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Brandstifter vor Gericht

(MAZ, Frank Schau­ka) NEURUPPIN Als Vu Van Khao am 7. Novem­ber 2003 wie gewohnt seinen Asia-Imbiss
im Gewer­bege­bi­et von Pritzwalk (Prig­nitz) eröff­nen wollte, stand der Vater zweier Kinder, der 1983 als Ver­tragsar­beit­er in die DDR kam, vor den verkohlten Trüm­mern sein­er Existenz. 

Während der Nacht hat­ten drei junge Män­ner im Alter von 21 bis 28 Jahren sowie die 17-jährige Chris­tiane B. zunächst den Imbis­s­wa­gen des Viet­name­sen in Flam­men aufge­hen lassen, anschließend war das Quar­tett quer durch die
Stadt zu einem Wohn­haus mit türkischem Dön­er-Imbiss im Erdgeschoss gefahren und zün­dete auch diesen mit dem kurz zuvor an ein­er Tankstelle gekauften Ben­zin an. Mit Sieg-heil-Rufen und Alko­hol hat­ten sich die Täter auf die
Bran­dan­schläge einges­timmt und später das Gelin­gen gefeiert. 

Wegen ver­sucht­en Mordes mussten sich die Angeklagten, die die
Staat­san­waltschaft zur recht­sex­tremen Szene zählt, gestern vor dem
Landgericht Neu­rup­pin ver­ant­worten. Die 2. Große Strafkam­mer unter Vorsitz
von Ria Bech­er ver­han­delt dort einen von 13 Anschlä­gen auf von Ausländern
betriebene Imbisse im Jahr 2003. Seit 2000 hat der Vere­in “Opfer­per­spek­tive”
42 solch­er zumeist ras­sis­tis­chen Tat­en in Bran­den­burg gezählt. Nach
Auf­fas­sung der “Opfer­per­spek­tive” sind diese Ver­brechen auch vor dem
Hin­ter­grund zu betra­cht­en, dass die “NPD-Jugend offen gegen Döner-Läden
het­zt und auf ihren Inter­net­seit­en dazu aufruft, den Ein­drin­glin­gen die
wirtschaftliche Grund­lage zu nehmen”. 

Die Angeklagten waren zum Auf­takt des Prozess­es bestrebt, den
frem­den­feindlichen Aspekt der Anschläge herun­terzus­pie­len und aus der großen
Menge getrunk­e­nen Alko­hols eine gewisse Unzurech­nungs­fähigkeit herzuleiten -
wie es mit­tler­weile zum Stan­dard­reper­toire von Angeklagten in Verhandlungen
mit recht­sex­tremen Bezü­gen gehört. Chris­tiane B. erin­nerte sich an sechs
große Flaschen Bier, mehr als eine halbe Flasche “saur­er Apfel” und zwei
Schnaps­gläs­er Korn. Der 21-jährige Ron­ny L. aus Kyritz — der auch wegen
Volksver­het­zung vorbe­straft ist — gab über seine täglichen Trinkgewohnheiten
schon fast stolz zu Pro­tokoll: “Der Alko­holkon­sum war sehr stark, muss ich
sagen.” Mit fünf Fre­un­den schaffte er nach eigen­em Bekun­den täglich sechs
Kisten Bier, dazu Wod­ka und “Appel”.

“Ich habe mir an diesem Abend über gar nichts Gedanken gemacht”, erzählte,
dementsprechend kon­se­quent, Chris­tiane B. Sie habe lediglich, aus welchem
Grund auch immer, spon­tan den Ein­fall gehabt, “der Asia-Imbiss sollte
abbren­nen.” Dass sie, als der Wagen in Flam­men stand, auch noch einen
Dön­er-Imbiss anzün­den wollte, räumte sie zwar ein, betonte jedoch zugleich,
sie habe dem türkischen Betreiber nur “eine Ver­war­nung erteilen” wollen,
weil sie sich Monate zuvor von diesem “angemacht” gefühlt hat­te. “Abfack­eln
wollte ich den Dön­er-Imbiss nicht.” 

Für den Prozess sind fünf Ver­hand­lungstage age­set­zt. Vor weni­gen Wochen
hat­te das Landgericht Neu­rup­pin einen ähn­lichen Fall ver­han­delt: Karsten
G. — ehe­mals Vor­sitzen­der der 1997 ver­bote­nen recht­sex­tremen “Kam­er­ad­schaft
Ober­hav­el” — hat­te einen türkischen Imbiss anzün­den wollen. Der 27-jährige
Neon­azi wurde zu sechs Jahren Haft wegen ver­sucht­en Mordes verurteilt. 

Rechte Brand­s­tifter ste­hen vor Gericht

Vier junge Leute sind auch wegen ver­sucht­en Mordes angeklagt

(Tagesspiegel, Claus-Dieter Stey­er) Neu­rup­pin. Sie ist die jüng­ste der vier Angeklagten im Landgericht
Neu­rup­pin — und das einzige Mäd­chen. Doch nur die 17-jährige Chris­tiane B.
aus Pritzwalk hat den Mut, über die Geschehnisse in der Nacht vom 6. auf den
7. Novem­ber ver­gan­genen Jahres in ihrer Heimat­stadt zu sprechen. Damals ging
ein Asia-Imbiss-Wagen in Flam­men auf. Ein weit­er­er Bran­dan­schlag auf einen
Dön­er-Imbiss schlug fehl. Doch die Staat­san­waltschaft wirft den Angeklagten
nicht nur zweifache schwere Brand­s­tiftung aus aus­län­der­feindlichen Motiven
vor, son­dern auch ver­sucht­en Mord. Denn sie hät­ten zumin­d­est bil­li­gend in
Kauf genom­men, dass sich in der Woh­nung über dem Dön­er-Imbiss möglicherweise
Men­schen aufhalten. 

Die dama­li­gen Begleit­er des Mäd­chens schwiegen zum gestri­gen Prozessauftakt.
Nicht ein­mal zu ihrem Lebenslauf woll­ten die Män­ner im Alter von 19 bis 25
Jahren Auskun­ft geben. Sie blick­ten deshalb recht mür­risch auf die Aussagen
ihrer Fre­undin mit den gefärbten schwarzen und durch einen stren­gen Scheitel
auf der Kopfmitte getren­nten Haaren, der tätowierten linken Hand und einem
roten Pullover. Diese fühlte sich von Minute zu Minute mehr und mehr
eingeschüchtert. Unter Trä­nen gab die Angeklagte deshalb schließlich nur
Bruch­stücke über den Tat­ablauf bekan­nt. “Ich kann mich nicht mehr erinnern”
oder “Ich weiß nichts mehr”, lauteten die Stan­dard­formeln während der
Befra­gung. Offen­sichtlich wollte das Mäd­chen, das die Schule schon nach der
8. Klasse ver­ließ, keinen Kumpel belas­ten. Fast hil­f­los blick­te sie laufend
zu ihrer auf den Besucher­bänken des Gerichtssaals sitzen­den Mutter. 

Sie gab zu, sich am Abend des 6. Novem­ber den drei männlichen Angeklagten zu
ein­er Aut­o­fahrt angeschlossen zu haben. “Wir fuhren zu ein­er Tankstelle.
Ein­er holte in ein­er Saft­flasche Ben­zin, mit dem wir den Asia-Imbiss
anzün­den woll­ten”, sagte Chris­tiane B. Auf viele Nach­fra­gen räumte sie
schließlich ein, selb­st das Ben­zin verteilt zu haben, weil sich ein anderer
aus dem Quar­tett zu dus­selig dabei angestellt habe. Der Imbiss-Wagen brannte
völ­lig aus, am dahin­ter befind­lichen Super­markt ent­stand ein Sach­schaden von
25 000 Euro. Danach seien sie zum Dön­er-Imbiss gefahren. “Weil sich in der
Flasche noch ein biss­chen Ben­zin befand”, erzählte das Mäd­chen. Dieses wurde
auf dem Sock­el der Schaufen­ster­scheibe verteilt und angezün­det. Ohne äußeres
Ein­greifen ver­loschen die Flam­men jedoch nahezu sofort. Der Sach­schaden fiel
zwar ger­ing aus, doch in der Woh­nung über dem Imbiss hielt sich zur Tatzeit
der Inhab­er auf. Nach den Tat­en fuhren die Angeklagten in eine Pritzwalker
Woh­nung, wo sie anderen Per­so­n­en von ihren Tat­en berichteten. “Sie brüllten
“Sieg heil” und “Scheiß Kanack­en­pack”, wie Anwohn­er der Polizei bestätigten. 

Ein­er der Angeklagten saß erst vor knapp zwei Monat­en let­zt­ma­lig auf der
Anklage­bank des Landgerichts. Der 25-jährige Thomas W. erhielt damals eine
mehrjährige Haft­strafe wegen sein­er Beteili­gung an ein­er Gewal­torgie gegen
einen 21-jähri­gen Fußgänger in Glöwen. Im August 2003 war der Mann dreimal
so getreten und geschla­gen wor­den, dass er nur mit viel Glück überlebte.
Gegen das Urteil legte der Vertei­di­ger, der ihn auch dies­mal wieder
ver­tritt, Revi­sion ein.

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