnwagen auf, in dem eine siebenköpfige
Familie schlief. Die Sinti und Roma aus Frankreich, den Niederlanden und
Deutschland konnten löschen und alarmierten die Polizei. Eine neunköpfige
Sonderkommission beim Polizeipräsidium Potsdam ermittelte wegen versuchter
schwerer Brandstiftung — und kam letztlich auch auf Jeannine P.
44 Zeugen sind zum Prozeß gegen das rechtsextreme Pärchen geladen. Ihm droht
eine Höchststrafe von zehn Jahren Haft.