(Martin Eden) Viele Demos ziehen durch Berlin, oft wird von brutalen Polizeieinsätzen
berichtet. Dies gibt immer wieder Anlass für Spekulationen, ob hinter dieser
Brutalität eine politische Strategie steckt oder die Berliner Polizei
einfach ein Problem mit seinen exzessiv zur Gewalt greifenden PolizistInnen
hat. Auch die Anti-Hartz-Demo vom Samstag (02.10.2005) hat diese alten
Fragen wieder aufgeworfen: was für ein Ziel verfolgen einige Hass-Polizisten
mit ihrer brutalen Vorgehensweise gegen DemonstrantInnen die jüngst auch den
deutsch-polnischen Journalisten Kamil M. aus der Redaktion telegraph traf
aus Frankfurt.
Seit Beginn der Montagsdemos werden von der Polizei und der Stadtverwaltung
die Zahlen der DemonstrantInnen nach unten korrigiert. Als die
Diffamierungsversuche wegen angeblicher Unterwanderung der Montagsdemos
durch Neonazis etc. nicht ausreichten versuchte man die Teilnehmenden als
gescheiterte Jammerossis darzustellen und beschwor eine Ost-West-Spaltung,
welche den Nutzen und die Vorteile des Einigungsprozesses nicht zu würdigen
bereit ist. Nun, da sich die meisten Oppositionellen von damals den
Anti-Hartz-Protesten angeschlossen haben greift auch dieser Vorwurf nicht
mehr.
Als über die Hintergründe von Hartz IV auch bürgerliche Medien anfingen
teilweise kritisch zu berichteten, stieg die Wut gegen Journalistinnen und
Journalisten die dem embedded Journalism der Skandalblätter nicht folge
leisteten enorm an.
Dieses Schicksal ist bei der Anti-Hartz-Demo am Samstag auch Kamil M — dem
Regieassistenten von Hans-Christian Schmids „Lichter“ widerfahren. Als Kamil
M. der seit Jahren auch für die Ostdeutsche Quartalszeitschrift „telegraph“
und den in Warschau herausgegebenen Blättern „Lewa Noga“ und „Nigdy Wiecej“
schreibt bemerkte, dass er ständig von der Polizei gefilmt wird, ging er auf
den Polizisten zu und fragte nach dem Sinn der Maßnahme. Als Antwort wurde
er von hinten von zwei Polizisten gepackt und in der Nähe der Oper gegen den
Boden geworfen. Als die auf ihn einschlagenden Polizisten bemerkten, dass zu
viele Zeugen ringsum den brutalen und willkürlichen Überfall bemerken, zogen
sie Kamil M. hinter die Oper und riegelten den Bereich ab. Als N. — ein
junger Demoteilnehmer aus NRW nachfragte warum die Polizei auf den
deutsch-polnischen Journalisten einhämmert, der schon gefesselt am Boden
liegt und nach Hilfe schreit, wurde auch er gleich mitgenommen und wegen
versuchter Gefangenenbefreiung angezeigt.
Als Kamil M. hinter die Oper geschleppt wurde drangen nun doch wieder einige
Zeugen des Vorfalls durch, da einige Polizisten die Absperrung lockerten und
sich zurück zur Demo begeben haben, wo eine andere Person am Boden liegend
verprügelt wurde.
Dort wurde der Journalist durchsucht und als man seinen Presseausweis
bemerkte schleppte man ihn sofort von den Augen der Zeugen weg in ein
Polizeiauto. Die Polizei wirft ihm nun Vermummung, Widerstand gegen
Vollzugsbeamte und Körperverletzung vor.
Eine traurige Ironie des Schicksals, wenn nun nach 15 Jahren pünktlich zum
Tag der Deutschen Einheit Oppositionelle des schon in der DDR größten
Anti-System-Samizdat „telegraph“ der deutschen Polizeiwillkür zum Opfer
fallen.