LINDOW Zeitzeugen sagen, es war ein kalter, regnerischer Tag, als Häftlinge
aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen 1945 durch Lindower Straßen
getrieben wurden. Am Sonnabend jährte sich dieser Todesmarsch zum 60. Mal.
Und wieder waren Menschen auf denselben Straßen unterwegs — um den Opfern
von damals zu gedenken.
Getroffen hatten sie sich an der evangelischen Kirche, in der Manfred
Wunnicke in einer kleinen Andacht von den Hintergründen des Todesmarsches
berichtete. Der pensionierte Pfarrer und Initiator des Gedenklaufes wollte
so “den Opfern ein Gesicht geben und sie der Anonymität entreißen”. In einer
kleinen Predigt zog er Parallelen zum Leidensweg Christi und der Botschaft
der Bibel. “Ich möchte nicht missionieren, doch ob Juden oder Christen, sie
alle fanden gerade in diesen schweren Zeiten Kraft durch den Glauben.”
Nach der Andacht begaben sich die rund 50 Teilnehmer des Zuges zum Friedhof
. An einem Gedenkstein für die in Lindow ermordeten Häftlinge lasen Pfarrer
Holger Baum und einige Jugendliche Texte vor und erzählten von
Häftlingsschicksalen. Während im Anschluss der Lindower Flötenkreis spielte,
wurden Blumen niedergelegt und es ging weiter zum Platz der Einheit.
Dort wartete Bürgermeister Dieter Eipel am Gedenkstein des Todesmarsches.
Auch er war gekommen, um Anteil zu nehmen und zumindest an dieser Station
des Weges dabei zu sein.
Am Gedenkstein berichtete Gemeindepädagoge Dirk Bock von einer Zeitzeugin,
die 1945 am heutigen Plus-Markt wohnte. Dort standen damals Scheunen, um die
herum viele Gefangene zusammengetrieben wurden. Einige von ihnen gerieten in
Panik, als die Wachen kamen, und flüchteten auf die Bäume und auf das
Grundstück. In der Jungen Gemeinde habe Dirk Bock mit den Jugendlichen
darüber gesprochen. “Einige von ihnen waren ja schon in mehreren ehemaligen
Konzentrationslagern. Ich bat sie, ihre Empfindungen niederzuschreiben”,
berichtete er. Einer der dabei entstandenen Texte wurde daraufhin verlesen,
bevor Bock die Anwesenden belehrte: “Nun folgt der schwierige Teil. Da die
Polizei uns keine Begleitung gestellt hat, müssen wir allein die Straße
entlang. Also seien sie vorsichtig!” Flankiert von einigen Verantwortlichen
mit Signalwesten und Pfarrer Baum, der mit seinem Auto den Zug begleitete,
ging es weiter Richtung Klosterheide.
Die letzte Strecke nach Dierberg war am gefährlichsten, doch nach drei
Stunden Fußmarsch kamen die Lindower auch dort heil an. In der Dierberger
Kirche fand ein Abschlussgottesdienst statt. Geleitet wurde er von der
Pfarrerin Hannelore Roselt.