POTSDAM Führende CDU-Landespolitiker haben die Ankündigung von EU-Kommissar
Franco Frattini kritisiert, Grenzkontrollen nach Polen und Tschechien schon
2007 aufzugeben. “Die Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze
dürfen erst fallen, wenn Polen alle geforderten Sicherheitsstandards des
Schengen-Abkommens erfüllt und auch auf Dauer halten kann”, betonte
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gegenüber der MAZ. Definitive zeitliche
Festlegungen für den Wegfall der Kontrollen — wie von Frattini geäußert -
seien “voreilig”. Ein Hauptgrund für die Ablehnung findet sich in einer
Sicherheitsanalyse des Ministeriums. Die Kooperation von Interpol Warschau
bei der Aufklärung besonders von Bagatellstraftaten, heißt es, sei mit
Grundsätzen des Schengener Durchführungsübereinkommens teilweise
“unvereinbar”.
Mit dieser Kritik stellt sich Schönbohm hinter gleichlautende Forderungen
der Generalsekretäre der brandenburgischen sowie sächsischen
CDU-Landtagsfraktionen, Sven Petke und Michael Kretschmer. Die Grenzen zu
Polen und Tschechien seien “Haupteinfalltore für die grenzüberschreitende
Kriminalität nach Deutschland”, begründet Petke seine Bedenken. “Ohne die
Barriere der Grenzkontrolle besteht die Gefahr, dass sich die Kriminalität
bei uns vervielfacht.” Solange Polen nicht in der Lage sei, seine Ostgrenzen
effektiv zu sichern, könnten sich asiatische und ost€päische
Schleuserbanden, Drogen- und Zigarettenschmuggler weitgehend ungehindert in
fast ganz Europa bewegen. Eine “Kriminalitätsschwemme nach Deutschland”, so
Petke, “wäre kaum mehr aufzuhalten”. Dass Polen an seiner Ostgrenze die
strengen Schengen-Standards erfülle, sei vor 2011 “nicht zu erwarten”.
Petke: “Eine vorzeitige Aufgabe der Grenzkontrollen kommt daher für uns
nicht in Frage.”
Eine Analyse des Potsdamer Innenministeriums verstärkt den Eindruck eines
von Ost€pa ausgehenden Sicherheitsproblems. Jede achte 2004 registrierte
Straftat wurde in den 25 märkischen Gemeinden an der Grenze zu Polen
begangen. Die Kriminalitätsbelastung liegt in dieser Region deutlich über
dem Landesdurchschnitt. Selbst wenn die Straftaten gegen die Ausländer- und
Asylverfahrensgesetze ausgeklammert werden — die sich in Grenznähe
selbstverständlich häufen -, entfielen auf die Grenzgemeinden fast 10 300
Straftaten auf jeweils 100 000 Einwohner. Das sind beinahe 1300 Straftaten
mehr als vergleichsweise im Landesdurchschnitt.
Auch die Herkunft der nichtdeutschen Tatverdächtigen hebt das Problemfeld
Ost€pa hervor. Während Tatverdächtige aus Schengen-Staaten — die ihre
Außengrenzen nach höheren Standards effektiver sichern — in Brandenburg nur
eine “unbedeutende Rolle” spielen, gilt für nichtdeutsche Tatverdächtige aus
Ost€pa das Gegenteil. Im vergangenen Jahren, so das Innenministerium,
kamen 62 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen aus Polen, der
Russischen Föderation und Vietnam.