LEIPZIG/GUBEN — Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Urteile im so genannten Gubener Hetzjagd-Prozess gestern verschärft. Die der rechtsradikalen Szene zuzuordnenden Hauptangeklagten sind der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Das Landgericht Cottbus hatte in seinem Urteil vom 13. November 2000 lediglich auf fahrlässige Tötung erkannt.
Die Vorsitzende Richterin des 5. Strafsenats des BGH in Leipzig, Monika Harms, sagte, der Tod des Opfers sei allen Angeklagten zuzuschreiben, auch wenn sie sich nicht aktiv beteiligt haben. Der Asylbewerber Farid Guendoul alias Omar Ben Noui war in der Nacht zum 13. Februar 1999 auf der Flucht vor einer Horde rechtsextremer Jugendlicher in panischer Angst durch die Glasscheibe einer Haustür gesprungen. Scherben zerschnitten die Schlagader seines Knies. Der 28-Jährige verblutete wenigen Minuten später im Treppenaufgang des Mehrfamilienhauses.
Auf das Strafmaß hat der Spruch der Bundesrichter keinen Einfluss. Mit dem Urteil folgte der BGH weitgehend den Forderungen der Nebenkläger und der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Acht der Angeklagten sowie zwei Nebenkläger hatten gegen das Urteil Revision eingelegt.
Geändert wurde auch das Urteil der Cottbuser Richter gegen die drei zur Tatzeit noch nicht volljährigen Angeklagten. Auch sie seien der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig, sagte Harms. Sie betonte, die tödlichen Schnittverletzungen des Opfers seien zwar nicht auf den Vorsatz der Angeklagten zurückzuführen. Jedoch seien alle an der Verfolgung Beteiligten für Guendouls Tod verantwortlich, weil zwischen der tödlich endenden Flucht und der Verfolgung ein klarer Zusammenhang bestehe.
Der nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eindeutig zu erkennende Wille zur Körperverletzung reiche zu einer entsprechenden Verurteilung aus, argumentierte Harms. Diese Bedingung sei mit dem Schlachtruf “Jetzt gehts los!” erfüllt, den die Angeklagten währen der Hetzjagd gegrölt hatten.
Die Nebenkläger zeigten sich mit dem BGH-Urteil nicht zufrieden.“Das ist schwer nachvollziehbar, ich hätte härtere Strafen erwartet. Das Ganze war doch eine Tötung, es geht doch nicht um eine Schürfwunde”, sagte Malik Guendoul. Der Bruder des Getöteten war aus Algerien zum Prozess gereist. “Es ist unsere Pflicht, für unseren Bruder die Entwicklung vor Gericht selbst zu verfolgen”, sagte der 42-Jährige. Auf höhere Strafen hatte auch Rechtsanwältin Theda Giencke gehofft. Sie vertrat Issaka Kaba, das zweite Opfer der Hetzjagd, das in jener Nacht zum 13. Februar 1999 jedoch weitgehend unversehrt geblieben war.
Der Antrag der Nebenklage auf Neuverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Cottbus wurde vom BGH als unbegründet abgelehnt. “Der Senat schließt aus, dass heute eine andere Strafe bei einem anderen Richter herauskäme”, sagte die Vorsitzende Richterin Monika Harms. Zur Begründung führte sie den erheblichen Zeitablauf seit der Tat an, der im Jugendverfahren besonders zu beachtend sei und in der Regel zu einer milderen Strafe führe. Angelehnt wurden vom BGH die Forderungen der Anwälte der Angeklagten unter anderem nach Freispruch.
Der ehemalige Gubener Bürgermeister Gottfried Hain (SPD) hat den endgültigen Abschluss des Prozesses begrüßt. “Es darf nicht immer weiter in der Wunde gerührt werden”, sagte Hain. In Guben werde nie vergessen werden, dass sich “Leute aus der Stadt schuldig gemacht” hätten. “Was jetzt dabei justiziabel ist und wie man eine solche Tat moralisch bewertet, das sind zweierlei Dinge”, sagte Hain. In Guben hätten viele Menschen das ursprüngliche Strafmaß als zu gering bewertet.