Am Freitagabend informierte der Landkreis Havelland mit Unterstützung der Polizei und der Gemeindeverwaltung die Bürger_innen von Brieselang zu der auf einem Kirchengrundstück im Ort geplanten Notunterkunft für Flüchtlinge. Die temporäre Gemeinschaftsunterkunft ist als Traglufthalle für die Unterbringung von bis zu 300 Menschen vorgesehen. Zur Unterstützung von Landkreis und Gemeinde hat sich im Ort inzwischen eine mittlerweile auf 175 Personen gewachsene Willkommensinitiative gebildet. Deren Vertreter_innen, insbesondere die in ihr vertretenden Gemeindevertreter_innen, sprachen sich auch am Freitagabend für die Aufnahme von Flüchtlingen aus. Ein anderer Teil der bei der Einwohner_innenversammlung anwesenden Bürger_innen zeigte sich dagegen eherskeptisch. Deren Bewusstsein war offenbar von diffusen Ängsten und Vorurteilen geprägt, die das Podium auch nicht durch noch so rationale Argumente überwinden konnte. Dazu kamen noch einzelne Störversuche durch eine Gruppe Bürger_innen, die sich um einen Gemeindevertreter der NPD und einen anscheinend ortsansässigen Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ versammelt hatten.
Fakten zur geplanten Unterkunft
Nach einer kurzen Begrüßungsrede des Bürgermeisters, in der dieser abermals bekräftigte, dass die Gemeinde Brieselang den Landkreis Havelland bei der Unterbringung von Flüchtlingen unterstützen wolle und diesbezüglich um eine sachliche Diskussion bat, erläuterten die Vertreter_innen des Kreises das geplante Projekt. Zuvor bedankte sich jedoch erst einmal der Stellvertretende Landrat Roger Lewandowski für das Angebot der Gemeinde, eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen. Brieselang sei der einzige Ort im Havelland gewesen, der von sich aus auf den Landkreis zugegangen sei und bezüglich der Unterbringung der geflüchteten Menschen ein Angebot abgegeben habe. Die ursprünglich als Notunterkunft anvisierte Sporthalle, sei aber mittlerweile, aus baulichen Gründen, wieder vom Tisch. Dennoch müssen die im Landkreis Havelland ankommenden Flüchtlinge nach wie vor untergebracht werden. Bisher wurden, gemäß Lewandowski, schon 776 Menschen untergebracht, 823 sollen aber noch folgen. Und genau hier scheint für den Landkreis das Problem zu liegen. Alle vorhandenen Gemeinschaftsunterkünfte, in Rathenow, Premnitz, Friesack und Falkensee, seien bereits belegt und die in Bau befindlichen Objekte noch lange nicht bezugsreif. Auch gäbe es keine, schnell bezugsfähigen Container mehr auf dem Markt und die ursprünglich als Notunterkunft gedachte Sporthalle in Nauen wurde durch einen Brandanschlag zerstört. Deshalb hatte sich der Landkreis Havellandnun kurzfristig dazu entschlossenTraglufthallen anzumieten.
Die für die Gemeinde Brieselang favorisierte Variante der Halle hat eine Länge von 72m, eine Breite von 36m und eine Höhe von 9m. Die Grundfläche beträgt demnach 2592m² und entspricht bei einer angedachten Belegung mit 300 Menschen dem vom Land vorgegebenen Mindestplatzbedarf für jede/n Bewohner_in. Die für die Aufstellung der Halle notwendige Grundstücksfläche von 10.000m² ist in Brieselang ebenfalls gegeben. Das zur Verfügung stehende Gelände hat nämlich eine Fläche von 13.000m².
Die Traglufthalle wird nach dem Aufbau in einzelne Segmente, in Schlaf‑, Koch‑, Aufenthalts- und Sanitärbereiche gegliedert und konstant beheizt.
Die Anmietung sei, so Jürgen Goulbier vom Bauordnungsamt des Kreises, für ein Jahr geplant. Die Mietkosten dafür würden 1.200.000,00 € betragen.
Fragerunde
Nach der allgemeinen Einführung folgte nun die übliche Fragerunde, in der die Bürger_innen sich über die geplante Notunterkunft sachkundig machen konnten. Ungefähr 600 Menschen nahmen dieses Angebot auch an. Allerdings passten in die für die Versammlung vorgesehene Sporthalle nur ungefähr 400 Personen, der draußen wartende Rest wurde via Lautsprecheranlage über die drinnen besprochenen Themen in Kenntnis gesetzt.
Bei der Fragerunde spielten dann vor allem diffuse Ängste und Vorurteile eine Rolle. Manche Fragen hatten zu dem einen sehr tendenziösen Charakter. Offenbar beeindruckte das Leid der Flüchtlinge nur einen Teil der Brieselanger Bürgerschaft, ein anderer sähe sich eher durch deren Unterbringung im Ort gefährdet bzw. in seiner Ruhe gestört. Eventuelle Lärmemissionen aus der Traglufthalle waren so beispielsweise mehrfach Thema von Anfragen. Da aber für die Notunterkunft genau dieselben Ruhezeiten, wie für alle anderen Bürger_innen gelten und auch die für den Betrieb der Halle notwendigen Maschinen in schallgeschützt werden, hielten sich die Emotionen zu dieser Thematik noch in Grenzen.
Anders hingegen zur Sicherheitsfrage. Obwohl der Schutzbereichsleiter der Polizei im Havelland, Lutz Gündel, mehrfach betonte, dass Flüchtlingsheime kein kriminalgeografischer Raum wären, kochten die Emotionen zu dieser Thematik besonders hoch. „Gelogen“, rief beispielsweise ein Bürger dazwischen. Und mehrere Frauen, die schon viel über Flüchtlingsunterkünfte gehört haben wollten, äußerten immer wieder ihre Furcht vor eventuellen Vergewaltigungen. Nochmals betonte der havelländische Polizeichef das derartige Ängste bisher jeder Grundlage entbehren. Auffällige Delikte im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Flüchtlingsheimen wären dagegen eher Ruhestörungen. Allerdings, so stellte Gündel auch klar, dass die Ruhe im Landkreis Havelland hauptsächlich von deutschen Staatsbürger_innen gestört würde. Des Weiteren entkräftete der havelländische Polizeichef Gerüchte, demnach sich seine Beamt_innen bei der Verfolgung von Straftaten durch Flüchtlinge zurückhalten sollen. Für Flüchtlinge gelte genauso bundesrepublikanisches Recht, wie für alle anderen Bürger_innen auch. Zudem seien GündelsBeamt_innen hochmotiviert, die regionale Polizei ausreichend mit Personal ausgestattet und im Bedarfsfalls immer noch mit Bereitschaftspolizei ergänzbar. Auch betonte der havelländische Polizeichef noch einmal explizit, dass die Polizei im Havelland, im Gegensatz zu den, während der Einwohner_innenversammlung vielfach herbei fantasierten Kriminalitätsszenarien es in der Realität eher damit zu tun hat „die Asylbewerber vor Angriffen (zu) schützen“.
Gemeindefraktionen sprechen sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus
Nach der Hauptfragerunde ergriffen nun die Vertreter_innen der einzelnen Fraktionen der Brieselanger Gemeindevertreter_innen das Wort.
Als erstes berichtete Heike Swillus (DIE.LINKE) tiefbeeindruckt von ihren Erfahrungen mit Flüchtlingen in Eisenhüttenstadt. Sie erzählte u.a. Syrern, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen waren bzw. kein Interesse daran hatten in ihrem Land als Kanonenfutter für den Islamischen Staat (IS) verheizt zu werden. Insofern äußerte sie ihr Verständnis für deren Flucht und sprach sie sich für die Aufnahme der Flüchtlinge in Brieselang aus.
Gleichfalls für die Aufnahme von geflüchteten Menschen sprachen sich zu dem die Fraktionen der Grünen um Corinet’hart, der Bürger für Brieselang um Christian Achilles, der SPD um Norbert Jütterschenke sowie der CDU um Michael Koch.
Ralf Reimann von der „Initiative für Bürgerinteresse und Bürgerinbeteiligung“ (IBB), der sich bisher eher kritisch zu geplanten Notunterkünften gab, stimmte der Aufnahme von Flüchtlingen ebenfalls zu, wenn diese auf ein Jahr beschränkt bleibe.
NPD Sympathisant_innen störten Einwohner_innenversammlung
Der anwesende NPD Gemeindevertreter Frank Kittler meldete sich hingegen nicht zu Wort. Er war gemeinsam mit einem offenbar ortsansässigen Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ zu der Veranstaltung erschienen. Gemeinsam mit weiteren Sympathisant_innen fielen sie eher durch gelegentliche Zwischenrufe und Störmanöver auf.
Eine Situation, welche die Gemeinde eigentlich verhindern wollte, da entsprechende Negativerfahrungen, beispielsweise aus den Nachbarkommunen vorlagen. Für alle an der Versammlung teilnehmenden Bürger_innen galt deshalb Ausweispflicht. Auswärtige Störer_innen sollten so schon von vornherein abgeschreckt werden. Allerdings zeigte sich nun auch in Brieselang, dass neonazistische Organisationen im Ort längst Fuß gefasst haben.
Fotos: hier
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