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Browntown reloaded

Am 28. Sep­tem­ber find­en in Bran­den­burg wieder Kom­mu­nal­wahlen statt. Doch dies­mal ver­sucht auch die NPD in vie­len Regio­nen in die Par­la­mente zu kom­men. So auch im südlich von Berlin gele­ge­nen Königs Wuster­hausen. Der Wahlkampf läuft auf Hoch­touren, in fast allen Straßen der Stadt hän­gen NPD-Plakate, Falt­blät­ter wur­den im großen Umfang verteilt und fast wöchentlich gibt es Aktio­nen des örtlichen Kreisver­ban­des. Doch das Treiben bleibt nicht unbeantwortet.

Königs Wuster­hausen – ein knapp 30.000 Einwohner/innen zäh­len­des Städtchen südlich von Berlin. Weit ab vom hek­tis­chen Treiben der Großs­tadt, aber dank S‑Bahn-Anschluß doch nah genug um nicht kom­plett abgeschnit­ten zu sein von den Vorzü­gen Berlins. Der nah gele­gene Spree­wald und die vie­len Seen in der direk­ten Umge­bung kön­nten das Bild der Idylle kom­plet­tieren. Doch der Schein trügt. Schon seit den neun­ziger Jahren ist Königs Wuster­hausen als Brown­town bekan­nt. Und das ist nicht nur mit dem starken Inter­esse der Nazis am nahe gele­ge­nen Wald­fried­hof von Halbe zu erklären.

Brown­town – Ein Rückblick

Nach dem Fall der Mauer nutzten die vie­len Nazis in und um Königs Wuster­hausen ihre Chance und grün­de­ten den Lan­desver­band Berlin-Bran­den­burg der „Frei­heitlichen Deutschen Arbeit­er­partei“ (FAP) und die erste Sek­tion des ras­sis­tis­chen KuK­luxK­lan in Deutsch­land. Darauf fan­den bald auch viele Kad­er ver­schieden­er Neon­azi-Organ­i­sa­tio­nen, wie z.B. dem „Inter­na­tionale Hil­f­skomi­tee für nationale poli­tis­che Ver­fol­gte und deren Ange­hörige e.V.“ in Königs Wuster­hausen und Umge­bung ihre Heimat. Mit dem Entste­hen gefes­tigter Nazistruk­turen ließ die rechte Gewalt auch nicht mehr lange auf sich warten.

Im Mai 1992 wurde der aus Nige­ria stam­mende Steve E. schw­er mis­shan­delt und kon­nte nur knapp mit dem Leben davonkom­men. Mehrere Nazis schlu­gen auf ihn ein bis er bewusst­los am Boden lag. Im Anschluss woll­ten sie ihn im Schar­rmützelsee ertränken. Doch dies kon­nte in let­zter Sekunde nur durch das Ein­greifen ein­er anwe­senden, unbeteiligten Per­son ver­hin­dert wer­den. Im sel­ben Jahr wur­den zwei Jugendliche zwis­chen Wildau und Königs Wuster­hausen tot neben den Gleisen aufge­fun­den. Zuvor wur­den sie schon mehrfach von Nazis bedro­ht, so das ein poli­tis­ches Motiv als wahrschein­lich gilt. Außer­dem ermorde­ten drei Naziskins den 51-jähri­gen Obdachlosen Rolf Schulze aus Zossen. Sie ver­schleppten ihn an den Kolpin­see und erschlu­gen ihn. Anschließend über­gossen sie ihn mit Ben­zin und steck­ten ihn an.

Ein Jahr später, im Mai 1993, wurde der 25-jährige Jeff, dessen Vater Ägypter ist, auf der Auto­bahn von Berlin nach Dres­den ver­fol­gt und ange­fahren. Als er auf der Rast­stätte Waldeck bei Königs Wuster­hausen anhielt, um den Schaden an seinem Motor­rad zu repari­eren, wurde er von Daniel K. aus Königs Wuster­hausen über­fahren. Doch trotz der erschreck­enden Vor­fälle nahm die Gewalt kein Ende. So wurde im Jahr 1997 der 60-jährige August Blotz­ki ermordet. Er wurde in sein­er Woh­nung von recht­en Jugendlichen über­fall­en und unter Rufen wie „Aus­län­der­schwein“ und „Bul­gar­en­sau“ totgeschlagen.

Erst nach­dem ein führen­der Nazikad­er der “Unit­ed Skins” als V‑Mann auf­flog und eine der wichtig­sten Finanzquellen ver­loren ging beruhigte sich die Sit­u­a­tion zeitweilig wieder. Trotz­dem gab es weit­er­hin Über­griffe auf Migranten/innen und linke Jugendliche. So bewar­fen in der Nacht vom 13. zum 14. Juli 2001 zwei Nazis die Bühne des anti­ras­sis­tis­chen Fes­ti­vals „Le monde est á nous“ mit Brand­sätzen. Das­selbe geschah zwei Wochen später mit ein­er Gruppe von Roma in Wildau, die ihr Lager in der Nähe der Auto­bahn aufgeschla­gen hatten.

Die Restuk­turierung

Nach­dem es zeitweilig etwas ruhiger wurde, formierte sich eine neue Gen­er­a­tion von Nazis in Königs Wuster­hausen. So grün­dete sich ein Ortsver­band der NPD und erst­ma­lig trat­en auch “Autonome Nation­al­is­ten” unter dem Laben “Freie Kräfte Königs Wuster­hausen” (FKKW) auf. Auch ehe­ma­lige Mit­glieder der “Unit­ed Skins” fan­den in den neuen Struk­turen ihren Platz. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass auch wieder ver­mehrt rechte Über­griffe geschahen.

Im Jahr 2005 wurde ein junger Punker bru­tal geschla­gen und mit ein­er abge­broch­enen Flasche schw­er im Gesicht ver­let­zt. Im sel­ben Jahr wurde das Auto eines Polizis­ten, welch­er Mit­glied der Spezialein­heit „Tomeg“ (Täteror­i­en­tierte Maß­nah­men gegen extrem­istis­che Gewalt) war, von einem jun­gen Nazi angezün­det. Der Polizist war daraufhin gezwun­gen mit sein­er Fam­i­lie die Stadt zu ver­lassen. Doch dies sind bei Weit­em keine Einzelfälle. Pöbeleien und Über­griffe auf Antifaschisten/innen und Migranten/innen gehören auch heute zum Alltag.

Zeit­gle­ich mit der Restuk­turierung der Naziszene machte auch die Königs Wuster­hausen­er Fir­ma “Medi­a­tex GmbH” Schlagzeilen. Diese hat­te bis vor kurzem ihren Sitz im Ort­steil Zeesen und pro­duziert Bek­lei­dung der Marke “Thor Steinar”. Uwe Meusel, Geschäfts­führer von Medi­a­tex, betreibt außer­dem einen Laden in der Königs Wuster­hausen­er Bahn­hof­sstraße, in dem unter anderem die Pro­duk­t­palette von Thor Steinar erwor­ben wer­den kann. Mit­tler­weile gibt es eine weit­ere, ähn­liche Marke, welche im Treib­sand von „Thor Steinar“ willige Käufer sucht: “Eric & Sons”. Geschäfts­führer ist Udo Sieg­mund, ein ehe­ma­liger Mitar­beit­er von Medi­a­tex. Die Marken­rechte liegen bei Dr. Petra Meier aus Königs Wuster­hausen. Und auch “Eric & Sons” ist auf dem besten Weg sich zu etablieren. So ist Bek­lei­dung dieser Mark im Online-Shop des „Deutsche Stimme Ver­lags“ erhältlich.

Kom­mu­nal­wahlen 2008

Am 13. April 2007 grün­dete sich in Wal­ters­dorf bei Königs Wuster­hausen der Ortsver­band der NPD. Strate­gie hin­ter der Grün­dung ist es über den Einzug in die ver­schiede­nen Kreistage den Sprung in den bran­den­bur­gis­chen Land­tag zu schaf­fen. So grün­dete sie im sel­ben Zeitraum mehrere Ortsver­bände in ganz Brandenburg.Im ver­gan­genen Herb­st organ­isierte der Ver­band eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to “Jugend braucht Per­spek­tive — hier und jet­zt!” an der ca. 300 Nazis teil­nah­men. Anson­sten gab es einige Info­tis­che und Mah­nwachen. Erst nach der Fusion der Ver­bände Dahme-Spree­wald und Tel­tow-Fläming zum Kreisver­band Dah­me­land nah­men die Aktiv­itäten erhe­blich zu.

Mit­tler­weile läuft der Wahlkampf auf Hoch­touren. In der let­zten Woche wur­den in Königs Wuster­hausen über­all Wahlplakate aufge­hangen und Falt­blät­ter in großem Umfang verteilt. Am ver­gan­genen Sam­stag fand ein Info­tisch der NPD statt, der mehrmals den Ort wech­selte und von ca. 15 Nazis bewacht wurde. Und das obwohl fast 100.000 Men­schen den Bran­den­burgtag in Königs Wuster­hausen feierten. Bran­den­burg feiert sich als auf­strebenes Bun­des­land und die NPD ist mit­ten­drin dabei. Die Präsenz von Nazis war kaum zu überse­hen und so wur­den auch des Öfteren ver­meintliche Antifaschisten/innen bedroht.

Doch Wider­stand regt sich …

Angesichts dieser erschreck­enden Zustände tat­en sich zu Beginn des Jahres Antifaschisten/innen aus Berlin und der Region zusam­men, um Gege­nak­tiv­itäten zu organ­isieren. So wur­den im Rah­men der bran­den­burg­weit­en Kam­pagne “Keine Stimme den Nazis” antifaschis­tis­che Aktionswochen unter dem Mot­to “Keine Schweigen­den Prov­inzen” ini­ti­iert. Am ver­gan­genen Sam­stag fand deshalb ein Skate- & Grafit­ti-Jam im Plat­ten­bau­vier­tel Königs Wuster­hausens statt. In dieser Gegend dominieren die Nazis die Straße, so dass viele alter­na­tive Jugendliche diese Gegend mei­den. So ver­sam­melten sich bei war­men Wet­ter zeitweilig bis zu 200 Jugendliche auf dem Gelä
nde des Skateparks. Es gab Live-Musik, u.a. poli­tis­chen HipHop von Hol­ger Burn­er, einen Grafit­ti-Con­test, Work­shops, eine Skateshow, Kinderbe­spaßung und Infor­ma­tion­sstände. Viele Jugendliche äußerten sich pos­i­tiv darüber, dass sie wenig­stens an einen Tag im Jahr ohne Nazistress in dieser Angst­ge­gend abhän­gen kon­nten. Auch schaut­en viele inter­essierte Passanten/innen vor­bei und zeigten sich angesichts der Nazisi­t­u­a­tion Über­rascht. Auch wurde der Bran­den­burgtag genutzt, um Mate­r­i­al der Kam­pagne “Keine Stimme den Nazis” zu verteilen. Aber trotz der antifaschis­tis­chen Präsenz ließen es sich einzelne Nazis nicht nehmen am Rande zu pöbeln. Nur die mas­sive Polizeipräsenz auf Grund des Bran­den­burgtages kon­nte ver­mut­lich einen geziel­ten Angriff verhindern.

Aber auch am näch­sten Woch­enende ver­suchen wir mit einen Ope­nAir-Konz­ert den Nazis ihre Dom­i­nanz zu entreißen. Ab 15 Uhr spie­len auf der Fes­t­wiese Königs Wuster­hausen Mal eleve (Sänger von Irie Revoltes), Marycones (Chan­son-Ska), Tiefen­rausch (Ska/Punk), Klein­geld­prinzessin (Lie­der­ma­cherin), Schlagzeiln (HipHop) und Knock­out All­stars (Pro­gres­sive Hard­core). Auch wird es wieder einen Grafit­ti-Con­test, ein Kick­er­turnier und Infor­ma­tion­sstände geben. Es bleibt zu hof­fen, dass sich viele Leute nach Königs Wuster­hausen auf­machen, schließlich het­zt die NPD unverblümt gegen die “krim­inelle Antifa” und Pöbeleien oder Angriffe, wie sie regelmäßig beim anti­ras­sis­tis­chen Fes­ti­val „Le monde est á nous“ passiert sind, scheinen nicht unwahrscheinlich.

An dieser Stelle sei natür­lich auch noch auf die “Keine Stimme den Nazis” Bünd­nis­de­mo in Pots­dam am Sam­stag hingewiesen. Tre­ff­punkt ist um 14 Uhr am Bahn­hof Medi­en­stadt. Trotz der ungün­sti­gen Ter­minüber­schnei­dung wür­den wir uns freuen, wenn ihr wenig­stens nach der Demo den Weg nach Königs Wuster­hausen findet.

Außer­dem wird es am 27. Sep­tem­ber, einen Tag vor den Kom­mu­nal­wahlen, eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to “Keine Schweigen­den Provinzen“durch Königs Wuster­hausen geben. Tre­ff­punkt ist 16 Uhr auf dem Bahn­hofsvor­platz. Also raus in die Prov­inz – machen wir den Nazis ihre Rück­zugsräume streitig.

Mehr Infos gibt es hier: hier.

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