(MAZ, Volkmar Krause) POTSDAM Die Debatte über den Umgang mit dem Rechtsextremismus in Brandenburg hält
an. Gestern forderte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eine intensivere
Auseinandersetzung mit dem Problem. Aufgrund der geringen Zahl von
Gegendemonstranten beim Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Samstag in Halbe
(Dahme-Spreewald) schlug Schönbohm vor, dass SPD und CDU zum Volkstrauertag
2005 eine Kundgebung in der Gemeinde organisieren. Der 60. Jahrestag des
Kriegsendes sei dafür ein geeigneter Anlass. Halbe dürfe nicht zum
“Wallfahrtsort” der Neonazis werden.
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness begrüßte Schönbohms Vorstoß. Man könne
den Neonazis nicht die “Interpretationshoheit” über Halbe überlassen. Dort
habe eine der grausamsten Schlachten der letzten Kriegstage getobt, die von
den Rechtsextremisten seit Jahren für “Geschichtsklitterung” missbraucht
werde. Ness will ein “breites Bündnis” als Gegenbewegung zu Halbe
mobilisieren, zu dem die demokratischen Kräfte im Landtag, die
Landesregierung, Parteien, Verbände und Gewerkschaften gehören sollen. Die
Einbeziehung seiner Partei verlangte auch der innenpolitische Sprecher der
PDS-Landtagsfraktion, Hans-Jürgen Scharfenberg. Gleichwohl begrüßte
Scharfenberg, dass Schönbohm, der bislang nie an Gegenkundgebungen zu
rechten Aufmärschen teilgenommen habe, nun über seinen Schatten springe.
Unterdessen ist die Äußerung von SPD-Fraktionschef Günter Baaske, er sei
“stinksauer” über die schwache Beteiligung an der Gegendemonstration in
Halbe, SPD-intern mit Kritik aufgenommen worden. Baaske hatte beklagt, dass
das Problem des Rechtsextremismus und der “Unterwanderung der Demokratie”
nicht ernst genommen werde. “Das ist wenig hilfreich”, heißt es, zumal auch
die SPD keine Kundgebung organisiert hatte. “Im Vorfeld war nichts
besprochen”, erklärte Matthias Ochs, Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks
Dahme-Spreewald.
Statt der vorausgesagten 2600 Gegendemonstranten waren nur einige Hundert
gekommen. “Wir haben es nicht geschafft, die Leute zu mobilisieren”, musste
selbst die PDS-Kreischefin von Dahme-Spreewald, Karin Weber, einräumen.
SPD-Unterbezirkschef Peter Danckert ist bereit, über eine Kundgebung 2005 zu
diskutieren. Er sei am Wochenende nicht in Halbe gewesen, um die Arbeit der
Polizei, die durch Kontrollen ohnehin belastet war, nicht noch zu
erschweren, so der Bundestagsabgeordnete.
Skepsis angesichts möglicher Gegendemonstrationen im protestgeplagten Halbe
gibt es auch an der CDU-Basis. “Demonstrationstourismus ist problematisch”,
gibt der Sprecher des CDU-Kreisverbandes, Joachim Kolberg, zu bedenken. Vor
Ort sei man eher der Auffassung, dass sich der Neonazi-Aufmarsch “totläuft”,
wenn er von der Öffentlichkeit ignoriert werde.
Die Mobilen Beratungsteams in Brandenburg haben die Kritik am mangelnden
Bürgerengagement und an den Programmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
zurückgewiesen. Im Land habe sich in den vergangenen Jahren ein “lebendiger
demokratischer Leitgedanke” entwickelt, erklärte Leiter Wolfram Hülsemann
gestern. Daraus seien Initiativen wie der Landespräventionsrat und das
Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
entstanden, die in anderen Bundesländern ihresgleichen suchten.