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Klima & Umwelt

Castor-Sammel-Prozess nach 6,5 Stunden vertagt

Fort­set­zung­ster­min am 4. 4., 10 Uhr am AG Pots­dam, Jäger­allee 10–12, Saal 21

Wegen zwei erfol­gre­ichen spek­takulären Block­adeak­tio­nen in Hes­sen und der Pfalz musste sich am heuti­gen Mon­tag ein Aktivist vor dem Amts­gericht Pots­dam vertei­di­gen — Knapp 3 bzw. 5 Jahre nach den Vorkomm­nis­sen. „Teils zeigte Rich­terin Ahle Ver­ständ­nis für die Unver­hält­nis­mäßigkeit der Strafver­fol­gung. Das ältere Ver­fahren aus der Pfalz von 2008 hat sie zu Beginn der Ver­hand­lung von sich aus eingestellt. Hätte sie mir vor­ab einen Hin­weis darauf gegeben, hätte ich mir viel Aufwand sparen kön­nen. Bzgl. des anderen Vor­wurfs wurde mir ange­boten, über eine Reduk­tion des Bußgeldes zu reden. Angesichts des enor­men bish­eri­gen Aufwan­des lehne ich dies ab. So ‘was hätte, wenn dann, eher kom­men müssen. Jet­zt bin ich hier und führe das Ver­fahren zu Ende.“ So Christof, der Betrof­fene. Nach ein­er 1,5‑stündigen Zeu­gen­vernehmung und etlichen Beweisanträ­gen seit­ens der Vertei­di­gung beschränk­te die Rich­terin den Vor­wurf in der übri­gen Sache auf das – ver­mut­lich fahrläs­sige — unbefugte Betreten der Bah­nan­la­gen – in der Regel mit max. 25€ bußgeld­be­wehrt. Eine betrieb­sstörende Hand­lung hielt sie für nicht nachweisbar.

Die bei­den entschei­den­den prozes­sualen Anträge hat Frau Ahle ver­wor­fen. Ein 6‑seitiger Befan­gen­heit­santrag, der in  8 Fällen dar­legte, warum der Betrof­fene die Rich­terin für vor­ein­genom­men hält und ein Antrag auf Aus­set­zung der Hauptver­hand­lung, da ent­ge­gen der geset­zlichen Bes­tim­mungen der Zeuge dem Betrof­fe­nen nicht rechtzeit­ig namhaft gemacht wurde. Erst am Sam­stag erhielt der Betrof­fene Post, die wed­er notwendi­ge Angaben zur Per­son des Zeu­gen erhielt, noch als rechtzeit­ig ange­se­hen wer­den kann.  „Frau Ahle ver­warf den Befan­gen­heit­santrag — ohne für die Entschei­dung eine Pause zu benöti­gen — da er einzig und allein der Prozessver­schlep­pung diene. Auf die Begrün­dung ging sie kein Stück ein. Die in der Straf­prozes­sor­d­nung vorgeschriebene Aus­set­zung ver­warf sie mit dort expliz­it aus­geschlosse­nen Grün­den, um die Ver­hand­lung nach ihren Vorstel­lun­gen durchziehen zu kön­nen.“ so der Beschuldigte. „Von ein­er ergeb­nisof­fe­nen Ver­hand­lung kann also nicht die Rede sein. Sie betonte auch mehrfach, dass sie die Sache am heuti­gen Tag zu Ende brin­gen will und führte Die Ver­hand­lung sog­ar weit über die Geschäft­szeit hin­aus – am Ende ohne ihre Prak­tikan­tin und Pro­tokol­lan­tin weit­er, obwohl abse­hbar war, dass ohne weit­ere Beweis­mit­tel eine Verurteilung nicht in Betra­cht kommt.“

Der Polizeizeuge erin­nerte sich nach all der Zeit nur an weniges. Allerd­ings meinte er, sich genau an die Brücke und die ange­blich dort ange­brachte Beschilderung erin­nern zu kön­nen. Ob der das Betreten des Fußweges auf der Brücke ver­boten und dies erkennbar ist, ist essen­ziell für die Sache. Auf zig­fache Nach­frage der Vertei­di­gung musste er dann aber doch manche Aus­sagen wider­rufen. Spätestens nach einem Beweisantrag, der mit­tels Fotos belegte, dass etliche für die Sache wichtige Angaben des Beamten nicht der Wahrheit entsprachen, muss die Glaub­würdigkeit dessen min­destens als zweifel­haft beurteilt werden.

Dies hin­derte Rich­terin Ahle nicht daran, weit­er­hin ein Ende des Ver­fahrens mit Verurteilung am heuti­gen Tag anzus­treben. Davon, dass dies nicht nur auf­grund der rechtlichen Bew­er­tung, son­dern auch auf­grund der man­gel­haften Beweis­lage untun­lich ist, kon­nte der Betrof­fene die Rich­terin erst gegen 16:30 überzeu­gen. Die Hauptver­hand­lung in dem schon leeren Gericht wurde unter­brochen und ein Fort­set­zung­ster­min für den 4. April, 10 Uhr anber­aumt. Ob und welche Zeu­gen dafür geladen wer­den, ist noch nicht bekannt.

Es mag für viele nicht nachvol­lziehbar sein, weswe­gen ich mich auf das Ange­bot ein­er deut­lichen Reduk­tion des Bußgeldes zu Beginn der Ver­hand­lung nicht ein­ge­lassen habe, aber mein Gerechtigkeitswille und von mir aus auch Trotz ist größer als die Trägheit. Der poli­tisch motivierten Ver­fol­gung dafür, dass ich mich für eine intak­te Umwelt ein­set­ze, werde ich mich nicht beu­gen. Ger­ade angesichts des Trends zum Atom­ex­port z.B. durch die Uranan­re­icherungsan­lage Gronau und der Bren­nele­mente­fab­rik Lin­gen kann ich nicht an das Gerede von einem Atom­ausstieg glauben“, so der Betroffene.

Nach ein­er inter­nen Reform der Bun­de­spolizei 2009 – also erst nach einem der ver­han­del­ten Vor­fälle – wer­den sämtliche Ord­nungswidrigkeit­en im Bere­ich der Bah­nan­la­gen in Pots­dam ver­han­delt. Somit wird das Recht auf den geset­zlichen Richter und Zugang zu Gericht, also der grundge­set­zlich garantierte „effek­tive Rechtss­chutz“ mit Füßen getreten, meinen die Aktivis­ten und macht­en dies erst let­zten Monat am Bran­den­burg­er Tor – einem der Wahrze­ichen Pots­dams deut­lich. Sie klet­terten die Säulen empor und hissten Trans­par­ente. „Wir wür­den andere Orte für die poli­tis­che Auseinan­der­set­zung wählen, aber wenn das Gericht uns zum Tanz ein­lädt, dann kom­men wir! Wir lassen uns nicht krim­i­nal­isieren. Der Protest gegen die Atom­kraft ist legit­im!“ erk­lärt Karsten, ein­er, dessen Ver­fahren zwecks Beteili­gung an der Klet­ter­ak­tion zum Cas­tor ’10 mit­tler­weile eingestellt wor­den ist.

Infor­ma­tio­nen zum Prozess: http://nirgendwo.info/
Infor­ma­tio­nen zur Aktion ’10: http://nirgendwo.info/info/fuldatal-bruckenaktion/
Infor­ma­tio­nen zur Aktion ’08 und den bish­eri­gen Prozessen dazu: http://bloxberg.blogsport.de/

 

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