(Tagesspiegel, 23.3., Michael Mara) Potsdam. Die CDU wird in dem neuen Härtefall-Beirat der Brandenburger
Ausländerbeauftragten Almuth Berger nicht mitarbeiten. Das hat
CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger am Montag klargestellt. Sie wisse
nicht, was dieser Beirat bewirken solle, so Blechinger. Abschiebungen von
Asylbewerbern lägen rechtskräftige Gerichtsurteile zugrunde. Der
Berger-Beirat habe keine rechtlichen Befugnisse und könne nicht zur
Versachlichung der öffentlichen Debatte beitragen.
Um den Beirat gibt es einen heftigen Streit in der großen Koalition: Die CDU
betrachtet es als Affront, dass Berger ohne Abstimmung mit dem für
Asylfragen zuständigen Innenminister Jörg Schönbohm handelte. Nach Ansicht
Schönbohms hätte Berger die Zusammenarbeit mit ihm suchen müssen. Hingegen
stellt sich die SPD hinter Berger: Ministerpräsident Matthias Platzeck
erklärte am Wochenende, er begrüße “alles, was hilft, komplizierte Fälle
ohne Eskalation zu klären und schwierige menschliche Schicksale zu
erleichtern”. Der Streit wird heute auch Thema im Kabinett sein.
Blechinger stellte gestern die Stellung der Ausländerbeauftragten generell
in Frage. Berger müsse als Landesbeauftragte im Interesse des Landes
handeln. Nach ihrem eigenmächtigen Schritt sei zu fragen, ob sie noch
Landesbeauftragte sein könne oder Beauftragte des Sozialministeriums. Dort
ist ihr Büro angesiedelt. Die SPD sieht allerdings keinen Anlass, den Status
der Ausländerbeauftragten zu ändern.
Zu neuem Unmut bei der CDU führte am Montag eine Dokumentation der
SPD-Jungsozialisten mit alten Schönbohm-Äußerungen zum Irak-Krieg.
CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek sprach von “primitiver Diffamierung”.
Hingegen meinte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness, es sei legitim,
anlässlich des ersten Jahrestages des Beginns des Irak-Krieges an frühere
Äußerungen des CDU-Chefs zu erinnern. Maßgebliche Christdemokraten sehen das
Koalitionsklima als “erheblich belastet” an.
Härtefallbeirat schadet dem Klima in der Koalition
(BM, 23.03.04) Potsdam — Die CDU-Fraktionschefin im Landtag, Beate Blechinger, sieht das Koalitionsklima als beschädigt an. Das Kabinett müsse sich klar
positionieren, ob die Ausländerbeauftragte des Landes, Almuth Berger, gegen den Willen des Parlaments einen Härtefallbeirat für abgelehnte Asylbewerber gründen dürfe. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wirft Berger vor, mit
ihrem Vorgehen gegen die Geschäftsordnung der Landesregierung verstoßen zu haben.
Zwischen SPD und CDU kracht es gewaltig, nachdem die Ausländerbeauftragte an Schönbohm vorbei ein solches Gremium installierte und dafür auch noch die
Unterstützung von Sozialminister Günter Baaske (SPD) erhielt. Die Union warf der SPD daraufhin vor, mit dem Thema Wahlkampf gegen Schönbohm machen zu wollen. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Sven Petke, warf Berger
gestern sogar vor, “Überfremdungsängste bei den Menschen im Land” zu erzeugen. Das wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten. Der Vorstoß von Berger bewege sich im rechtsfreien Raum, nachdem die rot-grüne Bundesregierung sich weigere, zusammen mit der Union ein modernes
Ausländerrecht zu verabschieden.
Richstein lehnt Kommission ab
Für Härtefälle stehen Gerichte offen
(MAZ) POTSDAM — Justizministerin Barbara Richstein (CDU) hält eine
Härtefall-Kommission für schwierige Asylverfahren für überflüssig. Wer sich
durch behördliche Entscheidungen negativ betroffen oder belastet fühle,
könne sich hilfesuchend an Gerichte wenden, sagte Richstein gestern in
Potsdam. Ihm stehe der “verfassungsrechtlich garantierte Rechtsweg offen,
der auch entsprechende rechtsstaatliche Mittel wie den einstweiligen
Rechtsschutz” vorsehe.
Nach Beendigung des Rechtsstreits habe der Betroffene aber die gerichtliche
Entscheidung zu akzeptieren, ergänzte die Ministerin. Das sei auch zur
Sicherung des Rechtsfriedens nötig. Im Übrigen könnten Beschwerden gegen
behördliche Entscheidungen aufgrund des verfassungsrechtlich gewährten
Petitionsrechts auch beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht
werden. Doch auch die Entscheidungen dieses Gremiums hätten weder
aufschiebende Wirkung noch Einfluss auf die Gerichtsurteile.
Richstein betonte: “Es wäre fatal, wenn wir bei den bei uns Hilfe suchenden
Asylbewerbern mit der Einrichtung einer Härtefall-Kommission falsche
Hoffnung wecken würden.” Entscheidungen der Kommission hätten im Gegensatz
zu Gerichtsurteilen keine bindende Wirkung. Die Ausländerbehörden müssten
den Empfehlungen der Kommission nicht folgen.
Richstein widersprach damit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der
sich am Wochenende für die Gründung einer Härtefall-Kommission ausgesprochen
hatte. Er geht davon aus, dass ein solches Gremium gegründet wird, falls er
nach den Landtagswahlen im September weiterhin Regierungschef in Brandenburg
ist. Solche Kommissionen hätten sich in anderen Bundesländern bewährt, so
der Ministerpräsident.
Das Thema steht auf der Tagesordnung der heutigen Kabinettssitzung.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte einer Härtefall-Kommission — im
Gegensatz zu Platzeck — stets eine Absage erteilt. Er habe bereits im
vergangenen Jahr bundeseinheitliche Regelungen für Härtefälle in Asylfragen
gefordert, erklärte Schönbohm. In dieser Frage sei jetzt die Bundesregierung
am Zuge.
Streit um neuen Beirat für Asyl-Härtefälle
CDU kritisiert Alleingang der Ausländerbeauftragten
(Berliner Zeitung, 23.3., Andrea Beyerlein) POTSDAM. Der Streit um den von der Ausländerbeauftragten der
Landesregierung, Almut Berger, überraschend eingesetzten Beirat für
ausländerrechtliche Härtefälle spitzt sich zu. CDU-Fraktionschefin Beate
Blechinger sprach am Montag von einer Beschädigung des Koalitionsklimas: “Es
hätte Absprachen darüber geben müssen.” Wenn Berger dazu nicht bereit sei,
könne sie nicht mehr als Ausländerbeauftragte der Regierung fungieren, sagte
Blechinger. Am Dienstag will Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den
Berger-Vorstoß im Kabinett diskutieren, stellte vorab aber schon einmal
klar: “Ich begrüße alles, was hilft, schwierige menschliche Schicksale zu
erleichtern.”
Die Einrichtung einer Härtefall-Kommission zählt von Anbeginn zu den
wiederkehrenden Konfliktthemen der großen Koalition. Jedes Mal, wenn
öffentlich über konkrete Abschiebe-Fälle debattiert wird, fordern
Flüchtlings- und Kirchengruppen, die PDS aber auch Teile der SPD die
Einsetzung eines solchen Gremiums, wie es in verschiedenen Bundesländern -
darunter Berlin — existiert. Bislang scheiterte dies jedoch am erbitterten
Widerstand insbesondere von Innenminister und CDU-Chef Jörg Schönbohm. Aus
Koalitions-Disziplin lehnte auch die SPD solche Initiativen der PDS im
Landtag bislang ab.
Agieren im luftleeren Raum
Entsprechend groß ist der Ärger über Bergers Vorstoß im Innenministerium. Es
gebe keine gesetzliche Grundlage für ein solches Gremium, sagte Sprecher
Heiko Homburg. “Der Beirat agiert im luftleeren Raum. Ob er zusammen tritt,
oder nicht, ist ohne Relevanz.”
Doch auch Justizministerin Barbara Richstein (CDU) hält eine
Härtefall-Kommission für überflüssig. Wer sich durch behördliche
Entscheidungen negativ betroffen oder belastet fühle, könne sich an Gerichte
wenden, sagte sie.
Der innenpolitische Sprecher
der CDU, Sven Petke, wirft der
Ausländerbeauftragten vor, Wahlkampf zu betreiben. Berger ist Mitglied der
Grünen. “Als Referatsleiterin hat sie sich an die Beschlüsse von Kabinett
und Landtag zu halten”, forderte Petke. “Ansonsten kann sie sich für den
Wahlkampf beurlauben lassen.” Im Übrigen habe auch die SPD in den fünf
Jahren ihrer Alleinregierung bis 1999 keine Härtefall-Kommission
eingerichtet. Die Zahl der Abschiebungen sei seither von 1 317 auf 649 im
Vorjahr gesunken.
Sozialminister Günter Baaske (SPD), bei dem die Ausländerbeauftragte
angesiedelt ist, verteidigte Bergers Vorgehen. Dass sich die Koalition nicht
auf eine Härtefallkommission verständigen könne, sei allen klar, sagte er.
Deshalb sei das neue Gremium ein Beirat, der in konkreten Einzelfällen oder
Konflikten eingeschaltet werden könne.
Almut Berger selbst beschreibt die Aufgabe des neues Gremiums so: “In
Einzelfällen sucht der Beirat nach Ermessensspielräumen bei der
ausländerrechtlichen Entscheidung und spricht der Ausländerbehörde
beziehungsweise dem Innenministerium Empfehlungen aus. Da eine sachliche und
unspektakuläre Lösung in bestimmten Härtefällen im Interesse aller
Beteiligten liegt, hoffe ich auf eine Dialogbereitschaft und vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden.” Mitglieder des von Berger in
der vergangenen Woche eingerichteten Beirates, der ein Mal pro Monat tagen
soll, sind unter anderem die Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm
sowie die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Andrea Kuhnert und Susanne Melior
sowie Heike Omoradion vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Die SPD-Fraktion begrüßte Bergers Vorstoß. Dass ein solches Gremium nach wie
vor nötig sei, habe CDU-Chef Schönbohm selbst zu verantworten, weil er durch
den Eklat im Bundesrat vor zwei Jahren die Verabschiedung des
Zuwanderungsgesetzes verhindert habe. Platzeck sagte, er wolle eine reguläre
Härtefall-Kommission einsetzen, wenn er nach den Wahlen im Herbst weiter
Ministerpräsident sein.