NEURUPPIN Kurz nach dem Start drohte gestern der Prozess vor dem Neuruppiner Landgericht gegen vier Prignitzer schon zu scheitern. Staatsanwalt Kai Clement bezichtigte drei Männer und eine Frau des versuchten Mordes, der zweifachen Brandstiftung und versuchten schwerer Brandstiftung., jeweils in der Nacht zum 7.November 2003 gemeinschaftlich in Pritzwalk begangen. Dabei sollen ausländerfeindliche Motive eine Rolle gespielt haben.
Gleich von drei Verteidigern wurde die Anklage heftig attackiert. Bis auf eine Rechtsanwältin forderten alle die Einstellung des Verfahrens bezüglich des zweiten Brandanschlags jener Nacht, bei dem es sich um den Brandanschlag auf einen Döner-Imbiss handelte. Die Anklageschrift weise erhebliche Mängel auf und ordne die Tatbeteiligungen personell teilweise nicht zu. Eine Einstellung hätte weit reichendere Folgen gehabt, da sich aus diesem Anklagepunkt auch der Vorwurf des versuchten Mordes ergibt. Nach mehr als 90 Minuten Beratung wies die Vorsitzende Richterin Ria Becher den Antrag ab. Doch einen deutlichen Rüffel in Richtung Staatsanwalt konnte sie sich nicht verkneifen: „Die Anklage weist die angesprochenen erheblichen Mängel auf.“
Die 17-jährige Christiane B. zeigte sich anschließend größtenteils geständig und belastete den Mitangeklagten Ronny L. schwer.
Mit Nazigruß Anschläge gefeiert
Nach dem ersten Feuer war noch Benzin in der Flasche, da wurde zum zweiten Imbiss gefahren
NEURUPPIN Zu Beginn ihrer Aussage wirkte das 17-jährige Mädchen mit dem korrekten schwarzen Haarschnitt und der Tätowierung auf der hand schüchtern, später kommen ihre Antworten leicht genervt, dann wird ihr Ton patzig. Doch am gestrigen ersten Verhandlungstag im Prozess um die in Pritzwalk begangene zweifache Brandstiftung und den versuchten Mord war sie die einzige von vier Angeklagten, die zu den taten aussagte. Mehr noch: Die junge Frau bezichtigte sich selbst und belastete den 20-jährigen Ronny L. schwer. Die drei Männer verweigern bislang Aussagen zu den Taten jener Nacht.
Der 6.November 2003 beginnt für die vier jungen Menschen wie so häufig. Man feiert. Feiern heißt nicht etwa Geburtstag oder Disko. Feiern bedeutet in ihrem Jagon, sich in einer Wohnung zum saufen zu treffen. Christiane B. wird im Laufe des Abends ca. 6 Bier, einige Schnäpse und eine halbe Flasche Sauren Apfel wegzischen. Bei den Jungs sieht es noch heftiger aus. „Wir haben uns eigentlich täglich getroffen, um zu sechst etwa sechs Kästen Bier, Korn und Sauren zu trinken.“, wird Ronny L. später sagen.
Doch mit dem Saufgelage in der Wohnung des Freundes ist der Tag noch längst nicht beendet. Es wird für die vier eine schwarze Nacht mit lodernden Flammen werden. „ich habe mir an dem Abend überhaupt keine Gedanken gemacht.“ Diesen Satz wiederholt Christiane B. mehrfach. Keine Gedanken gemacht, als in einer Mostflasche Benzin von der Tankstelle geholt wurde, als man zielgerichtet zum Asia-Imbiss fuhr. Dort sei sie mit Ronny L. ausgestiegen. In den genuschelten Aussagen geht unter, ob sie oder der Freund das Benzin gegen den Imbisswagen schüttete.
Zumindest streitet sie die Tatbeteiligung nicht ab. Als flammen schnell und hoch und höher schlugen, rannten beide weg. Das Auto fuhr los. Wenig später griff das Feuer auf einen Verbrauchermarkt über. Schaden: zirka 25 000 Euro.
Was sich im Kopf von Christiane B. abgespielt haben muss, ist mit normalem Verstand nicht erklärbar. Sie gab dem Fahrer Andre K. die Anweisung, zum Döner-Imbiss zu fahren und lotste ihn durch die Stadt. Der Grund dafür: „Es war noch Restbenzin in der Flasche.“ Außerdem habe ein Jahr zuvor ein dort arbeitender Türke sie „blöde angemacht“. Der sollte einen „Denkzettel“ erhalten. Wieder verließ das Duo den Wagen. Christiane B. räumte ein, das Benzin auf den Schaufenstersockel gegossen zu haben. Ronny L. habe wiederum gezündelt. Den Angeklagten sei bekannt gewesen, so der Staatsanwalt, dass sich über dem Imbiss Wohnungen befinden. Deshalb lautet die Anklage auf versuchten Mord.
Nach dem zweiten Brandanschlag fuhr die Truppe zurück zur Sauf-Fete. Auf mehrfache Nachfrage räumte Christiane B. ein: „Wir haben Bier getrunken und Sieg Heil gerufen. Wir haben den anderen erzählt, dass wir den Asia-Imbiss abgefackelt haben.“ Einen Imbiss, bei dem die Angeklagte auch schon ihren Hunger gestillt hat.
Mehrfachklang an, dass zumindest für einige Angeklagte Nazi-Vokabular zum gängigen Slang gehört. Der Mitangeklagte Thomas W. zeige oder rufe öfter den Hitlergruß, bestätigte die junge Frau. Der mehrfach vorbestrafte Ronny L. saß wegen Volksverhetzung und Verwendens von Nazi-Kennzeichen im Knast. „Möchten Sie zu ihrer politischen Einstellung etwas sagen?“, fragte die Richterin. Seine Antwort: „Nein!“