Für Fritz Sparschuh war die Rote Armee ein Segen. Die Sowjetsoldaten
befreiten den Dresdener nach acht Jahren Gefangenschaft aus der Hölle des
Brandenburger Zuchthauses, wo er wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” einsaß.
Angesichts dieses Schicksals von Glück zu sprechen, fällt schwer. Denn mit
letzten Kräften schleppte Fritz Sparschuh seinen 50-Kilo-Körper damals, vor
60 Jahren, nach Berlin. Er gehörte zu den Überlebenden, wurde nicht wie 2743
andere Zuchthausinsassen enthauptet, erschossen oder erhängt und musste
nicht wie 652 andere Gefangene verhungern oder an Tuberkulose sterben.
Gestern, am 60. Jahrestag der Befreiung, war der 92-Jährige, untergehakt bei
Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU), Ehrengast der Stadt und Redner
am Denkmal der Antifaschisten. “Dass auch 572 Jugendliche enthauptet wurden,
berührt uns besonders”, sagte Sparschuh. Das sollten “die jungen und alten
Sieg-Heil-Schreier” bedenken.
Auch Günter Nobel (93) war 1937/38 Zuchthaus-Insasse auf dem Görden, einige
Jahre nachdem er das Gebäude als Berliner Jurastudent besichtigt hatte. Er
erlebte die Befreiung seiner Leidensgenossen am 27. April 1945 im Ghetto von
Shanghai, wo er als Jude erst im September 1945 befreit wurde.
Günter Nobel sprach auf der separaten Gedenkveranstaltung, die die Stiftung
Brandenburgische Gedenkstätten, gestern in der heutigen
Justizvollzugsanstalt ausrichtete, dort wo das Mordwerkzeug der Nazi-Henker
noch zu besichtigen ist.
Nobel sprach vom “KZ-ähnlichen Strafvollzug”. Brandenburg sei zu einem
“Brennglas” geworden für den ganzen Schrecken. Er erwähnte, dass er erst im
vergangenen Jahr eine kleine Entschädigung erhalten habe — spät.
Als unpassend empfanden einige Gäste die Rede von Justizministerin Beate
Blechinger (CDU). Denn sie betonte die Kontinuität des Zuchthauses nach
1945. Für sie sei erschütternd, dass trotz der Erfahrungen vor 1945 Menschen
inhaftiert wurden, “die mit den bestehenden gesellschaftlichen und
politischen Verhältnissen nicht konform gehen konnten oder wollten”. Erneut
habe sich ein ganzer Staatsapparat von weiteren Bereichen des Rechts
abgekoppelt.
Stiftungsdirektor Günter Morsch wollte zum Konflikt mit der Stadt um den
Aufbau einer Gedenkstätte gestern nichts sagen. Günter Nobel allerdings
bedauerte, dass seine Bemühungen “fruchtlos” waren, dem Gedenken in
Brandenburg einen Ort zu geben, “der die ganze Geschichte erzählt, zu dem
die Menschen kommen können ohne Gefängnismauern zu überwinden”. Ob sein
Wunsch doch noch erfüllt wird, dazu will Oberbürgermeisterin Tiemann vorerst
nichts sagen.