In Rathenow unterhalten lokale Unterstützer der Neonaziorganisation „Hammerskins“ eine Immobilie. Laut Innenministerium Brandenburg finden dort Szenetreffen statt. Nun wurde bekannt, dass Personen aus diesem Umfeld am so genannten „Tag der Ehre“, einem internationalen Gedenken an SS Angehörige in #Budapest mitmarschierten.
Sturmlokal in Kleingartenidylle
Inmitten dieser Idylle für Spätherbstromantiker findet sich an einem Zauntor ein warnendes Hinweisschild. „Betreten verboten – Lebensgefahr“ ist dort in deutscher und türkischer Sprache zu lesen. Hinter dem Zaun, so ist es durch die Stäbe der Einfriedung erkennbar, befindet sich ein langgestrecktes Grundstück, welches sich in Parkfläche, Bebauung und Freifläche gliedert. Im Zentrum befindet sich ein ursprünglich als Gartenlaube genutztes Objekt, dass mit schweren Eisenbahnschwellen aus Stahlbeton eingefriedet ist. Ein Armee-Tarnnetz ist erkennbar, ebenso wie die Brandenburger Landesflagge, die durch die Maschen leuchtet.
Das Objekt an der Rhinower Landstraße ist bekannt in Rathenow. Seit 2004 sind dort regelmäßig Neonazis zu unterschiedlichen Anlässen zugegen. Allerdings dürfte es dabei selten um den Erfahrungsaustausch im Kultivieren von Kleingärten gehen. Szenekenner berichteten, dass die Gartenlaube bereits vor Jahren zu einer Art „Sturmlokal“ umgebaut wurde.
Damals hatte die neonazistische Kameradschaft „Sturm 27“ hier ihren Sitz. Fotos aus dieser Zeit zeigen Neonazis im Kameradschaftsdress und T‑Shirts, auf denen Hakenkreuze abgebildet sind. An den Tischen und am Bartresen im Laubeninneren drängten sich zudem ortsbekannte Nazi-Skins, die zum Hitlergruß posierten.
Die Kameradschaft „Sturm 27“ wurde zwar im April 2005 verboten, das „Sturmlokal“ blieb jedoch offen. Die NPD bzw. deren im Juli 2005 gegründeter Ortsverband Rathenow nutzen nun die Immobilie. Unter anderem wurden dort mehrere „Kinderfeste“ der Partei veranstaltet.
Verbindungen ins internationale Rechtsrockbusiness

Nachdem das Grundstück viele Jahre kaum Beachtung fand, scheint das Brandenburger Innenministerium das Objekt wieder im Visier zu haben. Dies geht aus einer Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage der Partei Die.LINKE hervor. Neonazistische Veranstaltungen sollen auf dem Areal stattgefunden haben und Neonazis aus diesem Spektrum internationale Kontakte knüpfen.
Der Brandenburger Verfassungsschutzbericht von 2017 erwähnte beispielsweise in diesem Zusammenhang einen „Liederabend“ mit 50 Teilnehmenden, in dessen Rahmen auch das Musikprojekt „Flak“ in Rathenow auftrat.
Die Formation um den Neonazi Philipp Neumann aus Rheinland ist im Milieu für ihren gitarrenbegleiteten Liedvortrag, vor allem aber wegen der einschlägigen Texte bekannt. Auf dem ersten, mittlerweile indizierten Album „Feuertaufe“ finden sich beispielsweise Liedtitel wie „AJAB“ („all jews are bastards“) oder „Alle Verräter werden hängen“.
„Flak“ und dessen Mitglieder sind im internationalen Rechtsrockgeschäft tätig, traten u.a. bei Konzerten in Frankreich und in der Schweiz auf. Die Band soll zum Naziskin-Netzwerk der 1986 in den USA gegründeten „Hammerskin Nation“ gehören. Deren Symbol sind zwei gekreuzte Hämmer. Die englische Bezeichnung „crossed hammers“ bzw. die Anfangsbuchstaben „C“ und „H“ werden mit den Zahlen „3“ und „8“ als „38“ codiert. Die Unterstützerorganisation der „Hammerskins“ nennt sich dementsprechend „Crew 38“. Auch Flak-Sänger Philipp Neumann wird dazugerechnet. Auf einem Foto im Socialmedia trägt er ein T‑Shirt mit dem Aufdruck „Crew 38“.
Der Zahlencode „38“ findet in Rathenow ebenfalls Anwendung. Akteure aus der Immobilie an der Rhinower Landstraße nutzen es als Erkennungszeichen an PKW-Nummernschildern. Auf einem Fahrzeug eines Aktiven der „Crew 38“ findet sich auch eine Aufschrift mit direktem Bezug zur Laube: „Garten of Hate ‑Rathenow“.
Reise zum SS Gedenken nach Budapest
Die lokalen Köpfe des „Crew 38“-Netzwerkes sind Martin K aus Rathenow und Stephan H aus Premnitz. Beide sind seit Ende der 1990er Jahre im neonazistischen Kameradschaftsmilieu aktiv. Als die Polizei die Vereinsverbote gegen die Kameradschaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ vollstreckte und bei 39 Personen Hausdurchsuchungen durchführten, waren beide jedoch nicht betroffen. Das ist insofern ungewöhnlich, da Szenekenner sie bereits damals zum harten Kern des lokalen neonazistischen Milieus zählten. Martin K trat in dieser Zeit zudem durch mehrere Gewaltdelikte strafrechtlich in Erscheinung. Doch auch in einem Strafprozess, in dem mehrere Gewalttaten aus dem Jahr 2005 verhandelt wurden, wurde Nachsicht gegenüber ihn gewährt. Er wurde zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt.

In den folgenden Jahren nahmen K und H an verschiedenen öffentlichen Versammlungen der NPD, dem Brandenburger PEGIDA-Ableger „Bramm“ sowie vom „Bürgerbündnis Havelland“ teil. Darüber hinaus liegen belastbare Hinweise über die Teilnahme Beider an Treffen des „Hammerskin“-Unterstützernetzwerkes vor.
Jetzt wurde bekannt, das K und H am so genannten „Tag der Ehre“ in Budapest teilnahmen. Auf Fotos sind Beide sogar mit Kennzeichen der „Hammerskins“ zu sehen, die auf eine Vollmitgliedschaft bei dieser überwiegend im Verborgenen arbeitenden Organisation hinweisen. Die Patches mit den gekreuzten Hämmern an den Jacken von K und H deuten darauf hin.

Der „Tag der Ehre“ ist ein internationales Vernetzungstreffen von Neonazis, welches der Glorifizierung der während des Zweiten Weltkrieges im Kampf um Budapest 1945 gefallenen Angehörigen der Waffen SS dient. Bei der Zusammenkunft am vergangenen Wochenende versammelten sich ungefähr 300 Teilnehmende aus Ungarn, Serbien, Norwegen, Italien, Ukraine, Russland und Deutschland in der ungarischen Hauptstadt. Die Neonazis gaben sich durch Fahnen, Banner und Kleidungsstücke als Sympathisierende der neonazistischen Netzwerke „Hammerskin Nation“, „Blood & Honour“ und „Nordiska motståndsrörelsen“ zu erkennen. Hitlerbildnisse, Hakenkreuze, SS Runen und ähnliches wurden offen zur Schau gestellt.